Dokumentation

Ausbildungsplätze statt Auslandseinsätze

Redebeitrag der SDAJ bei den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz 2007

von: Dokumentation / Rede / SDAJ | Veröffentlicht am: 10. Februar 2007

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Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,
Die Kriegstreiber in NATO und EU-Armee planen weiter zu expandieren. Allein die Truppen in Afghanistan werden im März um weitere 500 Soldaten und Kampfflugzeuge aufgestockt. Der Umbau der Bundeswehr zur weltweiten Interventionsarmee kommt weiter voran. Für die Umsetzung dieser militärischen Expansionspolitik werden Jugendliche gezielt als Kanonenfutter abgeworben.

Während Politiker aller Coleur das Verbot von „Killerspielen“ fordern, darf in Schulen für Killerberufe agitiert werden. Immer stärker versucht die BW Inhalte und Themen der Armee in den Unterricht einzubringen, z.B. durch kostenloses Unterrichtsmaterial. Überschrieben sind diese Materialien z.B. mit „Wege zum Frieden“, „Verantwortung tragen“ sowie „Frieden schaffen“. Wir kennen diese Propaganda, schließlich nennen die Herren und Damen im Bayerischen Hof ihre Veranstaltung auch „Frieden durch Dialog“. Die Materialien nehmen Lehrern alle kleinen Schritte der Unterrichtsplanung ab und sind sehr professionell gemacht.
Immer häufiger kommen BW-Angehörige auch selbst in die Schulen oder laden Schulklassen in Kasernen ein. Dabei arbeitet die BW meist eng mit der Lehrerschaft zusammen. Bereits Lehramtsanwärter werden militärisch geschult, z.B. gibt es in Thüringen Jugendoffiziere als Dozenten am Institut für Lehrerbildung. Diese unterrichten die künftigen Klassenlehrer aus den Fächergruppen Gemeinschaftskunde, Geschichte und Ethik.

Was sind Jugendoffiziere? Jugendoffiziere sind psychologisch geschulte Soldaten, die das Ziel haben, Jugendlichen von der Kriegspolitik der BRD zu überzeugen. Allein im letzten Jahr waren die Jugendoffiziere auf über 11.000 Veranstaltungen um Jugendliche mit ihrer Propaganda zu beeinflussen: In Berufsinformationszentren, auf Messen, Volksfesten und v.a. an Unis und Schulen. Jugendoffiziere sind per Staatsauftrag und Befehl gezwungen, im Sinne der herrschenden Regierung und der Bundeswehr zu argumentieren. Ihr Motto für ihre Arbeit lautet: „Radikale Gegner beeindrucken, Unentschlossene gewinnen, Befürworter positiv bestärken.“

Der Etat der Bundeswehr für Nachwuchswerbung und Öffentlichkeitsarbeit steigt stetig. Die Öffentlichkeitsarbeit unter Jugendlichen ist für die Bundeswehr mehr als Nachwuchsgewinnung, es geht auch um Erziehung im militärischen Geist und um Imagepflege der Armee. Neben ihrer einseitigen Informationsarbeit betätigen sich Jugendoffiziere auch als BW-Marktforscher. Ihre gesammelten Eindrücke fassen sie in ihrem jährlichen Jugendoffiziersbericht zusammen. Daraus entstehen dann neue Marketingkonzepte für die Bundeswehr, die effizienter und an die Zielgruppe angepasster sind. Verarbeitet werden die Daten auch von bundeswehreigenen wissenschaftlichen Einrichtungen, die das Ziel haben, die Nachwuchswerbung und -gewinnung mit aktuellen Informationen versorgen zu können. Bei der Ansprache von Jugendlichen setzt die Bundeswehr vor allen anderen Aspekten auf die angebliche „Sicherheit des Arbeitsplatzes“ beim Bund. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der Agitation vor allem auf junge Arbeitslosen.

Nach Angaben der BW wächst wegen der weit verbreiteten Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen die Bedeutung der Bundeswehr als staatlicher Ausbilder. Und das keineswegs aus reiner Begeisterung für den Soldatenberuf, sondern vielmehr aus Alternativlosigkeit. Die Bundeswehr profitiert also direkt von der hohen Jugendarbeitslosigkeit und dem Ausbildungsplatzmangel.

Die BW wirbt mit Slogans wie „Du suchst Zukunft? Wir bieten sie“ oder „Die Bundeswehr – jung dynamisch und effektiv – eines der größten Ausbildungsunternehmen Deutschlands“ oder „Berufsgarantie bei der BW – Nutzen sie ihre Chance“. Das alles klingt erstmal ziemlich attraktiv, vor allem für Jugendliche, denen quasi jede andere berufliche Perspektive verbaut wird. Natürlich ist die BW weder im Ausland noch im Inland ein Sozialwerk. So kann es eigentlich niemanden überraschen, dass die Bundeswehr im Gegenzug einiges von den Rekruten verlangt.

