IMI-Standpunkt 2009/011

Die NATO in Afrika


von: Thomas Mitsch | Veröffentlicht am: 14. Februar 2009

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Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor Afrika in der Wahrnehmung des Westens zunächst an strategischer Bedeutung. Insbesondere aber seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 gelten v.a. die Länder in Nordafrika als potenzielles Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet für islamische Terroristen. So genannte „Scheiternde Staaten“, von denen viele in Afrika liegen, gelten jedoch mittlerweile auch als Quelle allerlei anderer Bedrohungen – von Migration über Krankheiten bis hin zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. „Nicht zuletzt deshalb fließen seither üppige finanzielle Mittel zur Stützung vermeintlicher demokratischer Regime vor Ort.“[1] Doch auch militärisch sind die USA, die EU und mittlerweile zunehmend auch die NATO auf dem Kontinent aktiv, insbesondere wenn es um die Sicherung des Zugriffs auf Rohstoffe geht. Mitte 2006 hielt die NATO Response Force (NRF) auf den Kapverdischen Inseln in unmittelbarer Nähe der westafrikanischen Küste die Übung „Steadfast Jaguar“ ab, deren Szenario folgendermaßen beschrieben wurde: „Über 7.000 Soldaten, inklusive deutscher und französischer Infanterie, amerikanischer Bomberpiloten und spanischer Seeleute werden sich einer Auseinandersetzung rivalisierender Fraktionen gegenübersehen, die um die Kontrolle der Ölvorkommen der Insel kämpfen.“[2]

Afrika verfügt über knapp 120 Mrd. Barrel an gesicherten Ölvorkommen – etwa 10 Prozent der Weltölvorräte –, wobei man davon ausgeht, dass große Vorräte bislang noch unentdeckt geblieben sind. Darüber hinaus besitzt Afrika auch noch knapp 8 Prozent der Weltgasvorräte. Da es hiermit eines der wenigen Gebiete außerhalb des Mittleren Ostens ist, das in der Lage ist, künftig mehr statt weniger Öl zu exportieren, wurde die Bedeutung der Region bereits vor den Anschlägen des 11. September 2001 betont. So gab der Nationale Geheimdienstrat der USA bereits im Dezember 2000 das strategische Ziel aus, im Jahr 2015 allein aus Westafrika rund 25 statt der gegenwärtigen 16 Prozent des US-Öl-Bedarfs importieren zu wollen.[3] Neben dem ölreichen Nigeria wurden in den letzten Jahren Öl- und Gasfelder auch in Mali und Mauretanien entdeckt, vor der Küste der marokkanisch besetzten Westsahara werden ebenfalls große Rohstoffvorkommen vermutet. Insgesamt werden in Afrika neben dem Öl etwa 20 – 40% der weltweiten Uranvorkommen, mehr als 80% der Platin-, Chromit und Manganvorkommen, ca. 50% der Kobalt- sowie ca. 40% der Vanadiumquellen und etwa 18% der Titanvorkommen vermutet.[4]

Unterstützungsleistungen im Sudan

Auf dem afrikanischen Kontinent selbst kam die NATO 2005 erstmals zum Einsatz. Die NATO leistete Unterstützung beim Truppentransport und der Ausbildung in Zusammenarbeit mit der EU der Afrikanischen Union (AU). Die NATO-Verteidigungsminister hatten dies in Brüssel gebilligt. In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba wurde eine „Führungszelle“ für diesen Einsatz aufgebaut, die zwar offiziell unter Leitung der AU stand, aber mit Personal von NATO und EU besetzt wurde. Damit leistet auch die NATO Beihilfe zu einer Art „Balkanisierung“ des Sudans, indem sie die Bestrebungen der rohstoffreichen Provinzen um Unabhängigkeit von der kooperationsunwilligen Regierung in Khartum unterstützt. Im Jahr 2006 befanden sich bereits 7.000 afrikanische Soldaten mit logistischer und technischer Unterstützung der US-Army und der NATO in Darfur.[5] Die Gründe für das Engagement der NATO und der USA, die sicherlich zumindest in Teilen auch für die EU gelten, benannte Sara Flounders in einem Beitrag für die „Workers World“: „Für die imperialistische Politik der USA erfüllte diese Darfur-Kampagne mehrere Zwecke. Sie trieb die Dämonisierung der Araber und Muslime noch ein Stück weiter. Sie lenkte von der Menschenrechtskatastrophe ab, die durch den brutalen Krieg der USA und die Besatzung im Irak ausgelöst wurde, und durch die Hunderttausende Iraker getötet und verstümmelt wurden… Der Sudan ist flächenmäßig das größte Land Afrikas. Südlich Ägyptens am Roten Meer strategisch wichtig gelegen, grenzt es an acht weitere afrikanische Länder. Die entdeckten Bodenschätze haben den Sudan für US-Konzerne sehr interessant gemacht. Neben beachtlichen Ölvorkommen besitzt er eine der drei weltweit größten Lagerstätten reinen Uraniums und die viertgrößten Kupfervorkommen der Welt.“[6]

