IMI-Standpunkt 2008/010 - in: AUSDRUCK (Februar 2008)

Perspektiven des Widerstands – der Kampf gegen Militärstandorte in Deutschland


von: Hannelore Tölke | Veröffentlicht am: 14. Februar 2008

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Am 17. Februar 2007 protestierten im italienischen Vicenza mehr als 200.000 Menschen gegen den Bau eines neuen US-Militärstützpunkts am Dal Molin Flughafen. Im Aufruf zur Demonstration hieß es „Wir demonstrieren aus kulturellen, sozialen und aus Umweltgründen gegen den Ausbau der Militärbasis aber auch, weil wir gegen den Krieg sind. Wir demonstrieren für das aktive Beteiligungsrecht der Bürgerinnen und Bürger und der Gemeinden an den Entscheidungen.“ Hierzulande gehen mittlerweile weit weniger Menschen gegen Militärstandorte auf die Straße, dennoch gibt es auch bei uns Widerstand an Militärstandorten. Dieser Widerstand ist hartnäckig, mutig und fantasievoll.

Jericho in der Eifel

Am 2. September 2007 trafen sich Friedensaktivistinnen und Friedensaktivisten aus der Region und aus ganz Deutschland zur Umrundung des Nato-Flugplatzes Büchel. Organisiert wurde die Aktion vom Initiativkreis gegen Atomwaffen in Cochem. Es war bereits das 6. Mal, dass Friedensaktivisten den Nato -Flugplatz Büchel umrundeten. Bereits seit 2002 findet – am dem Sonntag, der dem Antikriegstag am nächsten liegt – eine Umrundung als zivile Inspektion statt. Auf dem Nato-Flugplatz in Büchel, 60 km westlich von Koblenz, ist das Jagdbombergeschwader 33 der Bundesluftwaffe stationiert.

Doch der Nato-Flugplatz Büchel ist kein „normaler“ Militärflugplatz. Hier lagern, von 80 amerikanischen Soldaten bewacht, 20 US-amerikanische Atombomben. Jede dieser Bomben vom Typ B-61 verfügt über die etwa 15fache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.

Auf ihrer Friedenswanderung waren die Friedensaktivisten niemals allein. Bewacht wurden sie von mehr als 300 Bundeswehrsoldaten, die mit ihren Maschinenpistolen über die Köpfe der Demonstrierenden hinwegzielten. 2006 aber hatte sich etwas geändert. Mehr Menschen aus der Region waren gekommen und auch die Bewachung des Nato-Flugplatzes während der Umrundung hatte sich geändert, weniger Bewacher als in den vergangenen Jahren waren eingesetzt.

Bereits seit Langem ist für 2008 die 7. Umrundung geplant. Vor der 7. Umrundung Ende August 2008 jedoch soll die Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert werden, bis zum Hiroshimatag 2008 zweifelsfrei zu erklären, dass Deutschland die nukleare Teilhabe beendet und von den USA verlangt, alle Atomwaffen bis spätestens 2010 aus Deutschland abzuziehen. 2010 findet die nächste Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages statt und auf dieser Konferenz soll Deutschland erklären können: „Wir sind atomwaffenfrei.“

Zur 7. Umrundung, die am Sonntag, den 31. August 2008 stattfinden wird, erwartet der Initiativkreis gegen Atomwaffen in Cochem 100 Teilnehmer für jede der 20 Atombomben, die auf dem Nato-Flugplatz in Büchel lagern. Im Anschluss an die 7. Umrundung wollen die Organisatoren erklären, dass es von diesem Zeitpunkt an mit Hilfe gewaltfreier Aktionen keinen ungestörten Betrieb des Atomwaffenlagers mehr geben wird. Schon in der Woche vorher, vom 25. bis 30. August 2008, wird an jedem Tag, also 6-mal, eine Gruppe den NATO-Flugplatz Büchel umrunden.

Gewaltfrei – so die Erzählung im Alten Testament – gelang es den Israeliten eine Großmacht aus dem Weg zu räumen, das damalige Jericho, indem die Mauern von Jericho sieben Mal, begleitet von Trompetentönen, umkreist wurden, bis sie schließlich fielen. Aber anders als in der Bibel, in der nach dem Fall der Mauer fast alle Bewohner getötet wurden, setzt sich der Initiativkreis gegen Atomwaffen dafür ein, dass die ganze Menschheit von dem Schrecken der Atomwaffen befreit wird: Soldaten und Zivilisten.

Von der Heide bis zum Strand

Die Kampagne „Von der Heide bis zum Strand“, die während des G8-Gipfel im Juni 2007 stattfand, sollte das Bombodrom in der Kyritzer Heide mit dem Militärflughafen in Rostock-Laage und der dortigen Ankunft von Gipfelteilnehmern miteinander verknüpft werden, um dadurch die zentrale Rolle Deutschlands bei der Militarisierung und den Kriegen, die von den G8-Staaten betrieben werden, sichtbar zu machen.

Die Aktionstage am 1.6. in der Kyritzer Heide und am 5. Juni 2007, dem Ankunftstag von G.W. Busch am Flughafen Rostock-Laage wurde von einem breiten Bündnis aus lokalen Friedensinitiativen, Antimilitaristinnen und Antimilitaristen sowie von überregionalen Friedensorganisationen vorbereitet.

Auf zum Bombodrom im Heidesand…

80km nördlich von Berlin, zwischen den Städten Wittstock und Neuruppin, liegt ein 142 Quadratkilometer großes Gelände, das die Sowjetarmee 40 Jahre lang als Bombodrom benutzt hat.

