IMI-Analyse 2008/034

Skrupellos: Bundeswehr-Marketing in Jugendmedien


von: Michael Schulze von Glaßer | Veröffentlicht am: 17. Oktober 2008

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Die globalen Militärinterventionen und der angestrebte Einsatz im Inland zwingen die Bundeswehr dazu, neuen Nachwuchs zu rekrutieren. Kein leichtes Unterfangen – ist die Popularität der Bundeswehr durch den gefährlichen Einsatz in Afghanistan doch auf einem Tiefststand. Umso aggressiver ringt die Armee nach neuen RekrutInnen – ohne Skrupel und Moral.

Beispiel: SPIESSER

Der SPIESSER ist eine kostenlose Jugendzeitschrift aus Dresden und wurde 1994 gegründet. Seit September 2007 erscheint der SPIESSER bundesweit an über 19.000 Schulen, Jugendeinrichtungen, Berufsinformationszentren und anderen Orten an denen sich Jugendliche aufhalten. Die Zeitschrift richtet sich an Jugendliche im Alter von 14 – 22 Jahren und hat eine Gesamtauflage von mittlerweile 1 Million Exemplaren[1]. Damit gehört der SPIESSER zu einem der Auflagenstärksten Medien für Jugendliche in Deutschland. Dies weiß anscheinend auch die Bundeswehr. So warb sie gleich in drei aufeinander folgenden Ausgaben der fünfmal-jährlich erscheinenden Jugendzeitschrift für sich. Hinzu kam eine kleinere Anzeige in einem SPIESSER-Spezial zur April-Ausgabe.

Erstmals erschien im SPIESSER vom Juni 2007 – damals noch mit einer Auflage von rund 300.000 Exemplaren – eine ganzseitige Anzeige der Bundeswehr[2]. Unter der bunten Überschrift „Gratis abonnieren & iPod gewinnen“ warb die Armee für ein kostenloses Abonnement der „infopost“ – das kostenlose Jugendmagazin der Bundeswehr. Die Anzeige umfasste daher auch einen Bestellcoupon zum ausfüllen und ausschneiden. Als Anreiz zum Abonnement dient die Teilnahme an einem Gewinnspiel um 20 Mp3-Player (iPod).

In der nächsten Ausgabe des SPIESSER – September 2007 – warb die Bundeswehr ebenfalls mit einer ganzseitigen Anzeige. Diesmal jedoch nicht für die „infopost“ sondern ohne Umwege für die „Karriere in der Bundeswehr“.[3] Neben mehreren Fregatten und Marine-Soldaten ist auch ein Marine-Hubschrauber zu sehen. Den Vordergrund bildet ein Bundeswehr-Matrose. „Eines vorweg: Unsere Auswahlkriterien sind genauso anspruchsvoll wie die späteren Einsätze. Wir suchen junge Frauen und Männer, die absolute Leistung bringen und Verantwortung übernehmen. Sie gehören dazu? Dann bewerben Sie sich jetzt“, heißt es in der Anzeige. Neben einer Website-Adresse ist auch die Nummer der „Karriere-Hotline“ angegeben.

Eine ähnliche Bundeswehr-Anzeige folgte in der SPIESSER-Ausgabe vom November 2007.[4] Text und Layout blieben erhalten, nur die Bilder zeigten diesmal nicht die Marine, sondern einen CH-53 Transporthubschrauber mit ISAF-Aufschrift[5] in einer kargen Landschaft – wohl Afghanistan – und ein Geländefahrzeug mit KFOR-Schriftzug.[6] Im Vordergrund diesmal eine Soldatin und ein Soldat des Heeres. Die Werbung zielt also explizit auf einen Einsatz der RekrutInnen im Ausland ab.

Für das kostenlose Abonnement der „infopost“ warb die Bundeswehr abermals im SPIESSER vom April 2008. Diesmal allerdings nicht direkt im Heft sondern im SPIESSER-Spezial – einer Beilage zum Thema Technik und Ausbildung.[7] Die bunte Anzeige ähnelt derjenigen in der Ausgabe vom Juni 2007. Es werden Ebenfalls mehrere Mp3-Player unter den AbonnentInnen verlost – ein Lockmittel. Die Bundeswehr-Werbeanzeige umfasst im Gegensatz zu den vorherigen aber nur eine halbe Seite – werden der Armee die Anzeigen zu teuer?

