IMI-Standpunkt 2005/028

Redebeitrag zu EURATOM und EU-Verfassung auf der Demo in Obrigheim am 24. April 2005

von Markus Pflüger *, Initiative für Atomausstieg Trier

von: Markus Pflüger | Veröffentlicht am: 28. April 2005

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Liebe Atomkraftgegnerinnen und Atomkraftgegner,

Viele glauben der rot-grünen Selbstbeweihräucherung, sie glauben der Atomkonsens sei ein Ausstieg, sie glauben Deutschland steige langsam aus der Atomenergie aus. Dass dieser Atomkonsens eine inakzeptable Weiter¬betriebs¬garantie ist, wurde schon ausführlich erläutert.
Ein Aspekt der oft vergessen wird, der jetzt aber besondere Bedeutung gewinnt, ist Europa. Deswegen geht es in diesem Redebeitrag um Europa und darum wie die rot-grüne Bundesregierung neue europäische AKW’s mitfinanziert und es scheinbar niemand merkt und es geht um das für AtomkraftgegnerInnen nach dieser Rede hoffentlich selbstverständliche Nein zu DIESER EU- Verfassung.

Der EURATOM-Vertrag wurde 1957 von damals sechs Ländern unterzeichnet. Diese Europäische Atomgemeinschaft fördert seit dem die Entwicklung der Atomenergie in den Mitgliedsstaaten mit Investitionen und Krediten in Milliardenhöhe, mit Steuererleichterungen, Forschungsprogrammen und der Sicherstellung mit Uranerz und Kernbrennstoffen.

In den letzten 50 Jahren flossen etwa 90 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Energiebereich der OECD-Länder in die Atomenergie. Weltweit wurden über 1.000 Milliarden Dollar für die Subventionierung der Atomenergie ausgegeben. Trotz dieser gigantischen Summen ist die Atomenergie immer noch auf staatliche Unterstützungen angewiesen. Weiterhin erhält die Atom¬energie Unterstützung für Forschung und Entwicklung. Die Atomenergie erhält weiterhin Vorteile bei der Steuer durch überhöhte Rückstellungen, durch fehlende Brennstäbe-Besteuerung sowie durch fehlende Haftpflichtversicherung – von den externen Kosten und den Folgekosten für kommende Generationen mal abgesehen.

Die EU Finanzminister haben am 12.04.2005 den zukünftigen EU Finanzhaushalt diskutiert. Deutsch¬land zahlt aktuell 20 Milliarden Euro in den EU Haushalt. Bis 2011 sollen es 40 Milliarden Euro sein. Konkret wurde auch der neue Rahmen für die Gelder für Atomenergieforschung im Rahmen des EURATOM-Vertrages neu abgesteckt:
• Die Gelder für die Atom-Fusionsforschung sollen von 824 auf 2167 Mio. EURO steigen
• Für Atomspaltung, Endlager und Strahlenschutzforschung von 209 auf 395 Mio. EURO und
• Für die atomaren Joint Research Forschungszentren von 319 auf 541 Mio. EURO
Die Atomforschungsmittel sollen also insgesamt von 1352 Mio. Euro auf 3103 Mio. EURO steigen.
Eine Steigerung von über 200 % mehr EURATOM-Forschungsgelder für die Atomenergie. Davon zahlt Deutschland fast ein Viertel.

Der EURATOM bringt auch nicht mehr Sicherheit wie manche behaupten: ein Beispiel aus dem Jahre 2003: die Polizei entdeckte im niederländischen AKW Petten wie radioaktives Material ungeschützt bei Gasflaschen herumlag – doch diese Missstände wurden nicht strafrechtlich verfolgt – die EU-Kommission intervenierte um das zu verhindern: der Reaktor werde von der EURATOM-Behörde betrieben, die Mitarbeiter genießen daher strafrechtliche Immunität. Was ist von einer Pro-Atom-EU-Kommission auch anderes zu erwarten? Die für Sicherheit zuständigen EURATOM-Institutionen wurden dazu geschaffen die Sicherheits- und Strahlenbelastungskriterien den Interessen der Atomindustrie anzupassen.

Im Rahmen des EURATOM-Programms werden auch Neubauten außerhalb der EU unterstützt z.B. im Jahre 2000 wurden 585 Mio US-Dollar Kredit für zwei Atomkraftwerke in der Ukraine in Aussicht gestellt. In Bulgarien sollen 6 Atomkraftwerke die aufgrund von Protesten nicht fertig gestellt wurden mit EURATOM-Fördermitteln nächstes Jahr fertiggestellt werden und doch noch in Betrieb gehen. Dank EURATOM.

In Europa selbst sind ebenfalls neue Atomkraftwerke in Planung: der Europäische Druck¬wasser-Reaktor EPR als europäisches Modell für AKW-Neubauten und den Export auch in die Dritte Welt soll der EPR von der deutschen Firma Siemens und dem französichen Konzern Framatom die nächsten Jahre in Frankreich und Finnland gebaut werden.

