IMI-Mitteilung
Presseberichte zur Aberkennung IMI-Gemeinnützigkeit
von: IMI | Veröffentlicht am: 16. Juli 2007
— Finanzamt bekämpft Militärkritiker, taz, 22.08.2007
— Gemein aber nützlich, Neues Deutschland, 20.07.2007
— Kabul und Tübingen – zwei Seiten einer Medaille, politblog.net, 20.07.2007
— IMI Tübingen mit Gemeinnützigskeitsentzug wegen „Verfassungswidrgkeit“ und „Tagespolitik“ bedroht, Interview in Radio Dreyeckland, 18.07.2007
— »Finanzamt wird damit vor Gericht nicht durchkommen«, Interiew in Junge welt, 17.07.2007
–IMI droht Entzug der Gemeinnützigkeit, SWR-Studio Tübingen Regionalnachrichten, 16.07.2007
— Politik nicht gestattet: Finanzamt will IMI Gemeinnützigkeit streichen, Schwäbisches Tagblatt, 16.07.2007
— Mit dem Finanzamt gegen Friedensbewegung?, telepolis, 16.07.2007
— „Repression mit Tradition“, Linkezeitung.de, 17.07.2007
— Finanzamt Tübingen, junge Welt, 16.07.2007
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Finanzamt bekämpft Militärkritiker
Tübinger Behörde will Friedensaktivisten rückwirkend die Gemeinnützigkeit entziehen. Hohe Nachzahlung droht.
Sebastion Heiser, taz 22.8.07
Engagement gegen die Einsätze der Bundeswehr im Ausland soll nach dem Willen des Finanzamtes Tübingen richtig teuer werden. Die Friedensinitiative „Informationsstelle Militarisierung“ soll rückwirkend ab 2001 die Gemeinnützigkeit verlieren.
Seit 1996 hat die Initiative diesen Status, der dazu führt, dass Spenden an den Verein von der Steuer abgesetzt werden können. Mit Hilfe der Spenden haben die Aktivisten etwa Seminare organisiert und Broschüren herausgegeben, in denen sie friedliche Alternativen zur Konfliktlösung propagierten und die „schleichende Militarisierung der Gesellschaft“ kritisierten.
Das Finanzamt führte zunächst an, das es Zweifel hat, ob der Verein auf dem Boden der Verfassung steht. Konkrete Anhaltspunkte dafür nannte das Finanzamt nicht. Es sieht sich auch nicht an die Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz gebunden, das den Verein in keinem seiner Berichte genannt hat und nach Angaben eines Sprechers auch keine Informationen über den Verein an andere Behörden weitergegeben hat.
„Die Finanzämter prüfen eben eigenständig, ob ein Verein verfassungswidrig ist,“ sagt Lothar Knaus, Sprecher von Landesfinanzminister Gerhard Stratthaus (CDU). „Nur weil ein Verein nicht im Verfassungsschutzbericht steht, hören wir noch lange nicht das Prüfen auf.“
Inzwischen hat das Amt unvermittelt die Begründung gewechselt. Wie der zuständige Sachbearbeiter dem Verein schrieb, habe er die Webseite das Vereins besucht und dabei den Eindruck gewonnen, „dass die Tätigkeit der IMI sich fast ausschließlich in politischen Aktivitäten erschöpft.“ Das sei nicht von den Gemeinnützigkeitsregeln der Abgabenordnung gedeckt.
Die Abgabenordnung führt eine Reihe von gemeinnützigen Zielen auf. Dazu gehört zum Beispiel die Förderung „der Kleingärtnerei, des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports.“
Politische Meinungsbildung dagegen zähle jedoch nicht dazu, schreibt das inanzamt: „Gemeinnützigkeits schädlich ist bereits die politische Tätigkeit als solche.“
Die Vorstandsmitglieder, die die Gelder für nicht gemeinnützige Zwecke ausgegeben hätten, müßten „für die dadurch entgangene Steuer, die mit 40 Prozent angesetzt wird, haften“. Das wären mehrere zehntausend Euro.
Der Mitbegründer der Initiative, Tobias Pflüger, der heute für die Linke im Europaparlament sitzt, vermutet eine politische Absicht: „Wir haben uns kritisch zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr in Afghanistan und Kosovo geäußert und sind dabei wohl zu unbequem geworden.“
Pflüger war bis Mitte der Neunzigerjahre noch Mitglied bei den Grünen, was er heute als „Jugendsünde“ bezeichnet. Mit dem Tübinger Bundestagsabgeordneten der Grünen, Winfried Hermann, hat er sich während des Kosovokrieges auf Podiumsdiskussionen gestritten. Doch jetzt bekommt Pflüger Unterstützung von Hermann. Er finde es „unangemessen, dass Finanzbeamte für die Entscheidung zuständig sein sollen, welche antimilitaristische Arbeit noch gemeinnützig ist und welche nicht,“ sagte Hermann der taz.
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Gemein, aber nützlich
in: Neues Deutschland, 20.07.2007
Informationsstelle Militarisierung droht Verlust der Gemeinnützigkeit und Steuernachzahlung
Von Jens Wernicke
Die 1996 als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung gegründete gemeinnützige »Informationsstelle Militarisierung« (IMI) sieht sich staatlichen Repressionen ausgesetzt.
Das Finanzamt Tübingen will der Informationsstelle Militarisierung rückwirkend ab 2001 die Gemeinnützigkeit aberkennen. Begründung: Eine »nicht näher spezifizierte Behörde« habe Zweifel an der Verfassungstreue des Vereins erhoben, teilte das Finanzamt bereits im Februar 2006 telefonisch mit. Für seit 2001 entgangene Steuern soll der Verein mit 40 Prozent aller Spendeneinnahmen haftbar gemacht werden, was den sicheren Konkurs bedeuten würde. Die IMI kündigte an, sich gerichtlich zu wehren und hat überdies die Kampagne »IMI – gemein aber nützlich« initiiert. Für morgen plant die Gruppe eine erste Demo: Mit zugeklebten Mündern und einem Leiterwagen voller IMI-Publikationen wolle man durch Tübingen ziehen und das »Wahrheitsministerium« suchen, so die Initiative.
Die IMI bezeichnete den Vorgang als »politischen Skandal und gezielte staatliche Repression gegen Kritiker«. »Es ist bezeichnend, dass im Kontext verfassungswidriger In- und Auslands einsätze der Bundeswehr deren Kritiker zu Staatsfeinden erklärt werden – von Organisationen, die dem Namen nach dem Schutz der Verfassung dienen«, sagte Jürgen Wagner vom IMI-Vorstand.