Zunächst: Ausbildung gibt es natürlich nur als Soldat oder Soldatin, also nicht ohne Teilnahme an der kämpfenden Truppe. Jugendliche, die eine Ausbildung beim Bund beginnen, müssen sich für mindestens 8 Jahre als Soldat verpflichten, für einige Ausbildungsgänge sogar für 12 Jahre. Entscheidend ist aber, dass sich alle Auszubildenden verpflichten, für mindestens 1 Jahr in einen Auslandseinsatz zu gehen. Derzeit kommt fast keiner der Auszubildenden beim Bund um den Auslandseinsatz herum. Die Wahrscheinlichkeit, im Ausland stationiert zu werden, ist extrem hoch und steigt weiter. Dann bleibt nur zu hoffen, dass man in einen vergleichsweise sicheren Auslandseinsatz kommt und nicht z.B. nach Afghanistan. Auch die Bundeswehr geht davon aus, dass die Zahl der im Auslandseinsatz getöteten deutschen Soldaten in den kommenden Jahren drastisch steigen wird. Aber die Bilanz ist auch jetzt schon erschreckend: Bis heute sind offiziell 65 Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen, zahlreiche wurden dabei verletzt und immer mehr Soldaten werden durch Auslandseinsätze traumatisiert.

All diese Nachteile sind aber den Jugendlichen entweder nicht vollständig bekannt oder aber sie nehmen sie notgedrungen aus Mangel an beruflichen Alternativen hin. Die Rekrutierungen nimmt die Bundeswehr im Übrigen nicht allein vor, sondern in enger Kooperation und mit erheblicher Unterstützung der Arbeitsagenturen und Jobcenter. Immer wieder gibt es Veranstaltungen zur Anwerbung von Arbeitslosen, die gemeinsam vom Arbeitsamt und der Bundeswehr organisiert werden. In Essen ist sogar eine Außenstelle des Zentrums für Nachwuchsgewinnung der BW direkt in die Räumlichkeiten der Arbeitsagentur gezogen.

Die Sorge der Armee angesichts einer steigenden Zahl eigener Opfer in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr in den kommenden Jahren nicht mehr genug Auswahl an „Freiwilligen“ zu haben nimmt dennoch zu. Deshalb wird seit langem auch über die Möglichkeiten zur Zwangsrekrutierung für die Armee nachgedacht. Der Druck, eine Ausbildungs-/Arbeitsstelle zu finden und sei es als Soldat bei der Bundeswehr, wurde mit Hartz IV zum Zwang. Heute werden bereits v.a. jugendliche Hartz IV- Empfänger dazu verpflichtet, jede „zumutbare“ Arbeit anzunehmen. Warum sollte es in dieser Logik nicht zumutbar sein, Soldat zu werden und „Deutschland am Hindukusch“ oder sonst wo zu „verteidigen“?
Zumindest hat Kriegsminister Jung schon öffentlich vorgeschlagen, Hartz IV Empfänger per Marschbefehl einzuziehen, in Uniformen zu stecken und im Rahmen der Bundeswehr einzusetzen. Die Bundeswehr setzt also für die Zukunft darauf, durch sozialen, ökonomischen oder staatlichen Zwang Jugendliche in die Armee zu bringen. Die militaristische Propaganda durchdringt – unterstützt durch staatliche und privatwirtschaftliche Stellen – wie Mehltau die Gesellschaft. Die Bundeswehr knüpft mit ihrer Werbung geschickt an den miesen Perspektiven der Jugendlichen an. Was kann man dem entgegensetzen?

Vor allem brauchen wir die Ausbildungsplatzumlage, die Betriebe, die nicht ausbilden, zur Kasse bittet, um für alle Jugendlichen eine qualifizierte betriebliche Ausbildung zu schaffen, ohne auf eine Verpflichtung beim Bund angewiesen zu sein. Dies ist gleichzeitig eine wichtige Möglichkeit, der Armee das Wasser abzugraben, weil Jugendliche nicht mehr auf eine direkte oder indirekte Karriere beim Bund angewiesen sein würden.

Das allein wird aber sicher nicht reichen: Aus Sicht der SDAJ, ist es erforderlich, dass sich die Friedensbewegung mit der Bundeswehr und ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit beschäftigt. Es ist der Militarismus, das die Milliarden verschlingt, die die neuen Waffensysteme kosten und die z.B. für Bildung und Ausbildung fehlen. Es ist der Militarismus, das versucht, die öffentliche Meinung und den Wunsch nach Frieden zu manipulieren und nicht zuletzt ist es der Militarismus, der die Gesundheit und das Leben Tausender junger Menschen in Gefahr bringt, indem er sie zum Kanonenfutter für die Interessen des deutschen Imperialismus macht. Menschen informieren, den reibungslosen Ablauf der Indoktrination durch die Bundeswehr stören, Jugendoffizieren kein Forum in Schulen bieten, Aktionen vor Jobcentern, in denen die Bundeswehr Frischfleisch sucht…. Friedensbewegung und Gewerkschaften müssen der militaristischen Propaganda der Bundeswehr in Schulen, Arbeitsämtern und der Öffentlichkeit entschlossener als bisher entgegentreten.

Kriegstreiber stoppen!
Bundeswehr abschaffen!

(Es gilt das gesprochene Wort)