Und dann wird hier über die längst überfällige Abschaltung eines Schrottreaktors gejubelt – nein da könnte man kotzen. Obrigheim abschalten und neue AKW’S in anderen Ländern unterstützen – Danke Rot-Grün, Dan

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ke EU.

Noch einige Worte zum EU-Verfassungsvertrag der jetzt in den einzelnen Ländern ratifiziert werden soll und mit dem auch der EURATOM-Vertrag seine Gültigkeit behalten soll. Nur in wenigen Ländern dürfen die BürgerInnen direkt darüber abstimmen. In Deutschland wird der EU-Verfassungsvertrag vom Bundestag am 12.5. und vom Bundesrat am 27.5. durchgewunken. In Frankreich dagegen ist am 29.5. ein Referendum – und die Chancen für ein NON stehen gut. Attac und ein Kampagne aus der Friedensbewegung unterstützen das französische NON.

Warum Nein zu dieser EU-Verfassung?
Ich will die wichtigsten Punkte nennen – und um es vorweg zu nehmen: dieses Nein ist ein Ja zu einem anderen Europa. So beginnt auch heute die erste Aktionswoche der Kampagne gegen die Ratifizierungen DIESER EU-Verfassung – für ein ziviles, solidarisches, demokratisches und ökologisches Europa ohne Atomenergie – nächsten Samstag am 30.4. sind bundesweit Gruppen aufgerufen aus dieser Verfassung die kritisierten Stellen vorzulesen:
Also Zitate aus der Verfassung
• zur Aufrüstungsverpflichtung für die EU-Länder,
• zur Ermächtigung zu weltweiten Kriegseinsätzen,
• zur Stärkung eines militärischen Führungszirkels mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien
• zur militärische Beistandsverpflichtung und die Präventivkriegsoption
• zur Privatisierung öffentlicher Dienste
• zur Opferung der Ökologie für den Profit
• zur Fortsetzung der Privilegierung der Atomenergie
• und dazu dass der Neoliberalismus Verfassungsrang erhalten soll.

Neben Punkten wie der Aufrüstungs der EU-Militärmacht mit weltweiten Kriegs¬einsätzen kritisieren wir heute besonders die Fortsetzung der Privilegierung der Atom¬energie durch den weiterhin gültigen EURATOM-Vertrag. Statt diesen unzeit¬gemäßen Pro-Atomkraft-Vertrag endlich aufzuheben wird er durch diese Verfassung sogar noch mal bekräftigt: weiterhin sollen Millionen Euro Steuergelder für Forschung und Neubau-Subventionen missbraucht werden – obwohl nur eine Minderheit der EU-Länder weiterhin auf diese Risiko¬technologie setzt und dabei ein unlösbares Atommüllproblem hinterlässt. Von 25 EU-Ländern, betreiben 13 Atomkraftwerke, drei davon wollen aussteigen.
Unfälle wie in Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986 oder Tokaimura 2001 sowie Gefahren wie Uranmunition und die Verbreitung von Atomwaffen bei zunehmendem Terrorismus zeigen wie anachronistisch und verantwortungslos die weitere Förderung der Atomenergie ist.
Kritik an dieser EU-Verfassung und dem im Anhang weiter gültigen EURATOM-Vertrag ist also drin¬gend notwendig: „Die EU-Verfassung ist militaristisch, undemokratisch und neoliberal – Ökologie wird dem Profit geopfert, und mit dem angehängten weitergültigen EURATOM-Vertrag Atomkraft weiter¬hin gefördert – wir wollen aber ein anderes Europa ohne Atomkraft, wir wollen Eurenew statt Euratom

Unser Kampf für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen geht also weiter und dazu gehört aktuell auch: Nein zum EURATOM-Vertrag und damit Nein zu DIESER EU-Verfassung!
Wer Ja zu DIESER Verfassung sagt, sagt Ja zum weiteren Ausbau der Atomenergie,
Ja zur Verfassung heißt Ja zu Millionen Subventionen für die Atomindustrie und die Atomforschung
Ja zur EU-Verfassung heißt Ja zum EPR, dem neuen europäischen Druck¬wasserreaktor von Framatom und Siemens

Was kann jede und jeder konkret tun?
1. Siemensprodukte solange boykottieren bis Siemens statt neue Reaktoren zu bauen aus dem Atomgeschäft aussteigt
2. Zu einem Ökostromanbieter wechseln und damit keinen Cent mehr für die Atomindustrie
3. Noch bis 26. April die Europäische Petition für den Atomausstieg unterschreiben: z.B. unter www.atomstopp.at
4. Über den neoliberalen und undemokratischen Charakter dieser EU-Verfassung mit ange¬häng¬tem EURATOM-Vertrag aufklären und v.a. frz. FreundInnen überzeugen: Gebt mit Eurem Nein auch uns in Deutschland eine Stimme und sagt NON!“ (Infos unter www.eu-verfassung.com)

Nein, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer –
Und das rot-grüne Geschwalle noch keinen Ausstieg!
Danke

* Markus Pflüger ist zugleich Beirat der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

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