Das Finanzamt Tübingen argumentiert, gemeinnützige Organisationen, die sich beispielsweise für den Frieden und die Völkerverständigung einsetzen, dürften sich nicht regelmäßig öffentlich äußern, da dies als Tagespolitik zu werten sei. Zugrunde liegt eine Interpretation des sogenannten Anwendungserlasses – eine Ermessensfrage. Danach geraten gemeinnützige Nichtregierungsorganisationen bei zu häufiger Artikulation ihrer Meinung in Gefahr, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Würde man diese Interpretation konsequent anwenden, müsste man auch dem BUND oder Greenpeace die Gemeinnützigkeit aberkennen, so Wagner. Bezeichnend sei überdies, dass die »nicht genannte Behörde«, die der IMI gegenüber dem Finanzamt »Verfassungsfeindlichkeit« unterstellt hat, diesen Vorwurf nicht spezifiziert oder belegt habe. Die IMI vermutet, dass es sich um den Verfassungsschutz handelt.
Keinesfalls sei die Arbeit der IMI allein von allgemeinen politischen Themen dominiert, sagte Wagner. Tatsächlich hätten alle veröffentlichten Texte Bezug zu den Satzungszwecken Frieden und Völkerverständigung. Da diese Ziele jedoch durch tagespolitische Entscheidungen in Gefahr seien, nehme man auch aktuell Stellung. Die von der IMI in diesem Rahmen veröffentlichten Studien beruhen auf der längerfristigen Beobachtung des internationalen Kriegs- und Konfliktgeschehens, von Rüstungsprojekten und Konfliktstrategien in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Diese Studien sind ein Schwerpunkt der IMI-Arbeit. Darüber hinaus ist die IMI Mitherausgeber der Zeitschrift »Wissenschaft und Frieden«, betreut wissenschaftliche Arbeiten zu den Themen Frieden und Konflikte und stellt der Öffentlichkeit eine Bibliothek zur Verfügung.
»Um uns in dieser Situation zu unterstützen, eignen sich unter anderem Leserbriefe an das lokale Schwäbische Tageblatt. Besonders freuen wir uns natürlich über Solidaritätsbekundungen aller Art, die wir in Kürze auch veröffentlichen möchten. Weitere Möglichkeiten finden sich auf einer Sonderseite, die über unsere Homepage erreichbar ist. Generell kann man Bekannten von uns erzählen, uns mit einer Spende unterstützen oder am besten Mitglied in der Informationsstelle Militarisierung werden und so den Fortbestand unserer Arbeit sichern helfen«, so Jürgen Wagner abschließend.
Informationsstelle Militarisierung, Hechingerstr. 203, 72072 Tübingen, Tel.: 07 071/49 154, Fax: 07 071/49 159, imi@imi-online.de, www.imi-online.de.
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Kabul und Tübingen – zwei Seiten einer Medaille, politblog.net, 20.07.2007, http://politblog.net/krieg-terrorismus/bundesregierung-auf-kriegskurs.htm
Am 13. Mai 2007 schrieb ein deutscher Offizier einen eindringlich warnenden Brief an Außenminister Frank-Walter Steinmeier:
Es gibt keine Entschuldigung für das durch unsere westlichen Militärs erzeugte Leid unter den unbeteiligten und unschuldigen Menschen.
(…)
Ich gerate zunehmend in Widerspruch zu dem, wie die eigenen westlichen Truppen in Afghanistan agieren. (…) Es ist unerträglich, dass unsere Koalitionstruppen und ISAF inzwischen bewusst Teile der Zivilbevölkerung und damit erhoffte Keime der Zivilgesellschaft bekämpfen.
(…)
Westliche Jagdbomber und Kampfhubschrauber verbreiten Angst und Schrecken unter den Menschen (…) Wir sind dabei, durch diese unverhältnismäßige militärische Gewalt das Vertrauen der Afghanen zu verlieren.
(…)
Ich stelle dabei zunehmend fest, dass die militärische Lage unzulässig geschönt dargestellt wird. Auch deutsche Generäle beschönigen oder verschweigen eigene Probleme.
(…)
Das Militär droht sich zu verselbstständigen und von den politischen und völkerrechtlichen Vorgaben zu lösen. (…) Sorgen Sie bitte mit Ihren politischen Verbindungen dafür, die Militärs in die Schranken zu weisen!”
Sechs Tage nach dem Verfassen dieses Briefes fanden die gezielten Anschläge auf deutsche Soldaten in Afghanistan statt, bei denen drei Bundeswehrsoldaten starben. Zwölf Tage später, am 31.05.2007, berichtete das ARD-Magazin MONITOR über die tatsächliche Lage in Afghanistan und zitierte dabei den Brief aus Kabul.
Währenddessen rätselte die deutsche Öffentlichkeit noch darüber, warum nun auch Bundeswehrsoldaten zur Zielscheibe des afghanischen Widerstands wurden. Ihr Bild in den Medien war stets das von „Entwicklungshelfern in Uniform”. Sie gingen der afghanischen Bevölkerung praktisch zur Hand, sorgten für die Einrichtung sozialer Infrastruktur, bauten Kindergärten oder reparierten Krankenhäuser. Und schnell waren die Leitmedien zur Stelle, als es um die Frage der Hintermänner des Anschlags ging, die Taliban pauschal als gefährliche Steinzeit-Islamisten darzustellen.
Der SPD-Außenminister wusste Bescheid. Und Verteidigungsminister Jung sicher auch. Sie hätten die deutsche Öffentlichkeit darüber aufklären können, womit sich auch die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan unbeliebt gemacht hatten. Stattdessen haben beide Ministerien bis heute nicht auf die dringende Warnung des militärpolitischen Beraters in Kabul reagiert.
Dabei handelte es sich bei dem Verfasser des „internen” Briefes um keinen geringeren als einen erfahrenen Generalstabsoffizier, der seit 2006 als “militärpolitischer Berater der Bundesregierung in Kabul” arbeitet. Davor war er Leiter für Aufklärung und Sicherheit der „Kabul Multinational Brigade” der ISAF (International Security Assistance Force).
Das beharrliche Schweigen der Herren Steinmeier und Jung ist verständlich. In seinem Brief fährt der Generalstabsoffizier nämlich fort, dass „die ständigen Forderungen nach Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen Engagements, das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl ziviler Opfer eine eigene Sprache” sprächen, mit der „die Ungeeignetheit und Ausweglosigkeit militärischer Gewalt als Lösung der inneren und äußeren Probleme Afghanistans” zum Ausdruck käme.
Wenn die deutsche Regierung tatsächlich daran interessiert wäre, die Bundeswehr nur zu friedlichen Zwecken im Ausland einzusetzen, hätte dieser Brief zum sofortigen Kurswechsel in der Afghanistan-Politik führen müssen.
