IMI-Standpunkt 2007/032
Rede zum Ostermarsch Müllheim 09. April 2007 Thomas Mitsch
von: Thomas Mitsch | Veröffentlicht am: 31. Dezember 2006
(Es gilt das gesprochene Wort)
Liebe Freundinnen und Freunde,
wie ihr wisst war die Deutsch-Französischen Brigade (D/F-Brigade) das erste Projekt der Europäischen Union, um eine gemeinsame militärische Komponente aufzubauen. Sie ist ein militärischer Gefechtsverband, der Teil des Eurokorps mit Hauptquartier in Strasbourg ist.
Auch für die NATO steht die D/F-Brigade an zentraler Stelle zur Verfügung: Im Juni und Juli 2006 beteiligte sich die D/F-Brigade auf den Kapverdischen Inseln vor der Westküste Afrikas an der groß angelegten Übung „Steadfast Jaguar“ mit 6500 Soldaten von Heer, Luftwaffe und Marine aus allen NATO-Staaten.
Die D/F-Brigade hat sich schon bei zentralen Auslandseinsätzen der Bundeswehr für zukünftige Operationen diesen Musters qualifiziert: Bosnien-Herzegowina (SFOR 1996), Kosovo (KFOR 1999) und Afghanistan (ISAF 2004). Vom 27. Juli 2004 bis zum 27. Januar 2005 hatte die D/F-Brigade die Führung des Kommandos über die Multinationale Brigade Kabul (KMNB) im Rahmen des ISAF-Einsatzes VI in Afghanistan übernommen.
„Die Schaffung der Deutsch-Französischen Brigade war ein erster Schritt bei der Formung eines einigen Europas im militärischen Bereich“ bejubelt sich die Brigade auf ihrer Homepage selbst und stellt damit ihre zentrale Funktion bei der EU-Militarisierung heraus.
5.000 Soldaten sind in Baden-Württemberg an den drei Standorten Donaueschingen, Immendingen und Müllheim stationiert. Müllheim ist Sitz des Stabes der D/F-Brigade mit der Stabskompanie und des Deutsch-Französischen Versorgungsbataillon.
Für die bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr und für die zukünftige NATO-Response Force war und ist die D/F-Brigade wesentlich. Doch sie wird auch in Zukunft eine Schlüsselrolle in der EU-Militärpolitik spielen. Im zweiten Halbjahr 2008 wird sie Teil einer der 13 bis dahin vollends aufgestellten EU-Battle-Groups (EU-Schlachttruppen) sein.
Die neuen Aufträge sind jedoch mehr als eine Planung. Im zweiten Halbjahr 2006 war die Deutsch-Französische Brigade als NRF Kampfbrigade Kernstück der Landstreitkräfte der NRF (NATO Response Force, schnelle Eingreiftruppe der NATO). Als solche kann sie innerhalb von fünf Tagen in jedem Krisengebiet weltweit eingesetzt werden. Die NRF ist eine internationale, teilstreitkraft-übergreifende hoch einsatzbereite Truppe, technologisch fortschrittlich ausgerüstet, flexibel, schnell verleg bar und widerstandsfähig.
Basierend auf den Beschlüssen von Vittel 2000, Paris 2003 und Brüssel 2003 wurde der Brigade, als Kern der europäischen Landstreitkräfte weitere Aufträge übertragen. Laut Selbstbeschreibung basiert ihr Auftrag darauf „als europäischer schneller Eingreifverband mit der Befähigung für Anfangsoperationen“ jederzeit zur Verfügung zu stehen, wofür sie folgende Anforderungen zu erfüllen hat:
Die Fähigkeit, als Vorausverband des Eurokorps eingesetzt zu werden;
Eine logistische Durchhaltefähigkeit von 30 Tagen;
Die volle Interoperabilität (Zusammenarbeit von verschiedenen Systemen, Techniken oder Organisationen) im Rahmen der Strukturen des Eurokorps, vorzugsweise mit Schwerpunkt auf die Deutsch-Französische Interoperabilität;
Eine Einsatzbereitschaft binnen 5 bis 10 Tagen für luftverlastbare Vorauskräfte und binnen 10 bis 20 Tagen für die restlichen, voll verlegbaren Folgekräfte;
Die Fähigkeit, zusätzliche multinationale Beiträge, vorzugsweise aus anderen Nationen des Eurokorps, aufzunehmen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
auch sonst sind Deutschland und Frankreich die wesentlichen Zugpferde des militarisierten Kerneuropas: „Deutschland und Frankreich arbeiten innerhalb des Bündnisses eng zusammen. Im Kosovo übernahm Deutschland zum 01.09.2006 die Führung der KFOR. Offiziell heißt es :„In Afghanistan leisten unsere beiden Länder einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der Sicherheit und Wiederaufbau des Landes, Frankreich insbesondere in der Region Kabul und Deutschland insbesondere in der Region Nord“. Darüber hinaus werden Deutschland und Frankreich Ende 2007 eine gemeinsame Übung (CME-CMX) für eine EU Operation mit Rückgriff auf die Nato-Kapazitäten durchführen.
Um die logistische Durchhaltefähigkeit von 30 Tagen, eine der bereits genannten Anforderungen an die D/F-Brigade aufrecht erhalten zu können, wurde im Standort Müllheim ein eigener Deutsch-Französischer Versorgungsbataillon eingerichtet. Dies entspricht ganz der Ausrichtung dieses Verbandes, so rasch wie möglich und mittels eigens dafür geschaffenen Strukturen weltweit interventionsfähig zu sein. Dem Besten verpflichtet eben, wie das Leitmotiv der D/F-Brigade lautet. Das „Beste“ bezieht sich dabei ohne Frage auf die bestmögliche Kriegstauglichkeit.
