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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0314 ………. 13. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1) Die vollständigen Infos zum IMI-Kongress am 21./22. November
2) Zwei Texte zum irischen Referendum über den Vertrag von Lissabon
1) IMI-Kongress 21./22. November: Krisenmanagement: „Sicherheitsarchitektur“ im globalen Ausnahmezustand
Inzwischen ist auch das Plakat zum IMI-Kongress fertig. Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele es ausdrucken und in ihren Kneipen, etc. aufhängen würden:
https://www.imi-online.de/download/IMI-Kongressplakat2009.pdf
Den Einladungsflyer gibt es hier:
https://www.imi-online.de/download/IMI-Kongressplakat2009.pdf
Auf Wunsch schicken wir natürlich auch gerne Flyer und Plakate zu. Hierfür einfach eine Mail an die IMI senden: imi@imi-online.de
Gerne versuchen wir Übernachtungsmöglichkeiten (in begrenztem Umfang) zu organisieren, auch hierfür einfach bei uns melden.
Hier nochmal alles Relevante zum Kongress (siehe auch: https://www.imi-online.de/2009.php3?id=2016):
Auftaktveranstaltung am 20.11.2009 ab 19:00 VoKü, ab 20:30 Vortrag, danach Kneipe
Söldner, Lager, Bürgerkrieg: Krisenmanagement in Afrika
Kevin Gurka, Jonna Schürkes, Christoph Marischka
Ort: Hausbar der Schellingstrasse 6
http://www2.schellingstrasse.de/schelling/index.php?id=58
SAMSTAG, 21.11.2009 AB 12:00 Uhr
Ort: Deutsch-Amerikanisches Institut (D.A.I.), Karlstrasse 3
http://www.dai-tuebingen.de/de/index.php?sec=kont&cat=anfahrt
12h
Begrüßung
12:30-14:00 Uhr
Ökonomie, Krise und Krieg
Elmar Altvater
14:30-16:00 Uhr
Neue Mächte – neue Kriege? Globale Machtverschiebungen im Kontext der Krise
Jürgen Wagner
16:30-18:00 Uhr
Boots on the Ground: Ausbildung und Ausrüstung von Soldaten in Drittstaaten
Jonna Schürkes
Pause & Imbiss
19:30-21:00 Uhr
Risikobevölkerungen, Lagebilder und Prävention – Krisenmanagement als Regierungstechnik
Christoph Marischka
SONNTAG, 22.11.2009 AB 10:00 Uhr
Ort: Deutsch-Amerikanisches Institut (D.A.I.), Karlstrasse 3
http://www.dai-tuebingen.de/de/index.php?sec=kont&cat=anfahrt
10:00-11:30 Uhr
Militarisierung von Forschung und Lehre
Mechthild Exo, Sarah Nagel
11:45-13:15 Uhr
Militärischer Heimatschutz: Neue Sicherheitsarchitektur für den alltäglichen Ausnahmezustand?
Rolf Gössner
13:30-15:00
Repression gegen soziale Bewegungen in Zeiten der Krise
Tobias Pflüger, Rolf Gössner, Hedwig Krimmer u.a.
Alle Infos zum Kongress: https://www.imi-online.de/2009.php3?id=2016
2) Zwei Texte zum irischen Referendum über den Vertrag von Lissabon
IMI-Standpunkt 2009/056, in: WOZ, 8.10.2009
Die EU wird gefährlich
Die irische Zustimmung zum Lissabon-Vertrag hat den Weg frei gemacht für eine neue EU. Aber kann das Projekt gelingen?
https://www.imi-online.de/2009.php?id=2029
8.10.2009, Tobias Pflüger
Nun haben sich die Iren und Irinnen also doch besonnen – und halb Europa atmet auf. Ein entschiedenes Ja sei das gewesen, lobten die Regierungen der anderen EU-Staaten, immerhin hatten am letzten Freitag 67 Prozent der Stimmenden für die Annahme des Lissabon-Vertrags votiert. Mit dem einzigen demokratischen Votum – in allen anderen EU-Staaten wurden Referenden entweder abgesetzt oder gar nicht erst erwogen – ist die Ratifizierung des Vertrags sehr viel wahrscheinlicher geworden. Dem wachsenden Druck dürfte auch der tschechische Staatschef Vaclav Klaus nicht lange standhalten.