Der Bundestag hatte ganz eindeutig einen ausschließlich „friedlichen” Einsatz deutscher Truppen genehmigt. Doch der Bericht aus Kabul passt nicht in die militärischen Ambitionen der deutschen Regierung, die schon längst ganz andere als friedliche Ziele verfolgt. Man lässt bewusst die dringende Warnung vor einer Verselbständigung des deutschen Militärs verhallen und verschweigt die Loslösung von den politischen Vorgaben des Bundestagsmandats. Das Verteidigungsministerium verdient seinen Namen nicht mehr. Es sollte längst wieder “Kriegsministerium” heißen.
Ein Brief aus Tübingen
Während stillschweigend in Kauf genommen wird, dass Deutschland Kriegspartei in einem verbrecherischen Angriffskrieg geworden ist, geht man an der “Heimatfront” dazu über, Friedensaktivisten und Militarisierungsgegner mit allen Mitteln mundtot zu machen.
Seit 1996 gibt es in Tübingen den Verein “Informationsstelle Militarisierung“. Seine Ziele sind klar gegen jede Form von Krieg gerichtet:
Der Tübinger Verein Informationsstelle Militarisierung versteht sich als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung und verfolgt seit der Gründung 1996 entsprechend seiner Satzung das Ziel, Informationen, die dem Frieden und der Völkerverständigung dienen, zu veröffentlichen und zu verbreiten. Hierbei nimmt er eine kritische Haltung zur deutschen Beteiligung an Angriffskriegen, zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und zum Abbau der Bürger- und Menschenrechte ein.
Von Beginn an wurde dem Verein seitens des Finanzamts ohne jeden Einwand der steuerliche Status eines gemeinnützigen Vereins zugestanden. Auf Grund der Satzung des Vereins betrachtete das Finanzamt ihn als “förderungswürdig im Sinne der Völkerverständigung” . Damit brauchte er auf seine Einnahmen keine Steuern zahlen, soweit diese Einnahmen tatsächlich für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wurden. Für Spenden und
Mitgliedsbeiträge durfte der Verein steuerlich absetzbare “Zuwendungsbescheinigungen” ausstellen, gemeinhin Spendenquittungen genannt.
Bis 2004 war der bekannte und angesehene parteilose Kriegsgegner Tobias Pflüger – heute für die Linke als parteiloser Abgeordneter im Europaparlament – geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins. Als er das politische Mandat übernahm, gab er seinen Posten innerhalb des Vereins an Jürgen Wagner ab.
Im Februar 2006 teilte das Finanzamt Tübingen dem Verein “Informationsstelle Militarisierung” unerwartet mit, dass ihm der Freistellungsbescheid für die weitere steuerliche Einstufung als gemeinnützig tätiger Verein ab sofort verweigert würde. Der Brief war an Tobias Pflüger als Geschäftsführer gerichtet, was zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren nicht mehr zutraf und dem Finanzamt auch mitgeteilt worden war. Als Begründung wurde angegeben, eine gewisse Behörde habe Zweifel an der “Verfassungstreue” (!) des Vereins angemeldet.
Weder die zweifelnde Behörde noch deren konkrete Vorwürfe gegen den Verein wurden näher spezifiziert. Auf die zahlreichen Aufforderungen des Vereins, genauere Angaben für diese schwerwiegende Entscheidung vorzulegen, zeigte das Finanzamt keinerlei Reaktion. Es teilte der “Informationsstelle Militarisierung” mit erneutem Schreiben vom 12. Mai 2006 lediglich mit, dass nun doch ein Freistellungsbescheid erteilt würde, allerdings nur befristet auf ein Jahr. (Zur Information: Es ist üblich, diese Freistellungsbescheide auf mehrere Jahre im Voraus zu erteilen und dann im Nachhinein zu prüfen, ob die Bedingungen in diesem Zeitraum weiterhin erfüllt wurden.)
Nachdem diese Frist nun abgelaufen ist, bekam der Verein pünktlich mit Fristende am 11. Mai 2007 erneut Post vom Finanzamt Tübingen. Diesmal wird eine andere Begründung genannt, warum man den Verein nicht länger als gemeinnützig anerkennen könne. Die “Informationsstelle Militärisierung” sei vor allem tagespolitisch tätig und damit nicht als gemeinnützig zu begünstigen.
Aber das ist noch nicht alles. Die Gemeinnützigkeit wird dem Verein rückwirkend bis 2001 entzogen. Das heißt, er soll eine Steuernachzahlungspauschale in Höhe von 40% seiner Einnahmen in diesem Zeitraum leisten! Natürlich ergeben diese 40% auf die Einnahmen aus fünf Jahren aktiver Vereinsarbeit eine erhebliche Summe. Natürlich sind diese Einnahmen zum größten Teil für die Erfüllung des satzungsmäßigen Vereinszwecks ausgegeben worden – wie vom Finanzamt gefordert. Kann sich der Verein nicht erfolgreich gegen diese behördliche Forderung wehren, ist er finanziell ruiniert und an seiner friedensfördernden Aktivität nachhaltig, wenn nicht endgültig gehindert.
Der Verein wehrt sich mit aller Kraft und hat sämtliche Informationen online verfügbar gemacht.
Halten wir fest: Einem Verein, der sich ausdrücklich und anerkanntermaßen für Frieden und Völkerverständigung einsetzt und zu diesem Zweck mit einer Unterschriftensammlung die sofortige Beendung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr fordert, wird Verfassungsfeindlichkeit und tagespolitisches Engagement vorgeworfen und ihm wird der Status der Gemeinnützigkeit entzogen. So will man ihn in die Knie zwingen und zum Schweigen bringen. Gleichzeitig wird vertuscht, dass die Bundeswehr in Afghanistan an gezieltem Terror gegen die einheimische Bevölkerung beteiligt ist und dort längst zur aktiven Kriegspartei avancierte.
Was steht im Grundgesetz, der deutschen “Verfassung”?
§ 9 (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
Auf wen trifft das momentan eher zu, auf den Verein “Informationsstelle Militarisierung” oder auf das Kabinett Merkel und die Bundeswehr?
§ 26 (1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
Wer verstößt hier also gegen die Verfassung? Ein antimilitaristischer Verein, der sich für Frieden und Völkerverständigung einsetzt, oder die Bundesregierung, die spätestens mit ihrem Beschluss der Entsendung von Tornado-Flugzeugen nach Afghanistan zur aktiven Kriegspartei geworden ist? Wer von ihnen begeht Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören?
Politblog fordert seine Leser auf, die “Informationsstelle Militarisierung” zu unterstützen. Morgen z.B. will der Verein in Tübingen eine kleine Aktion durchführen:
„Mit zugeklebten Mündern und einem Leiterwagen voller IMI-Publikationen werden wir durch Tübingen ziehen, das “Wahrheitsministerium” suchen, Flugblätter und Briefe verteilen, die Unterstützer dann ans Finanzamt schicken können.”
