IMI-Standpunkt 2007/071
EU und NATO – Brüder im Geiste
Kolumne in: Schwäbisches Tagblatt, 30.11.2007
von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 30. November 2007
Normalerweise verbinden wir mit den Begriffen „Europäische Union“ (EU) und dem Begriff „NATO“ zwei doch sehr unterschiedliche Institutionen. Die Wahrnehmung ist, dass die EU eine politische Union von Staaten ist, die NATO dagegen ein militärischer Zusammenschluss.
Offensichtlich hat sich das inzwischen völlig verschoben. Am 21. und 22. November war mal wieder eine diese „wunderbaren“ Anhörungen im Europäischen Parlament (EP). Gemeinsam mit Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung der NATO diskutierte der Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des EP die Beziehungen zwischen EU und NATO anhand der beiderseitigen Militärstrukturen und der konkreten Beispiele Kosovo und Afghanistan. Die Ergebnisse waren deutlich: EU und NATO hätten auf der Welt gleiche (!) Interessen und im ganz praktischen polizeilich-militärischen Bereich bei den Einsätzen funktioniere die Zusammenarbeit hervorragend.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Verständnis des Verhältnisses von EU und NATO in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt gebracht: „NATO und EU haben einen legitimen Platz in der Sicherheitsarchitektur von heute. Sie sind keine Konkurrenten, sondern ergänzen sich. Nur gemeinsam, im Verbund von Nato und EU, können Europa und Nordamerika ihre Vorstellung von Sicherheit glaubwürdig in die Welt projizieren.“
Die EU hat einen offiziell „zivilen“ Einsatz in Afghanistan: EUPOL. Im Rahmen dieses Einsatzes werden EU-Polizisten in ganz (!) Afghanistan eingesetzt und es werden afghanische Polizisten ausgebildet.
Der Vertreter der derzeitigen portugiesischen Ratspräsidentschaft bestätigte mir, dass es fünf ausgearbeitete „technische Vereinbarungen“ zwischen EUPOL Afghanistan und ISAF gibt. ISAF übernimmt z.B. die Logistik und den Transport von EUPOL. Auch die Zusammenarbeit mit den USA – und damit der Terror-Krieg Mission „Operation Eduring Freedom“ (OEF) – seien sehr gut in Afghanistan.
Im Bericht zur „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ des ehemaligen deutschen Vorsitzes des EU-Rates vom 18. Juni 2007 heißt es zur EU-NATO-Zusammenarbeit in Afghanistan: „Das Generalsekretariat des Rates arbeitet auch eng mit dem internationalen Personal der NATO und mit den USA zusammen: mit der NATO hinsichtlich der Bereitstellung technischer Unterstützung im Einsatzgebiet durch die ISAF und mit den USA, weil diese ein entscheidender Partner bei der Koordinierung der Vorgehensweise bei den Reformbemühungen sein werden.“
Die USA sind mit ihren Truppen im Rahmen des so genannten Kriegs gegen Terror, der Operation Enduring Freedom (OEF) in Afghanistan. EUPOL Afghanistan arbeitet somit auch mit kriegführenden Militäreinheiten eng zusammen.
Zur Erinnerung: ISAF führt im Westen und Süden Afghanistans einen Krieg, einen Angriffskrieg. Unter dem Kommando des Bundeswehr-Generals Warnecke startete die NATO die Operation „Yolo 2“, an der insgesamt rund 700 afghanische und etwa ebenso viele NATO- Soldaten beteiligt waren. Es seien mehr als zwanzig afghanische Kämpfer getötet und 34 festgenommen worden, so die FAZ vom 10.11.2007. Soviel zum Mythos des angeblichen „Friedenseinsatzes“ der deutschen Bundeswehr in Afghanistan.
Wenn sich EU und NATO in Brüssel auf Militärebene treffen, sitzen (mit wenigen Ausnahmen) Personen am Tisch, die sowohl EU als auch NATO vertreten. Die Militärvertreter treffen sich quasi mit sich selbst.
Die EU- und NATO-Vertreter verstehen sich als Vertreter der „internationalen Staatengemeinschaft“. Real sind sie Vertreter westlicher Interessen. Schade eigentlich. Ich setze mich für eine zivile EU ein, und dagegen, dass EU und NATO Brüder im Geiste und auf dem Kriegsfeld sind.