Seit 1992 versucht die Bundeswehr, dieses Gelände weiter zu nutzen und dort einen Luft-Boden-Schießplatz für EU- und NATO-Truppen einzurichten. Auf diesem Truppenübungsplatz sollen multinationale Truppen das Zusammenwirken von Luftwaffe und Bodentruppen üben. Seit nunmehr 15 Jahren streitet in breites Friedensbündnis unter dem Motto „Nicht hier und nirgendwo“ für die friedliche Nutzung der Heide auf. Die Bürgerinitiative FREIe HEIDe hat mittlerweile über 100 Protestwanderungen durchgeführt und rund um das Militärgelände Mahnsäulen errichtet. Bisher haben Klagen der Anwohner die militärische Nutzung verhindert.

Am 1. Juni wurde das Gelände des Bombodroms unter dem Motto „Jedes Ziel ist ein Zuhause“ in einer Aktion zivilen Ungehorsams wiederbesiedelt. Ziel war es, ein deutliches Zeichen der Ablehnung von Kriegsübungen und Militäreinsätzen zu setzen.

… und dann weiter zum Flughafen Rostock-Laage!

Am 5. Juni dann begannen mit einem antimilitaristischen Aktionstag die Kundgebungen und Blockaden am Flughafen Rostock-Laage.

Der Flughafen Rostock-Laage wurde 1979 als Fliegerhorst der NVA gegründet und 1990 von der Bundeswehr übernommen. Seit 1993 ist dort das Jagdgeschwader 73 stationiert. Durch einen Mitnutzungsvertrag wird der Flughafen seit 1992 auch zivil genutzt und entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Flughafen in der Region für Billigflieger und für Luftfracht. Heute sind dort Eurofighter stationiert, die nach dem Willen der Bundeswehr schon in wenigen Monaten zu Übungsflügen zum Bombodrom starten sollen.

3 von 4 Kundgebungen wurden schon Wochen vorher von der Polizei verboten und die Friedensaktivisten mussten sich ihr Recht, am Flughafen Rostock-Laage zu protestieren, erst noch gerichtlich erstreiten. Die Aktionen sollten ein deutliches „Nein“ zu einem Gipfel, auf dem die G8 über das Schicksal der Welt entscheiden, und zu Militarisierung und Krieg sein.

Die Militarisierung des Flughafens Leipzig/Halle muss sofort aufhören!

Seit März 2006 sind auf dem Flughafen Leipzig/Halle zwei Transportflugzeugen vom Typ Antonow 124-100 stationiert. Im Auftrag der Bundeswehr transportieren die Antonows Hubschrauber, Fahrzeuge, Verpflegung und Trinkwasser. Angeflogen werden Afghanistan, Pakistan, Tadschikistan, Gabun, Demokratische Republik Kongo, Kap Verde, Djibuti und Zypern. Allein für die EU-Militärmission EUFOR DRCongo gab es 27 Flüge zwischen Deutschland und der Demokratischen Republik Congo und Gabun. Die Antonows 124-100 stehen aber nicht nur für die Bundeswehr bereit, sondern sie stehen auch der Nato und der EU zur Deckung ihres strategischen Lufttransportbedarfs zur Verfügung. Die USA nutzen den Flughafen Leipzig/Halle, um Angehörige ihrer Streitkräfte in den Heimaturlaub oder aus dem Heimaturlaub zurück an ihre Stationierungsorte im Irak zu fliegen.

Die Nutzung des Flughafen Leipzig/Halle zur Be- und Entladung militärischen Gerätes und Personals ist eine Verletzung des 2+4 Abkommens von 1990, das die Stationierung militärischer Einheiten und die Nutzung von militärischen Standorten in den neuen Bundesländern regelt. Die Bundesregierung findet nichts dabei, wohl aber die Aktionsgemeinschaft „Flughafen – natofrei!“, die in der Region Halle / Leipzig aktiv ist. Sie ist ein offenes Netzwerk aus Personen, Betroffenen, Organisationen und Vereinen, das sich für die friedliche Verwendung des Flughafen Leipzig/Halle einsetzt. Es wendet sich gegen eine militärische Nutzung und die Stationierung von Großraumtransportern für weltweite NATO-Einsätze. Die Aktionsgemeinschaft kritisiert, dass die militärische Nutzung gegen den Artikel 26 des Grundgesetzes und den „2+4 Vertrag“ verstößt. Durch die hohe Lärm- und Umweltbelastung, die durch die Antonows entsteht, wird die Lebensqualität im Flughafenumfeld schwer beeinträchtigt. Mit Aktionen und Aufklärungsarbeit macht die Aktionsgemeinschaft „Flughafen – natofrei!“ auf die militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle aufmerksam. Sie will die Menschen der Region anregen, sich an den Aktionen zu beteiligen. Und so war die Aktionsgemeinschaft auch am Ostersonntag mit vielen anderen Friedensfreundinnen und Friedensfreunden unterwegs und forderte „Die Militarisierung des Flughafens Leipzig/Halle muss sofort aufhören!“

Diese Friedensaktivitäten stehen für viele andere. Der Widerstand gegen Militäreinrichtungen verbindet sich oft mit dem Kampf gegen die Zerstörung der Umwelt und für Partizipationsrechte der Bürger. Vielfach tragen örtliche Friedensgruppen, Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde gemeinsam mit Friedensorganisationen diesen Widerstand.

Die Beispiele zeigen auch, dass Militäreinrichtungen inzwischen multinational genutzt werden und Teil einer multinationalen militärischen Vernetzung sind. Grund genug, dass sich auch Friedensaktivisten an Militärstandorten, Wissenschaftler und Friedensorganisationen in Netzwerken zusammenschließen, um Informationen und Erfahrungen auszutauschen, von einander zu lernen und über Schritte zu einer friedlichen Welt beraten.