Die “Informationsstelle Militarisierung” gibt auf ihrer Website auch noch andere Tipps, wie man die Sache dieses Vereins unterstützen kann: Sie dürfen dort (im Finanzamt Tübingen) auch gerne anrufen und sich für uns stark machen.
Besonders freuen wir uns natürlich über Solidaritätsbekundungen aller Art (außer aus dem nationalistischen Lager). Am besten schicken Sie diese an imi@imi-online unter dem Betreff “gemein aber nützlich” und teilen Sie uns mit, ob Sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sind. Wir freuen uns auch über neue Ideen für diese Kampagne.
Wir hoffen, unsere alltägliche Arbeit leidet nicht zu sehr unter dem Verfahren. Auch bei dieser können Sie uns stets unterstützen, indem Sie unsere Materialien bestellen und verbreiten, Ihren Bekannten von uns erzählen, uns mit einer Spende unterstützen oder am besten Mitglied in der Informationsstelle Militarisierung werden.
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IMI Tübingen mit Gemeinnützigskeitsentzug wegen „Verfassungswidrgkeit“ und „Tagespolitik“ bedroht
Interview mit Jürgen Wagner (IMI) in Radio Dreyeckland, 18.07.2007
http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=18094
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»Finanzamt wird damit vor Gericht nicht durchkommen«
Informationsstelle Militarisierung soll Gemeinnützigkeit aberkannt werden. Ein Gespräch mit Jürgen Wagner
in: Junge welt, 17.07.2007 http://www.jungewelt.de/2007/07-17/055.php
von Jens Wernicke
Jürgen Wagner ist Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. ist aktuell von staatlicher Repression betroffen. Ihr Engagement für Frieden und Völkerverständigung soll verfassungsfeindlich und überdies nicht mehr gemeinnützig sein. Wie kommt es dazu, und was bedeutet das?
Der Ärger fing bereits im Februar 2006 an, als uns das Finanzamt Tübingen einen Freistellungsbescheid und hiermit die Anerkennung unserer Gemeinnützigkeit verweigerte. Als Grund – und dies ist der entscheidende Punkt – wurde genannt, eine nicht näher spezifizierte Behörde hätte Zweifel an unserer Verfassungstreue erhoben. Trotz mehrmaliger Aufforderung, die Vorwürfe näher zu konkretisieren, herrschte lange Schweigen im Walde, bis das Tübinger Finanzamt nun erklärte, es beabsichtige, der IMI die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 2001 zu versagen. Gleichzeitig droht man uns damit, wir müßten sämtliche Spendeneinnahmen seit 2001 mit 40 Prozent versteuern.
Was wäre die Konsequenz?
Wir finanzieren unsere Arbeit fast ausschließlich über Spenden. Der Entzug der Gemeinnützigkeit – ganz zu schweigen von der angedrohten »Rückversteuerung« – stellt eine direkte Bedrohung für die Weiterführung der Arbeit dar. Wir sehen darin einen politisch motivierten Angriff, um unsere Tätigkeit zu sabotieren. Dagegen werden wir uns wehren. Im Notfall auch gerichtlich, falls das Finanzamt unseren mittlerweile überreichten Einspruch ablehnen sollte.
Die Vorwürfe wurden also bis heute nicht konkretisiert, das Finanzamt Tübingen ist auf Zuruf einer unbekannten Behörde tätig geworden?
Entscheidend ist, daß das Finanzamt überhaupt erst auf Betreiben jener ominösen Behörde tätig geworden ist. Da man offensichtlich nicht in der Lage war, den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit zu erhärten, wird jetzt haltlose Behauptung in den Raum gestellt, unsere Arbeit sei nicht gemeinnützig, weil sie »von allgemeinen politischen Themen dominiert« sei, wie es in der Begründung des Finanzamtes heißt. Zu diesem Schluß kam dasselbe nach einer – offenbar recht oberflächlichen – Betrachtung unserer Internetseite.
Das hat für das Finanzamt den angenehmen Effekt, angeben zu können, die nun erfolgte Entscheidung habe »nichts mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu tun«, dennoch aber dem Ansinnen der anschwärzenden Behörde nachkommen zu können, uns die Gemeinnützigkeit nun eben auf diesem Umweg zu entziehen.
Sie werten dies also als gezielten staatlichen Angriff auf Sie und somit die Friedensbewegung?
Ja, denn das Finanzamt macht es sich schon sehr einfach, friedenspolitischer Arbeit unter dem Vorwurf, sie sei von »allgemeinen politischen Themen dominiert«, die Gemeinnützigkeit und damit die finanzielle Grundlage zu entziehen. Sollte es mit dieser Begründung durchkommen, wäre dies eine Keule, die nahezu beliebig gegen weitere zivilgesellschaftliche Gruppen gezogen werden könnte.
Allerdings sind wir zuversichtlich, daß das Finanzamt hiermit vor Gericht nicht durchkommen wird. Denn sämtliche unserer veröffentlichten Texte haben einen Bezug zu den – als gemeinnützig anerkannten – Satzungszwecken Frieden und Völkerverständigung. Da diese Ziele durch tagespolitische Entscheidungen in Gefahr sind, lassen wir es uns nicht nehmen, hierzu auch aktuell Stellung zu nehmen. Dies ist im übrigen auch explizit zulässig, solange dies der Verwirklichung der Satzungsziele dient und nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit steht.
Dies ist bei der IMI aber auch nicht der Fall. Denn der absolute Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Erstellung ausführlicher Analysen und Studien, die nur mit einiger Phantasie als tagespolitische Äußerungen interpretiert werden können, wie auch dem Finanzamt hätte auffallen müssen, hätte es sich ernsthaft mit unseren Publikationen auseinandergesetzt.
Was wird die IMI nun unternehmen? Wie kann man unterstützend tätig werden?
Hierfür eignen sich unter anderem Leserbriefe an das lokale Schwäbische Tagblatt. Besonders freuen wir uns natürlich über Solidaritätsbekundungen aller Art, die wir in Kürze auch veröffentlichen möchten. Weitere Möglichkeiten finden sich auf einer Sonderseite, die über unsere Homepage erreichbar ist. Generell kann man Bekannten von uns erzählen, uns mit einer Spende unterstützen oder am besten – jetzt erst recht – Mitglied in der Informationsstelle Militarisierung werden und so den Fortbestand unserer Arbeit sichern helfen.