Mit der Pistole
Aber haben die IrInnen tatsächlich über den Lissaboner Vertrag abgestimmt? Die BefürworterInnen, die mit viel EU-Prominenz und noch mehr Geld hantieren konnten, sprachen die Inhalte des Vertrags vorsichtshalber gar nicht erst an. So entschied die irische Bevölkerung eher über ihre Mitgliedschaft in der EU und über das Versprechen von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsaufschwung. […] Selbst die Neutralität des Staates, ein für die meisten IrInnen zentraler Punkt, spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle. Und wenn, dann wurde mit unhaltbaren Behauptungen argumentiert. Die Neutralität würde durch den Vertrag nicht berührt, hiess es. Dabei ist die Zusammenarbeit der EU mit der Nato ein wesentliches Element des Vertragswerks.
Nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht Ende Juni zwar das deutsche Begleitgesetz zum EU-Vertrag kassierte (mit ihm hatte die deutsche Regierung die Entscheidungsbefugnis des Bundestags über Kriegseinsätze deutscher SoldatInnen auszuhebeln versucht), den Vertrag selber aber nicht für verfassungswidrig erklärte, scheint der Weg frei für die Etablierung der Militärmacht EU. Denn der Vertrag verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten nicht nur zur Aufrüstung (Artikel 42), sondern im Konfliktfall auch zum gegenseitigen Beistand. Die militärische Solidaritätsklausel (Artikel 222) ist noch strikter formuliert als die Bündnisverpflichtung der Nato. Sie ermöglicht auch einen Einsatz des Militärs im Innern der EU – eine Massnahme, die etwa das deutsche Grundgesetz ausdrücklich untersagt.
Die «ständige strukturierte Zusammenarbeit» (so das Vertragswerk) läuft auf die Bildung eines militärischen Kerneuropas hinaus. Denn über den Verlauf der beschlossenen Einsätze dürfen nur jene Staaten entscheiden, die daran teilnehmen. Zudem erlaubt ein «Anschubfonds» die Nutzung von EU-Haushaltsmitteln für militärische Zwecke. Die bisherigen EU-Verträge verbieten das. Fest verankert im neuen Vertrag sind auch die EU-Battlegroups (militärische Sondereinsatzkommandos) und die EU-Rüstungsagentur, die die Aufrüstung koordiniert und – wie von grossen Rüstungsfirmen seit langem gefordert – einen EU-weiten Rüstungsmarkt etablieren will. «Fest verankert» heisst: Sie können nicht mehr durch eine Entscheidung im EU-Rat abgeschafft werden, sondern nur durch einen neuen Vertrag.
Auch die Machtverhältnisse werden sich ändern. Die auf 27 Mitgliedsstaaten angewachsene EU brauche schlankere Strukturen, sagen die VertragsbefürworterInnen seit langem. Herausgekommen ist aber eine Zentralisierung, die vor allem den Einfluss der Regierungen von Deutschland, Frankreich und Britannien stärkt. Die kleineren Staaten werden an den Rand gedrängt; daran ändert auch das Zugeständnis an Irland nichts, das nun einen festen Sitz in der EU-Kommission beanspruchen darf. «Schlankere Strukturen» heisst somit: Die Kommandos werden oben gegeben. Der geringfügige Kompetenzzuwachs für das EU-Parlament gleicht das nicht aus. Noch immer sind nicht die EU-Abgeordneten die Legislative. Das nach wie vor politisch entscheidende Gremium ist und bleibt der Ministerrat, der aus Regierungsmitgliedern der einzelnen Staaten besteht. Ob die kleinen Staaten auf Dauer die Dominanz der Grossen hinnehmen werden, ist nicht ausgemacht.
Wettlauf der Dumpinglöhne
Zentral in der neuen EU, die da heranwächst, sind auch die repressiven Elemente. Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen (Frontex) zum Beispiel, die sich derzeit vor allem durch die Abwehr von Flüchtlingen im Mittelmeer und im Atlantik hervortut, ist im Lissaboner Vertrag festzementiert. Aufgelöst werden kann diese Agentur ebenfalls nur durch einen neuen Vertrag.