Wahrlich liebe Freundinnen und Freunde kein Aushängeschild für die viel beschworene deutsch-französische Freundschaft und ich zitiere Ralph J. Bunche (Friedensnobelpreisträger von 1950) „Es gibt keine kriegslüsternen Völker. Es gibt nur kriegslüsterne Führer“.
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Tornados sind in Afghanistan. Doch über die Frage, ob solch ein Einsatz zulässig ist, wird das Bundesverfassungsgericht am 18. April mündlich verhandeln. Die Kläger haben durchaus noch Aussicht auf Erfolg. Zumindest legt dies der Gliederungs- und Fragekatalog des Gerichts nahe: Die Verfassungshüter wollen unter anderem klären, ob Bundeskanzlerin Merkel (CDU) auf dem Nato-Gipfel in Riga im November den regionalen Verteidigungsaspekt zugunsten einer globalen Komponente aufgegeben hat – unter Umgehung der Rechte des Parlaments.
Karlsruhe muss nun prüfen, ob für den Tornado Einsatz statt einer einfachen Mehrheit ein eigenes Gesetz notwendig gewesen wäre, weil die Entsendung der Flugzeuge über die Grundlagen des Nato-Vertrages hinausgeht. Selbst das neue strategische Konzept der Nato von 1999 regelt nur die Verteidigung der euro-atlantischen Region. Diese regionale Konstante ist laut dem Kläger mit dem Einsatz in Afghanistan entfallen.
Liebe Freundinnen und Freunde
Meist ist der Kampf gegen “Terrorismus” ohnehin nur Vorwand zur Durchsetzung politischer und militärischer Interessen der westlichen Staaten. Im Streben nach vollständiger Kontrolle über den Nahen- u. Mittleren Osten, der für die zukünftige Rohstoffversorgung von zentraler Bedeutung ist, wurden Afghanistan und Irak angegriffen und besetzt. In beiden Ländern eskaliert die Gewalt.
In Afghanistan sind die Verhältnisse gleichfalls katastrophal. Weder in Afghanistan noch im Irak können die Besatzungstruppen einen Beitrag zum Frieden leisten, sondern sind im Gegenteil Hauptursache für die eskalierende Gewalt. Erst ihr Rückzug ermöglicht Auswege aus dem angerichteten Desaster.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Auf die Kritik von Claudia Roth (Die Grünen) an den Ostermärschen antworte ich mit einem Zitat von Bruce Lee: „Wenn Ihr kritisiert werdet, dann müsst Ihr irgendetwas richtig gemacht haben. Denn man greift nur diejenigen an, die den Ball haben.“
Mit ihrer Kritik ist Claudia Roth ihrer eigenen Basis in den Rücken gefallen. Diese Basis ist maßgeblich an den jahrzehntenlangen Ostermärschen beteiligt.
Eine Parteiführung wie die der Grünen, die um Ihre Koalitionsfähigkeit zu beweisen, nahezu allem zustimmt insbesondere dem am 9. März beschlossenen Tornadoeinsatz, steht eine derartige Kritik nicht zu.
Zumal aller glaubhaften Meinungsumfragen in der Bevölkerung gezeigt hatten, dass 60 –70 Prozent der Bevölkerung gegen diesen Tornado Einsatz waren. Ich gehe noch weiter – denn nach Anwendung des neuen Antiterrorgesetzes müssten Merkel, Bush und Co., inklusive Claudia Roth wegen Verletzung gerade dieses Gesetzes vor Gericht gestellt werden. Und ich zitiere Oskar Lafontaine:“ Die für die Bundeswehreinsätze stimmenden Politiker sagen sie kämpfen alle gegen den internationalen Terrorismus. Sie haben uns aber bisher die Pflicht geschenkt zu sagen, was eigentlich Terrorismus ist. Wie kann man gegen irgendetwas kämpfen, von dem man noch nicht einmal in der Lage ist zu sagen, was es denn eigentlich ist? Und wenn sie sich der Mühe unterziehen würden zu sagen, was denn Terrorismus ist, dann würden sie sehr schnell mit der Tatsache konfrontiert, dass Ihr eigenes Handeln oft ganz in der Nähe, wenn nicht direkt terroristisches Handeln ist. Ich will keine umfassende Definition des Terrorismus hier vortragen, das wäre sicherlich vermessen, aber für mich ist ein Kernelement folgender Gedanke: Terrorismus ist immer das Töten unschuldiger Menschen, um politische Ziele zu erreichen. Das gilt aber nicht nur für einen Teil dieser Welt, das gilt für die ganze Welt – und wenn wir beispielsweise Kriege führen, in denen viele unschuldige Menschen ums Leben kommen, dann ist das Staatsterrorismus. Das muss in aller Klarheit gesagt werden.“
Liebe Freundinnen und Freunde,
in diesen Tagen durfte ich erleben dass die tot geschriebene Friedensbewegung lebt, ja erstarkt von sich reden macht. Ich bin Stolz einen kleinen Beitrag leisten zu dürfen und wünsche uns noch einen friedlichen Ostermontag – Danke für Eure Aufmerksamkeit