Informationsstelle Militarisierung, Hechingerstr. 203, 72072 Tübingen, Tel.: 07071/49154, Fax: 07071/49159, imi@imi-online.de, imi-online.de
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SWR-Studio Tübingen Regionalnachrichten
Redaktion: Knut Lehn-Galden
Letzte Aktualisierung: 16.07.2007, 17.30 Uhr
(Auszug)
Tübingen
IMI droht Entzug der Gemeinnützigkeit
Das Finanzamt will dem Tübinger Verein Informationsstelle Militarisierung kurz IMI die Gemeinnützigkeit rückwirkend streichen, weil der Verein politische Zwecke verfolge. Dies sei einer gemeinnützigen Körperschaft nicht gestattet sei. Die IMI wurde vor elf Jahren gegründet und veröffentlicht seitdem Artikel, in denen sie unter anderem Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr in Frage stellt, sowie das Kommando Spezialkräfte in Calw kritisiert. Der Verein selbst bezeichnet sich als Organisation, die sich der Wahrung und Herstellung des Friedens widmet. Der Entzug der Gemeinnützigkeit sei ein politischer Skandal, daher werde man juristisch dagegen vorgehen, so der Verein.
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Politik nicht gestattet
Finanzamt will IMI Gemeinnützigkeit streichen
Schwäbisches Tagblatt vom 16.07.2007
TÜBINGEN (vor). Das Finanzamt will der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) die Gemeinnützigkeit versagen, weil sich deren Tätigkeit „fast ausschließlich in politischen Aktivitäten“ erschöpfe. Die IMI ihrerseits vermutet politische Hintergründe.
Von welcher Behörde der zunächst erhobene Vorwurf der „Verfassungswidrigkeit“ stammt und womit er begründet wurde, wollte Finanzamtsleiter Walter Lebherz auf TAGBLATT-Nachfrage nicht sagen. Doch darum geht es jetzt auch gar nicht mehr: „Wir sehen eine politische Zweckverfolgung“, so Lebherz, dessen Mitarbeiter sich auf der IMI-Internetseite umschauten. Politische Zwecke („Beeinflussung der politischen Meinungsbildung“) jedoch seien „gemeinnützigen Körperschaften“ nicht gestattet. Die Gemeinnützigkeit soll dem Verein nicht nur künftig, sondern gleich sechs Jahre rückwirkend aberkannt werden. Auf die IMI kämen in diesem Fall erhebliche Steuernachforderungen zu.
„Das würde uns existenziell treffen“, sagt IMI-Vorstand Jürgen Wagner. Die Beanstandung des Finanzamts kann er nicht nachvollziehen: Bundeswehrsstrategie und weltweite Einsätze, EU-Sicherheitspolitik, Globalisierung und Armut als Kriegsursache, außerdem Länderschwerpunkte wie Afghanistan, Kongo oder Irak – „zu solchen Themen arbeiten wir doch schon seit unserer Gründung vor elf Jahren“. Rerferent(inn)en der Informationsstelle halten laut Wagner an die hundert Vorträge im Jahr. Der Verein veröffentlicht Analysen im Internet, Zeitungen und Büchern, ist Mitherausgeber der Vierteljahresschrift „Wissenschaft und Frieden“ und veranstaltet alljährlich einen friedenspolitischen Kongress in Tübingen.
Laut Lebherz prüfte das Finanzamt bereits die IMI-Tätigkeit („tatsächliche Geschäftsführung“) in den Jahren 1996 bis 2000 – und hatte seinerzeit nichts zu beanstanden. Was hat sich seit damals geändert? Lebherz: „Vielleicht haben wir's auch zu spät erkannt.“
Der IMI-Mitbegründer und Europaabgeordnete der Linken, Tobias Pflüger, vermutet indes einen Zusammenhang zu dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren der Münchner Staatsanwaltschaft (wir berichteten). Pazifist Pflüger, so der ursprüngliche Vorwurf, soll bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2005 Polizisten beschimpft haben, gar tätlich geworden sein. Daraufhin entzog ihm das EU-Parlament die Immunität. Von den Vorwürfen blieb schließlich nur noch die angebliche Beamtenbeleidigung übrig – auch die bestreitet Pflüger: „Eine erfundene Geschichte.“ Besagte Staatsanwaltschaft ermittle bereits zum vierten Mal gegen ihn in Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz – stets ohne Erfolg.
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Mit dem Finanzamt gegen Friedensbewegung?
Jens Wernicke, telepolis, 16.07.2007
Der 1996 als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung gegründeten gemeinnützigen „Informationsstelle Militarisierung“ soll aufgrund von Zweifeln an der Verfassungstreue die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wodurch sie faktisch zum Schweigen gebracht würde.
Die Tübinger Informationsstelle Militarisierung (1) (IMI) versteht sich als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung und verfolgt seit ihrer Gründung 1996 ihr satzungsgemäßes Ziel, dem Frieden und der Völkerverständigung dienliche Informationen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Hierbei nimmt sie unter anderem eine kritische Haltung zur deutschen Beteiligung an Angriffskriegen, zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und zum Abbau der Bürger- und Menschenrechte ein. Das Finanzamt Tübingen will dem Verein nun rückwirkend ab 2001 die Gemeinnützigkeit aberkennen (2).
Als Grund wurde genannt, eine nicht näher spezifizierte Behörde hätte Zweifel an der Verfassungstreue des Vereins erhoben. In der Konsequenz soll dieser nun seitens des Finanzamtes für die seit 2001 entgangenen Steuern mit 40 Prozent auf alle Spendeneinnahmen haftbar gemacht werden: sein sicherer Konkurs. Und zudem eine Aktion, welche IMI als politischen Skandal und gezielte staatliche Repression gegen Kritiker wertet. „Es ist bezeichnend, dass im Kontext verfassungswidriger In- und Auslandseinsätze deren Kritiker zu Staatsfeinden erklärt werden – von Organisationen, die dem Namen nach dem Schutz der Verfassung dienen“, so Jürgen Wagner, Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2007 erklärte das Finanzamt Tübingen nach über einjähriger Vorgeschichte, es beabsichtige, der IMI die Gemeinnützigkeit „für die Jahre ab 2001 zu versagen“, und drohte, der Verein müsse für die entgangene Steuer auf seit dem geleistete Spenden, die mit 40% angesetzt wird, haften. Bei einem persönlichen Gespräch zwischen Vorstandsmitgliedern und Vertretern des Finanzamtes wurde der IMI eine Frist von drei Monaten eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.
Die Argumentation des Finanzamtes Tübingen
In seinem Schreiben vom 11. Mai 2007 argumentiert das Finanzamt dabei wie folgt:
Im Rahmen der Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung habe ich die Web-Site der IMI eingesehen. Dabei fiel sofort auf, dass diese stark von allgemeinen politischen Themen dominiert wird. Insgesamt entsteht der Eindruck, daß die Tätigkeit der IMI sich fast ausschließlich in politischen Aktivitäten erschöpft. Ein solches Agieren ist aber von den Gemeinnützigkeitsregeln der §§ 51 ff der Abgabenordnung (AO) nicht gedeckt. Nr. 15 des Anwendungserlasses zu § 52 AO (vgl. beigefügte Kopie) führt hierzu aus, daß politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung) grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken zählen. Zwar ist eine nur gelegentliche politische Stellungnahme im Rahmen des Satzungszwecks unschädlich, sie darf jedoch nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft werden. Genau dies ist aber offensichtlich bei der IMI ausweislich ihrer Web-Site der Fall.