Unmittelbare Auswirkungen wird auch das Binnenmarktprinzip haben, das den Vertrag wie ein roter Faden durchzieht und dem alles untergeordnet ist. Was das bedeutet, ist derzeit am Beispiel der Dienstleistungsrichtlinie zu beobachten, die früher Bolkestein-Richtlinie genannt wurde. Diese EU-Weisung organisiert den Wettlauf der Dumpinglöhne. Nach breitem Widerstand hatte die EU-Kommission den Bolkestein-Hammer zurückgezogen, ein paar wenige Ausnahmen hineingeschrieben und die Weisung den Mitgliedsstaaten wieder vorgelegt. Nun muss sie in nationales Recht umgesetzt werden. Konkret bedeutet das beispielsweise, dass Gemeinden künftig alle Aufträge europaweit ausschreiben müssen, wenn sich auch nur ein einziges privates Unternehmen daran beteiligen soll. Auflagen (wie etwa Lohnhöhe oder Arbeitsbedingungen) dürfen keine gemacht werden; in der Regel gilt auch weiterhin das Herkunftslandsprinzip. Damit schreibt die EU gewissermassen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs fest, der in vier Fällen das EU-Recht und das Binnenmarktprinzip über einzelstaatliche Lohn- und Tarifbestimmungen gestellt und gewerkschaftlichen Widerstand verboten hatte (siehe WOZ Nr. 28/08).
Der Lissaboner Vertrag gibt dem Binnenmarktprinzip Verfassungsrang. Auch wer die Finanzmärkte regulieren will, muss sich übrigens beeilen. Viele der derzeit diskutierten Regeln werden durch den Vertrag verboten.
IMI-Standpunkt 2009/055 – in: AUSDURCK (Oktober 2009)
Das erpresste „Ja“
Schrankenlose EU-Militärpolitik nach dem Referendum in Irland?
https://www.imi-online.de/2009.php?id=2028
6.10.2009, Claudia Haydt
Am Freitag, den 2. Oktober 2009 fand in Irland die zweite Abstimmung über den Lissabon-Vertrag statt. 67 Prozent sprachen sich für den Lissabon-Vertrag aus, 33 Prozent dagegen. Von fairen und freien Wahlen konnte dabei jedoch kaum die Rede sein. Besonders das Ja-Lager argumentierte kaum mit den Inhalten des Vertrages. Die Debatte spitzte sich zu auf die Frage der möglichen Isolation Irlands bei einem „Nein“ und auf die erhoffte Wirtschaftshilfe „aus Brüssel“ zur Überwindung der irischen Krise und zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Nach Einschätzung von Michael Youlton, einer der Sprecher des progressiven Nein-Lagers, war das „Nein“ in den Medien im Vergleich zur „Ja-Seite“ im Verhältnis eins zu fünf unterrepräsentiert und im Verhältnis eins zu zwanzig unterfinanziert bei der Durchführung ihrer Kampagnen im Vorfeld der Referendums. Die Brüsseler Kommission und die europäischen Schwesterparteien der großen irischen Parteien beließen es nicht nur bei verbaler Unterstützung des Lissabon-Vertrags, sie finanzierten die Ja-Kampagne massiv. Zusammen mit der Finanzierung des „Ja“ durch Privatunternehmen wie Intel und Ryanair entstand so ein massiver Druck auf die Bevölkerung. „Die Iren stimmten mit der Pistole an der Schläfe ab“, kommentierte die konservative polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ treffend.
Risikofaktor Tschechien
Nun muss der Lissabon-Vertrag noch in zwei weiteren Staaten ratifiziert werden. Was oberflächlich wie ein großer Erfolg aussieht, birgt jedoch immer noch jede Menge Risiken in sich. Der polnische Staatspräsident kündigte zwar an, den Vertrag zu ratifizieren, nachdem Irland zugestimmt hat, aber der tschechische Präsident Vaclav Klaus möchte mit seiner Unterschrift warten, bis der tschechische oberste Gerichtshof über eine zweite Klage von tschechischen Senatsabgeordneten, die am 29. September eingereicht wurde, entschieden hat. Dadurch könnte sich die tschechische Unterschrift bis ins Jahr 2010 verzögern. Im Frühjahr nächsten Jahres wiederum finden in Großbritannien Wahlen statt. Die britischen Konservativen kündigen bereits jetzt an, dass sie ein Referendum durchführen und gegebenenfalls die britische Unterschrift zurückziehen würden, wenn der Lissabon-Vertrag im nächsten Jahr noch nicht abschließend ratifiziert ist. Solange noch nicht alle Unterschriften hinterlegt und der Vertrag damit gültig ist, kann ein Land jederzeit seine Unterschrift wieder zurücknehmen.
