Pressebericht - in: Schwäbisches Tagbaltt, 3.3.2006

Sie reden vom Frieden

Die Tübinger "Informationsstelle Militarisierung" feiert im Sudhaus ihr zehnjähriges Bestehen

von: Pressebericht / Schwäbisches Tagblatt (bei) | Veröffentlicht am: 3. März 2006

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TÜBINGEN (bei). Mit Sektempfang, Vortrag und Theater begeht die Informationsstelle Militarisierung (IMI) ihr Zehnjähriges. Besonders gefragt ist der Tübinger Verein immer dann, wenn ein Krieg mit deutscher Verwicklung droht.

Propheten des Unheils wollen die Mitarbeiter der Informationsstelle Militarisierung nicht sein. Die Aktivisten aus der Friedensbewegung liegen mit ihrer Lageeinschätzung aber oft richtig. Am 20. März 1996 schlossen sie sich zusammen. Anlass war die Gründung der Elitesoldaten-Truppe Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw am gleichen Tag. 1998 stellten sie ihren ersten Kongress unter das Motto „Sie reden vom Frieden und planen den Krieg“. 1999 beteiligte sich die Bundeswehr zum ersten mal direkt an einer kriegerischen Auseinandersetzung.

Für Tobias Pflüger – als Europa-Abgeordneter auf der Liste der Linkspartei prominentester Tübinger Mitarbeiter – lesen sich auch die jüngsten Berichte der New York Times über die BND-Verstrickungen „fast wie die ersten Analysen, die wir über die deutsche Beteiligung am Irak-Krieg geschrieben haben“. Auch den drohenden Feldzug gegen den Iran bekommt die IMI zu spüren. Sicheres Anzeichen ist die Nachfrage nach der Internetseite des Vereins (https://www.imi-online.de). Die steigt gerade wieder. Im Februar gab es 300.000 Seitenbesuche).

Weites Netz geknüpft

Die sechs Leute, die das Büro im Sudhaus umtreiben, machen aber keine Kriegsvorhersagen. Bildungsarbeit ist das Ziel, sagt Claudia Haydt, eine der Beteiligten. Die IMI habe da durchaus eine bundesdeutsche Rolle: „Da gibt es fast niemand anderes.“ Neben den Tübingern hat die IMI nämlich ein ganzes Netz von Expert(inn)en. Gut 15 davon aus der Region zwischen Karlsruhe und Schorndorf treffen sich monatlich in Tübingen. Noch mal gut 25 sind über die ganze Republik verteilt. Dazu gehören eine Göttinger Ärztin als Spezialistin für die Verbindung zum Krankenwesen der Bundeswehr oder auch Kenner des Bundeswehr-Rüstungsprogramms aus Hamburg.

Schwerpunkt der IMI-Arbeit ist die Bundeswehr und ihre Entwicklung. Anfragen dazu kommen von Parlamentariern oder Schulbuch-Verlagen. Das Interesse der IMI-Autoren geht aber weiter. Das Buch „Globalisierung und Krieg“ oder die Analyse der EU-Verfassung verkaufen sich gut. Besonders lieb sind den Friedensaktivisten gelungene Einflussnahmen etwa gegen die EU-Verfassung. Die hätte ihrer Einschätzung nach eine zunehmende Militarisierung der Bundesrepublik bedeutet. Das Grundgesetz verbiete immerhin noch die Vorbereitung eines Angriffskrieges, nach IMI-Lektüre der EU-Verfassung würde das Militär zum legitimen Mittel der Außenpolitik. Aus Tübingen kam eine der „analytischen Unterfütterungen“, die zur Ablehnung der Verfassung führten, glaubt Andreas Seifert.

Für gleiche Standards

Ob jemand auf die Tübinger Aktivisten hört, um einen Krieg gegen den Iran abzubiegen? Deeskalierend würde eine Nichtangriffsgarantie gegenüber der iranischen Regierung wirken, meint Jürgen Wagner. „Wenn es darum gehen würde, den Krieg zu verhindern, hätte man das Problem damit vom Tisch.“ Zudem könne eine Debatte über den Inhalt des Atomwaffen-Sperrvertrages helfen. Es sei wohl nicht ganz im Bewusstsein, dass Deutschland mit dem Forschungsreaktor im bayrischen Garching auch waffenfähiges Uran anreichern könne. Solche doppelten Standards möchte das IMI öffentlich machen.

Kampfeslustig feiern

Zum zehnjährigen Bestehen gibt es eine kleine Verschnaufpause an der friedenspolitischen Front. Am Sonntag wird im Sudhaus gefeiert. PD Dr. Johannes Becker vom Koordinations-Zentrum für Konflikt-Forschung in Marburg hält – nach einem Sektempfang um 16h – einen Vortrag über „Weltweite Kriege und antimilitaristische Optionen“. Um 20h zeigt das Frankfurter Günes-Theater sein Stück „Krieger“. Im Mittelpunkt stehen – die KSK lässt grüßen – versprengte Kämpfer einer Spezialeinheit. Mit „wir feiern und sind kampfeslustig“, umreißt Claudia Haydt das Programm.

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