Bezeichnend an dieser Argumentation ist die Unterstellung, gemeinnützige Organisationen, die sich beispielsweise für den Frieden und die Völkerverständigung einsetzten, dürften sich nicht regelmäßig öffentlich äußern, da dies nicht mehr als gemeinnützig zu werten sei. Hier wird ein Artikel des so genannten Anwendungserlasses derart interpretiert, dass die Zivilgesellschaft bei zu häufiger Artikulation ihrer Meinung in Ermessenssache stets in Gefahr gerät, ihre „staatliche Anerkennung“ zu verlieren.
Im Wortlaut heißt es im genannten Anwendungserlass:
Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 29.08.1984, BStBl 1984 II S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt. Eine Körperschaft fördert deshalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entscheidend ist, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988, BStBl 1989 II S. 391).
Es handelt sich also um eine Rechtsgrundlage, die ebenso auf die eine wie andere Art auszulegen ist. Im Rahmen der nun durch das Finanzamt Tübingen gegen die IMI verwandten Interpretation wäre es nun konsequenterweise auch möglich, nun etwa auch dem BUND (3) oder Greenpeace (4) momentan die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, da diese sich in den letzten Wochen mannigfaltig und wiederholt zu den Störfällen in deutschen Atomkraftwerken kritisch äußerten Zwingend notwendig ist dieses Vorgehen allerdings nicht.
Die IMI vermutet hierhinter politisches Kalkül gegen oppositionelle Meinungen. „Es ist doch bezeichnend, dass im Kontext verfassungswidriger In- und Auslandseinsätze deren Kritiker zu Staatsfeinden erklärt werden – von Organisationen, die dem Namen nach dem Schutz der Verfassung dienen“, so Jürgen Wagner, Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung. „Dass diejenigen, die im Ausland Aufstandsbekämpfung mit Tornados betreiben im Inland nicht davor zurückschrecken, das Finanzamt auf Kritiker zu hetzen, sollte nicht wundern“, so Wagner weiter. „Der aktuelle Versuch, uns die Gemeinnützigkeit zu entziehen, zielt gezielt darauf, uns unserer finanziellen Grundlage zu berauben und den Verein zu zerschlagen. Schon jetzt nimmt dieser Angriff viel Arbeit in Anspruch, die wir gerne für den Frieden investieren würden.“
Dabei kommt der aktuelle „Angriff“, wie die IMI die Aktion des Finanzamtes auf anonymes staatliches Geheiß hin interpretiert, ausgerechnet zu einer Zeit, in der der Verein zunehmend Erfolge verbucht und mehr und mehr eine friedensbewegte Öffentlichkeit zu mobilisieren und erreichen vermag.
Die Argumentation der Informationsstelle Militarisierung
Überdies sieht die IMI die erhobenen Vorwürfe als unbegründet an. Keinesfalls sei die Arbeit der IMI ganz „allgemeinen politischen Themen dominiert“. Tatsächlich hätten alle veröffentlichten Texte Bezug zu den Satzungszwecken Frieden und Völkerverständigung. Da diese Ziele jedoch durch tagespolitische Entscheidungen in Gefahr seien, ließe man es sich nicht nehmen, hierzu auch aktuell Stellung zu beziehen.
Die von der IMI in diesem Rahmen veröffentlichten Studien (5), welche einen abstrakten und umfangreichen Einstieg in die Friedensthematik ermöglichten, beruhten dabei auf der längerfristigen Beobachtung des internationalen Krieg- und Konfliktgeschehens, von Rüstungsprojekten und Konfliktstrategien in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, die den tatsächlichen Schwerpunkt der Arbeit der IMI darstellten.
Darüber hinaus ist die IMI Mitherausgeber der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“, betreut wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Frieden und Konflikte und stellt sie der Öffentlichkeit eine Bibliothek zu eben diesem Thema zur Verfügung.
Bezeichnend (6) sei überdies, dass die nicht genannte Behörde, welche gegenüber dem Finanzamt der IMI „Verfassungsfeindlichkeit“ unterstellt hat, und hinter welcher die IMI selbst nun den Verfassungsschutz vermutet, diesen Vorwurf einfach „in den Raum gestellt (hat), ohne ihn (jedoch) zu spezifizieren oder zu belegen.“
Die IMI wird sich nun gerichtlich wehren und hat überdies die Kampagne IMI – gemein aber nützlich (7) initiiert, um die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Im Rahmen dieser ist es beispielsweise möglich, einen vorgefertigten Brief an das Wahrheitsministerium (8) auszudrucken und als Unterstützungsleistung an das zuständige Finanzamt zu senden.
Links
(1) https://www.imi-online.de/
(2) https://www.imi-online.de/seite.php3?id=14
(3) http://www.bund.net
(4) http://www.greenpeace.de
(5) https://www.imi-online.de/studien.php3
(6) https://www.imi-online.de/download/IfdP.pdf
(7) https://www.imi-online.de/seite.php3?id=14
(8) https://www.imi-online.de/download/Wahrheitsministerium.pdf
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25718/1.html
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„Repression mit Tradition“
von Jens Wernecke
in: Linkezeitung.de, 17.07.2007
http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=3011&Itemid=59
Die 1996 als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung gegründete gemeinnützige „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) (https://www.imi-online.de/) sieht sich staatlichen Repressionen ausgesetzt
TEASER: Die Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) versteht sich als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung und verfolgt seit ihrer Gründung 1996 ihr satzungsgemäßes Ziel, dem Frieden und der Völkerverständigung dienliche Informationen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Hierbei nimmt sie unter anderem eine kritische Haltung zur deutschen Beteiligung an Angriffskriegen, zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und zum Abbau der Bürger- und Menschenrechte ein. Das Finanzamt Tübingen will dem Verein nun rückwirkend ab 2001 die Gemeinnützigkeit aberkennen. Als Grund wurde genannt, eine nicht näher spezifizierte Behörde hätte Zweifel an der Verfassungstreue des Vereins erhoben. In der Konsequenz soll dieser nun seitens des Finanzamtes für die seit 2001 entgangenen Steuern mit 40 Prozent auf alle Spendeneinnahmen haftbar gemacht werden: sein sicherer Konkurs. Und zudem eine Aktion, welche IMI als politischen Skandal und gezielte staatliche Repression gegen Kritiker wertet. „Es ist bezeichnend, dass im Kontext verfassungswidriger In- und Auslandseinsätze deren Kritiker zu Staatsfeinden erklärt werden – von Organisationen, die dem Namen nach dem Schutz der Verfassung dienen“, so Jürgen Wagner, Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2007 erklärte das Finanzamt Tübingen nach über einjähriger Vorgeschichte, es beabsichtige, der IMI die Gemeinnützigkeit „Für die Jahre ab 2001 zu versagen“ und drohte, der Verein müsse für die entgangene Steuer auf seit dem geleistete Spenden, die mit 40% angesetzt wird, haften. Bei einem persönlichen Gespräch zwischen Vorstandsmitgliedern und Vertretern des Finanzamtes wurde der IMI eine Frist von drei Monaten eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.