NATO-Marine umsegelt Afrika

Mittlerweile hat die NATO am Horn von Afrika auch den Kampf gegen Piraten aufgenommen: Die NATO hat mit dem Budapester Beschluss den Einsatz von sieben Kriegsschiffen vor der Küste Somalias zum Kampf gegen die Piraterie gebilligt, Kriegsschiffe eines bislang im Mittelmeer eingesetzten Flottenverbandes haben im Oktober 2008 erstmals einen Frachter und ein Schiff des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in den Hafen von Mogadischu eskortiert. Die Kriegsschiffe sind Teil der „Ständigen Maritimen Einsatzgruppe 2“ (SNMG2) der NATO, der auch die deutsche Fregatte „Karlsruhe“ und das Versorgungsschiff „Rhön“ angehören. Auch diese Schiffe wurden zusammen mit dem Verband ins Seegebiet am Horn von Afrika verlegt. Allerdings wurden sie hierfür formal kurzfristig aus der SNMG2 ausgegliedert: Offiziell besucht die deutsche Marine im Rahmen eines Kooperationsprogramms die befreundeten Seestreitkräfte von Bahrain und Katar am Persischen Golf.

Anfang November fand ein NATO-Seemanöver mit Kriegsschiffen aus den USA, der Türkei, Bahrain und Deutschland im Persischen Golf statt. Der Einsatz sollte als „Angebot“ an die Anrainerstaaten zur Kooperation mit der NATO verstanden werden. Die NATO-Flotte hat neben Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch in Kuwait angelegt. Damit befanden sich die beteiligten deutschen Marinesoldaten „in unmittelbare Nähe nicht nur zum Kriegsgebiet des Irak, sondern auch zum Iran“.[7]

Die Operation Active Endeavour (OAE) im Mittelmeer war hingegen die Antwort der NATO auf die Terrorismusbedrohung und basiert auf Artikel 5 des NATO-Vertrages zur kollektiven Verteidigung. Die Allianz hat in den laufenden Jahren den Betrieb des Mandats regelmäßig überprüft und gleichzeitig immer wieder den Aufgabenbereich erweitert. Von einem kleinen Einsatz mit einer relativ bescheidenen Präsenz wurde die OAE ständig ausgebaut und ist mittlerweile für die Überwachung des gesamten Mittelmeerraumes zuständig. Offiziell geht es um die Sicherung des Schifffahrtsverkehrs, die Überwachung des Drogenhandels und die Bekämpfung der Terrorismusgefahr. Der Einsatz trägt aber auch zur Eindämmung illegaler Migration vom afrikanischen Kontinent bei.

Anmerkungen

[1] Andreas Eckert: Afrika – Sammelrezension in: Internationale Politik, März 2008

[2] Jürgen Wagner: Das neue Objekt der Begierde: Afrikanische Ölkriege und die Rolle des Westens, IMI-Studie 2007/09

[3] Wagner 2007

[4] Fachschaft Geographie am Theodolinden-Gymnasium München: Bodenschätze und Rohstoffe – Afrika im allgemeinem Überblick, http://www.geolinde.musin.de/afrika/html/afrrohstoffe.htm

[5] Sara Flounders: Zurüstung für den Raubzug – Die Rolle der USA in der sudanesischen Provinz Darfur, in: junge welt vom 21.6.2006

[6] ebd.

[7] Daniel Neun: Deutsches Kriegsschiff an NATO-Manöver vor Iran beteiligt – OEF-Mandat? in: Linkezeitung.de vom 02.11.2008