Immerhin ergibt ein Blick in die Anzeigenpreisliste des SPIESSER, dass die Bundeswehr für die vier Anzeigen bisher weit über 100.000 Euro bezahlt haben muss. Teure Bundeswehr-Werbung für junge Menschen in Massenmedien ist keine Seltenheit mehr.

Bundeswehr-Werbung in Jugendmedien

Auch in anderen Printmedien für junge Menschen wirbt die Armee. Hier sei beispielsweise das Informationsheft der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für das Wintersemester 2008/2009 genannt, in dem die Bundeswehr ganzseitig für ein „Studium mit Gehalt“ an einer Bundeswehr-Universität warb – gerade an AkademikerInnen fehlt es dem Militär. Auch im Studien- und Berufswahlbuch 2005/2006 der Bundesagentur für Arbeit warb die Armee auf zwei Seiten mit „7 gute[n] Gründe[n], Offizier zu werden“.

Ein Höhepunkt der Bundeswehr-Werbung ist mit Sicherheit die Kooperation mit der Wochenzeitung DIE ZEIT. Dort ist die Armee im Onlineangebot schon „Partner“ im Ressort „ZEIT Campus“, das sich an (angehende) StudentInnen richtet.[8] Dies drückt sich an einer „Partneranzeige“ und weiteren Bundeswehr-Anzeigen auf der Website aus. Auch die Rückseite der ZEIT-Beilage „Chancen“ vom 2. Oktober 2008 soll mit einer Bundeswehr-Anzeige gespickt gewesen sein.

Die Bundeswehr wirbt auch verstärkt im Radio – beispielsweise auf dem WDR Radiosender Einslive[9], dem Sender mit der jüngsten Hörerschaft in NRW). Auch im Radio Fritz, dem Jugendsender vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), soll die Bundeswehr schon seit einigen Jahren für sich werben. In einem Spot wird beispielsweise für eine Ausbildung zum Pilot/zur Pilotin mit nebenher laufendem Studium an einer Bundeswehr-Universität geworben.

Selbst im Kino buhlt die Bundeswehr in Werbespots um Sympathien und neue RekrutInnen.

Bundeswehr-Marketing ohne Skrupel

Das Marketing der Bundeswehr zur Gewinnung von SympathisantInnen und neuen RekrutInnen umfasst zwei Wege: Zum einen organisiert die Bundeswehr eigene (Werbe-) Veranstaltung wie „KarriereTreffs“[10], Bw-Olympix[11], Messestände[12] und Konzerte der Bundeswehr BigBand[13] und gibt ihre eigene Jugend-Werbezeitung „infopost“ heraus. Zum andern positioniert die Bundeswehr immer häufiger Werbung in zivile Massenmedien – insbesondere Jugendmedien.

Dabei schreckt Sie nicht davor zurück, auch offensiv um die Gunst Minderjähriger, die nicht im Wehrdienstfähigem Alter sind, zu buhlen. Mit Mp3-Player-Gewinnspielen verführt die Armee die jungen LeserInnen zu einem Abo der Bundeswehr Propaganda-Zeitschrift „infopost“. Lachende Soldaten und die auf viele Jugendliche anziehend wirkende (Militär-) Technik zeichnen ein vollkommen falsches Bild vom Dienst an der Waffe, insbesondere vom Einsatz im Ausland. Oftmals wird ein kostenloses Studium an einer Bundeswehr Hochschule als Anreiz für die jungen Menschen beworben – und zugleich die Realität verschwiegen. Kein Wort von lebensgefährlichen Auslandseinsätzen und dem Einsatz von Waffen gegen andere Menschen.

Natürlich muss die Bundeswehr der Großteil der Kritik treffen. Doch auch die BetreiberInnen von Jugendmedien stehen in der Verantwortung, die jungen Menschen vor dem Militär zu schützen. Profitinteressen dürfen der Moral und Verantwortung gegenüber den jungen Menschen nicht weichen. Dies hat insbesondere der SPIESSER verkant und mit der Veröffentlichung der zahlreichen Bundeswehr-Anzeigen sein eigenes Redaktionsstatut hintergangen:

§1 – […] Die Redaktion lehnt Gewalt als Mittel zum Erreichen sozialer, politischer oder gesellschaftlicher Ziele ab.