Leere Versprechungen
Die irische Regierung hatte im Juni diesen Jahres eine Reihe von „Garantien“ mit der Europäischen Union ausgehandelt, die die Bedenken in der irischen Bevölkerung zerstreuen sollten. So soll Irland auch in einer verkleinerten Kommission einen Kommissar stellen dürfen, die irische Neutralität und Steuer- sowie Abtreibungsgesetzgebung sollen geachtet werden. Bei der Abtreibungsfrage ging es vor allem um die Befriedung der katholischen Kirche Irlands. Doch Analysen der Motivation des Nein-Lagers beim letzten Referendum kamen klar zum Ergebnis, dass das Nein vor allem bei jungen Menschen und bei Frauen favorisiert wurde. Beide Gruppen sprechen sich mehrheitlich für liberalere Abtreibungsgesetze aus. Wichtiger ist die Frage der Neutralität, da die NATO-Gegnerschaft in der Bevölkerung weit verbreitet ist und eine militarisierte Europäische Union wenige Freunde in Irland hat. Auch Fragen der Privatisierung, der Arbeiterrechte, der Gesundheitsversorgung und der Regulierung der Landwirtschaft spielten eine wichtige Rolle bei der Ablehnung. Nur einem Teil dieser Bedenken wurde in den verhandelten „Garantien“ überhaupt Rechnung getragen. Doch auch sie sollen nicht Teil des Vertragstextes des Lissabon-Vertrags werden. Damit sind sie nicht verbindlich und haben den Charakter bloßer Absichtserklärungen.
Verfasste Militarisierung
Der irische Regierungschef Brian Cowen erklärte nach dem Referendum „Heute ist ein guter Tag für Irland und ein guter Tag für Europa.“ Ganz Europa kann er damit nicht gemeint haben, denn besonders für die ärmeren Teile der Bevölkerung ist bei einer, durch den Lissabon-Vertrag gestärkten neoliberalen EU-Wirtschaftspolitik, mit einer weiteren Verschlechterung ihrer rechtlichen und ökonomischen Situation zu rechnen. Besonders freuen über den Ausgang des Referendums dürften sich jedoch die europäischen Militärs und Rüstungslobbyisten. Der Lissabon-Vertrag macht die EU endgültig zu einem Militärblock. Dazu trägt nicht zuletzt die Solidaritätsklausel (Titel VII, Art. 222) bei, die festlegt, dass die Union im Kriegs- und Krisenfall „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel (mobilisiert), einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel“. Durch die Einführung eines europäischen Außenministers (Hoher Repräsentant) mit einem eigenen diplomatischen Corps wird die EU wahrscheinlich wirklich handlungsfähiger in der Außenpolitik, da sie aber gleichzeitig nicht demokratischer wird (das Parlament wird nur „informiert“), ist damit zu rechnen, dass es vor allem darum geht, schneller Kriege beginnen und durchführen zu können.
Dazu wird auch der neu eingerichtete Anschubfonds (Art. 41,3) beitragen, eine Art „schwarzer Kriegskasse“, in die die Mitglieder einzahlen, um jederzeit mit einer militärischen Mission beginnen zu können. Darüber hinaus soll sich die militärische Außenpolitik aber künftig auch aus dem allgemeinen EU-Haushalt bedienen können, indem Regelungen erlassen werden, die „den schnellen Zugriff auf die Haushaltsmittel der Union zu gewährleisten“. Das war unter den bisher gültigen Nizza-Gesetzen nicht möglich. Profitieren wird von diesem Zugriff auf EU-Finanzen auch die Rüstungsagentur, die nun Verfassungsrang erhält und nicht nur die EU-Aufrüstung koordiniert, sondern auch die EU-Rüstungsproduktion und Rüstungsforschung stärken soll. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit ein militärisches Kerneuropa im Rahmen der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) zu etablierten. Mitgliedstaaten, die im Militärbereich besonders hohe Zielvorgaben für Rüstungsausgaben und die Bereitstellung von Truppen erfüllen, können sich zur SSZ zusammenschließen. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Außenpolitik wird hier nicht einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit entschieden. So wird strukturell die Wahrscheinlichkeit für EU-Kriegseinsätze noch höher als sie es bereits ist, verstärkt wird dies dadurch, dass der Lissabon-Vertrag auch den Katalog der Militäreinsätze, die in Frage kommen, noch deutlich über die so genannten Petersbergaufgaben hinaus erweitert hat (Art. 43,1). Das „Ja“ im irischen Referendum war somit sicher kein schöner Tag für die Idee eines friedlichen Europa.