Die Argumentation des Finanzamtes Tübingen
In seinem Schreiben vom 11. Mai 2007 argumentiert das Finanzamt dabei wie folgt:
„Im Rahmen der Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung habe ich die Web-Site der IMI eingesehen. Dabei fiel sofort auf, daß diese stark von allgemeinen politischen Themen dominiert wird. Insgesamt entsteht der Eindruck, daß die Tätigkeit der IMI sich fast ausschließlich in politischen Aktivitäten erschöpft. Ein solches Agieren ist aber von den Gemeinnützigkeitsregeln der §§ 51 ff der Abgabenordnung (AO) nicht gedeckt. Nr. 15 des Anwendungserlasses zu § 52 AO (vgl. beigefügte Kopie) führt hierzu aus, daß politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung) grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken zählen. Zwar ist eine nur gelegentliche politische Stellungnahme im Rahmen des Satzungszwecks unschädlich, sie darf jedoch nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft werden. Genau dies ist aber offensichtlich bei der IMI ausweislich ihrer Web-Site der Fall“
Bezeichnend an dieser Argumentation ist die Unterstellung, gemeinnützige Organisationen, die sich beispielsweise für den Frieden und die Völkerverständigung einsetzten, dürften sich nicht regelmäßig öffentlich äußern, da dies nicht mehr als gemeinnützig zu werten sei. Hier wird ein Artikel des so genannten Anwendungserlasses derart interpretiert, dass die Zivilgesellschaft bei zu häufiger Artikulation ihrer Meinung in Ermessenssache stets in Gefahr gerät, ihre „staatliche Anerkennung“ zu verlieren.
Im Wortlaut heißt es im genannten Anwendungserlass:
Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 29.08.1984, BStBl 1984 II S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt. Eine Körperschaft fördert deshalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entscheidend ist, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988, BStBl 1989 II S. 391).
Es handelt sich also um eine Rechtsgrundlage, die ebenso auf die eine wie andere Art auszulegen ist. Im Rahmen der nun durch das Finanzamt Tübingen gegen die IMI verwandten Interpretation wäre es nun konsequenterweise auch möglich, nun dem BUND (www.bund.net) oder Greenpeace (www.greenpeace.de) momentan die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, da diese sich in den letzten Wochen mannigfaltig und wiederholt zu den Störfällen in deutschen Atomkraftwerken kritisch äußerten (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25619/1.html). Zwingend notwendig ist dieses Vorgehen allerdings nicht.
Repressionen gegen zu erfolgreiche Kritiker
Die IMI vermutet hierhinter politisches Kalkül gegen oppositionelle Meinungen. „Es ist doch bezeichnend, dass im Kontext verfassungswidriger In- und Auslandseinsätze deren Kritiker zu Staatsfeinden erklärt werden – von Organisationen, die dem Namen nach dem Schutz der Verfassung dienen“, so Jürgen Wagner, Geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung. „Dass diejenigen, die im Ausland Aufstandsbekämpfung mit Tornados betreiben im Inland nicht davor zurückschrecken, das Finanzamt auf Kritiker zu hetzen, sollte nicht wundern“, so Wagner weiter. „Der aktuelle Versuch, uns die Gemeinnützigkeit zu entziehen, zielt gezielt darauf, uns unserer finanziellen Grundlage zu berauben und den Verein zu zerschlagen. Schon jetzt nimmt dieser Angriff viel Arbeit in Anspruch, die wir gerne für den Frieden investieren würden.“
Dabei kommt der aktuelle „Angriff“, wie die IMI die Aktion des Finanzamtes auf anonymes staatliches Geheiß hin interpretiert, ausgerechnet zu einer Zeit, in der der Verein zunehmend Erfolge verbucht und mehr und mehr eine friedensbewegte Öffentlichkeit zu mobilisieren und erreichen vermag.
So heißt es bspw. bereits im Mitgliederbericht 2004:
„In den letzten beiden Jahren ist es IMI gelungen seinen Bekanntheitsgrad sowohl in der Friedensforschung als auch Friedensbewegung erheblich zu steigern. Dies äußert sich bspw. darin, dass Vortragsanfragen an IMI ebenso sprunghaft gestiegen sind, wie Bitten um IMI-Beiträge in diversen Publikationen der Friedensbewegung und Friedensforschung. Auch die hohen Zugriffszahlen unserer Homepage zeugen davon, dass unsere Arbeit auf immer stärkere Resonanz stößt. Insbesondere was die Quantität und Qualität unserer Publikationen anbelangt, sind deutliche Fortschritte erzielt worden. Zudem gelang es ebenfalls Autorenschaft und Themenvielfalt zu erweitern.“
Die Argumentation der Informationsstelle Militarisierung (IMI)
Überdies sieht die IMI die erhobenen Vorwürfe als unbegründet an. Keinesfalls sei die Arbeit der IMI ganz „allgemeinen politischen Themen dominiert“. Tatsächlich hätten alle veröffentlichten Texte Bezug zu den Satzungszwecken Frieden und Völkerverständigung. Da diese Ziele jedoch durch tagespolitische Entscheidungen in Gefahr seien, ließe man es sich nicht nehmen, hierzu auch aktuell Stellung zu beziehen. Die von der IMI in diesem Rahmen veröffentlichten Studien (https://www.imi-online.de/studien.php3), welche einen abstrakten und umfangreichen Einstieg in die Friedensthematik ermöglichten, beruhten dabei auf der längerfristigen Beobachtung des internationalen Kriegs- und Konfliktgeschehens, von Rüstungsprojekten und Konfliktstrategien in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, die den tatsächlichen Schwerpunkt der Arbeit der IMI darstellten.
Darüber hinaus ist die IMI Mitherausgeber der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“, betreut wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Frieden und Konflikte und stellt sie der Öffentlichkeit eine Bibliothek zu eben diesem Thema zur Verfügung.