§3 Werbe- und Kooperationspartner müssen zum inhaltlichen Anspruch und den Redaktionsprinzipien (§1) von SPIESSER passen. Werbung für Produkte und Dienstleistungen, die sich ausschließlich an volljährige Leser richtet (Beispiel: Alkohol- und Zigarettenwerbung) werden im SPIESSER nicht veröffentlicht.[14]

Auch die KinobetreiberInnen und Radiostationen stehen in der Pflicht, nicht für die Armee zu rekrutieren. Das WDR (Einslive) versuchte sich auf Anfrage aus der Affäre zu ziehen und verwies auf die verantwortliche Düsseldorfer Werbeagentur Zenithmedia GmbH – dass die Medien unmoralisch handeln scheint ihnen bewusst zu sein. Die SPIESSER-Redaktion hat auf bereits im Juli 2008 gestellte Fragen bezüglich der Armee-Werbung trotz mehrmaligen Nachhakens bis heute nicht geantwortet.

Ob durch das kostspielige Bundeswehr-Marketing neue RekrutInnen für die Armee gewonnen werden bleibt indes nur Spekulation, die Armee hält sich bezüglich ihrer Marketing-Strategie und deren Erfolge sehr bedeckt. Allein der Effekt auf alle erreichten Jugendlichen – dass die Bundeswehr überhaupt ins Bewusstsein der jungen Menschen gerufen wird – ist jedoch nicht zu unterschätzen. Immerhin fehlt es der Armee heute oft an Popularität. Da lohnt es sich, früh ein positives Bild der Armee in den Köpfen junger Menschen zu verankern – die Moral gegenüber den jungen Menschen bleibt auf der Strecke.

Anmerkungen

[1] www.media.spiesser.de
[2] SPIESSER #114 – Juni 2007, S.37.
[3] SPIESSER #115 – September 2007, S.27.
[4] SPIESSER #116 – November 2007, S.27.
[5] ISAF (International Security Assistance Force) ist die Bezeichnung der Militärmission in Afghanistan unter NATO-Führung und deutscher Beteiligung.
[6] KFOR (Kosovo Force) ist Bezeichnung der Militärmission im Kosovo unter NATO-Führung und deutscher Beteiligung.
[7] SPIESSER #118 – April 2008, Spezial „Technik zum Anbeißen“, S.9.
[8] www.zeit.de/campus/index, zuletzt aufgerufen am 14. Oktober 2008
[9] Einslive (1Live), beispielsweise am 16. September 2008 im Werbeblock um 16.56Uhr
[10] Seit Jahren tourt die Bundeswehr mit ihrem „KarriereTreff“ durch die Bundesrepublik; der „KarriereTreff“ besteht aus einem begehbaren Sattelschlepper, einer Kletterwand, einem mobilen Kino, einer Funsport-Einrichtung und einer Bühne; optional werden verschiedene Bundeswehr-Gerätschaften (z.B. Feldjäger-Motorräder oder Panzer) zu den Veranstaltungen an Schulen, bei Sportfesten oder in Fußgängerzonen hinzugezogen.
[11] Die Bw-Olympix (Bundeswehr-Olympiade) sind eine alle zwei Jahre stattfindende kostenlose Sportveranstaltung für rund 1000 Jugendliche in der Bundeswehr Sportschule im westfälischen Warendorf; neben den Sportstätten auf denen die Wettkämpfe ausgetragen werden, finden dort auch Wehrdienstberatungen statt; Panzer, Hubschrauber und andere militärischen Gerätschaften stehen zum Beschauen auf dem Gelände.
[12] Die Armee besitzt gleich mehrere Messestände und ist damit auf zahlreichen Jobmessen vertreten; auch hier wird optional militärisches Gerät mitgeführt.
[13] Die Konzerte der Bundeswehr BigBand werden meist von einem Infomobil begleitet, in dem Wehrdienstberatungen stattfinden; Hauptzweck der Bundeswehr-BigBand ist jedoch die Gewinnung von Sympathie in der Bevölkerung, Konzerte werden meist pompös aufgezogen und finden weniger bei Jugendlichen als viel mehr bei älteren Menschen Anklang
[14] http://www.spiesser.de/default.aspx?ID=4401, zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2008