Unbegründete Vorwürfe – Finanzamt entscheidet über „Verfassungsfeindlichkeit“
Bezeichnend sei überdies, dass die nicht genannte Behörde, welche gegenüber dem Finanzamt der IMI „Verfassungsfeindlichkeit“ unterstellt hat, und hinter welcher die IMI selbst nun den Verfassungsschutz vermutet, diesen Vorwurf einfach „in den Raum gestellt (hat), ohne ihn (jedoch) zu spezifizieren oder zu belegen.“ (zitiert nach https://www.imi-online.de/download/IfdP.pdf).
Die IMI wird sich nun gerichtlich wehren und hat überdies die Kampagne „IMI – gemein aber nützlich“ (https://www.imi-online.de/seite.php3?id=14) initiiert, um die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Im Rahmen dieser ist es beispielsweise möglich, einen vorgefertigten „Brief an das Wahrheitsministerium“ (https://www.imi-online.de/download/Wahrheitsministerium.pdf) auszudrucken und als Unterstützungsleistung an das zuständige Finanzamt zu senden.
Die Friedensbewegung vor Gericht
Inwiefern die gerichtliche Auseinandersetzung der IMI jedoch erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Die Kriminalisierung der Friedensbewegung (http://www.friedrich-martin-balzer.de/pdf/Justunr.pdf) ist in der bundesrepublikanischen Geschichte zwar ein gut gehütetes Tabu (http://www.amazon.de/Tabus-bundesdeutschen-Geschichte-Eckart-poo/dp/3980813746), hat jedoch Tradition und findet seit Gründung der BRD auf die eine oder andere Weise immer wieder einmal statt.
So belegt bspw. eine aktuelle Publikation (http://www.friedrich-martin-balzer.de/justizunrecht_rez.htm) von Dr. Friedrich-Martin Balzer (http://www.friedrich-martin-balzer.de/), dass der spektakuläre so genannte „Düsseldorfer Prozess“ von 1959 bis 1960 wenig mehr als ein staatlicherseits inszenierter Schauprozess mit dem Ziel der Kriminalisierung der westdeutschen Friedensbewegung war. Der Spiegel schrieb diesbezüglich 1961 vom „bislang ungewöhnlichsten politischen Strafprozess“, der „das Elend der politischen Justiz im liberalen Rechtsstaat erhelle“.
Der „Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung“, dem damaligen Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland, beschuldigt und für schuldig befunden, wurden damals in einer nach sieben Jahren dauernden Ermittlung: Pastor Johannes Oberhof, Freiwilliger im Zweiten Weltkrieg, Erwin Eckert, von der evangelischen Kirche nach seinem Eintritt in die KPD seines Pfarramtes enthoben, wegen Widerstand gegen den Faschismus 1936 zu drei Jahren und acht Monate Zuchthaus verurteilt, Walter Diehl, Sprachwissenschaftler, gläubiger Christ, Gerhard Wohlrath, Kommunist, 1933 der Festnahme durch Emigration entkommen, Mitglied der Internationalen Brigaden im spanischen Freiheitskampf, Gustav Thiefes und Erich Kompalla, beide Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg, Kompalla in den Reihen der Waffen-SS, beide zu Kriegsgegnern geworden.
Diese sieben also, vier Kommunisten und vier Christen darunter, waren angeklagt, als Rädelsführer im Friedenskomitee versucht zu haben, durch Schriften, Reden und anderes gegen die Wiederaufrüstung, für einen Friedensvertrag und Verhandlungen mit der DDR und der Sowjetunion, auch durch die Teilnahme an internationalen Kongressen der Friedensbewegung beabsichtigt zu haben, die verfassungsmäßige Grundordnung der BRD beseitigen bzw. außer Geltung setzen zu wollen.
Die Angeklagten und ihre vier Verteidiger, Diether Posser, Heinrich Hannover, Walther Ammann und Friedrich-Karl Kaul, sowie der Reporter der DDR-Zeitung Wochenpost, Rudolf Hirsch, kommen nun in Balzers Band zu Wort.
Dabei spricht Diether Posser von den «das Gesinnungsrecht offen praktizierenden Begründungen«, mit denen das Gericht in Serie das Vorbringen von Anträgen und Dokumenten der Beschuldigten ablehnte. Heinrich Hannover erinnert sich, wie seinem Kollegen Posser deshalb damals vor Gericht der Kragen platzte und er dem Gericht: «Wenn Sie alle unsere Beweisanträge zurückweisen, würde ich es ehrlicher finden, unsere Mandanten durch Verwaltungsakt ins KZ einzuweisen, statt uns Anwälte als rechtsstaatliches Dekor zu mißbrauchen.«
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Finanzamt Tübingen
in: junge Welt, 16.07.2007
Wer Auslandseinsätze der Bundeswehr kritisiert, sabotiert praktisch die Vorneverteidigung Deutschlands – ob am Hindukusch oder auf dem Balkan, egal. Als Wehrkraftzersetzer kann er ergo nicht gemeinnützig sein. Für das Tübinger Finanzamt liegt die Sache klar auf der Hand. Wie am Wochenende bekannt wurde, plant der Fiskus, der Informationsstelle Militarisierung (IMI) den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen – und zwar rückwirkend ab 2001. Für die entgangenen Steuern will das Amt den Verein mit einer Abgabe von 40 Prozent auf alle Spendeneinnahmen der letzten sechs Jahre haftbar machen. Für die Informationsstelle, deren Arbeitsschwerpunkt nach eigenen Angaben in der »längerfristigen Beobachtung des internationalen Kriegs- und Konfliktgeschehens, von Rüstungsprojekten und Konfliktstrategien in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern« besteht, würde dies wohl das finanzielle Aus bedeuten.
Fabelhaft ist die Begründung des mit der Angelegenheit befaßten Finanzbeamten. »Im Rahmen der Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung habe ich die Web-Site der IMI eingesehen«, schreibt er in seiner Begründung. Dabei sei ihm »sofort« aufgefallen, »daß diese stark von allgemeinen politischen Themen dominiert« werde. »Insgesamt entsteht der Eindruck, daß die Tätigkeit der IMI sich fast ausschließlich in politischen Aktivitäten erschöpft.« Ein solches Agieren sei aber »von den Gemeinnützigkeitsregeln der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) nicht gedeckt«. Doch damit nicht genug. Eine andere Behörde, deren Namen Finanzsachbearbeiter aber offenbar nicht aussprechen dürfen, habe außerdem »Zweifel an der Verfassungstreue« der Informationsstelle geäußert, hieß es vage bei einer telefonischen Nachfrage. »Daß diejenigen, die im Ausland Aufstandsbekämpfung mit Tornados betreiben, im Inland nicht davor zurückschrecken, das Finanzamt auf Kritiker zu hetzen, sollte nicht wundern«, kommentierte IMI-Geschäftsführer Jürgen Wagner. (jboe)