IMI-Analyse 2005/008 - in: AUSDRUCK - Das IMI-Magazin (April 2005)

Der (Alp-)Traum von der Großraumpolitik – das Europa der NPD


von: Michael Banholzer | Veröffentlicht am: 1. April 2005

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Wer erinnert sich nicht an jene Tage im März 2003, den Tagen der ersten Bombardements des US-amerikanischen Militärkolosses gegen Ziele im Irak? Und wer entsinnt sich nicht der in nahezu aller Welt breiten gesellschaftlichen Unterstützung für Protestkundgebungen gegen diesen Akt der Aggression?
Mithin erinnert sich auch der eine oder andere an unliebsame Mit-Demonstranten; an jene, welche mit martialischem Auftreten und unter schwarz-weiß-roten Fahnen lautstark den angelsächsischen Imperialismus und Kapitalismus geißelten – die Rede ist natürlich von den Fußtruppen der NPD. Mit national gewendeten Parolen der politischen Linken und mit einem an die schlechte alte Zeit erinnernden Boykottaufruf „Kauft nicht bei Kriegstreibern“ bot sich hier den Rechtsextremisten die Gelegenheit, sich gegenüber dem „Establishment“ – einer kriegseuphorischen CDU und einer diplomatisch-kriegsunwilligen, aber den USA in Deutschland militärische Bewegungsfreiheit zugestehenden rot-grünen Bundesregierung – als die radikalste Kriegsgegnerpartei abzuheben.
Der Illusion, man könnte es hierbei mit einem tatsächlichen, rechten Pazifismus zu tun haben, geht dabei freilich kaum einer auf den Leim. Dennoch lohnt es sich, die zumindest offiziell vertretenen Positionen der Partei in Hinblick auf Welt-, Sicherheits- und Europapolitik genauer unter die Lupe zu nehmen, denn während die anderen bedeutenden Parteien des rechtsextremen Spektrums wie die REPublikaner und die DVU hier in den letzten Jahren nur wenig mehr als populistische Allgemeinplätze zu bieten haben, versucht die NPD zunehmend, ihre Weltanschauung als intellektuell anspruchsvolles, konsistentes und theoretisch fundiertes Programm zu präsentieren. Mit der viel zitierten „Neuen Rechten“ teilt man zwar hierbei oftmals die Gedankengeber wie Carl Schmitt und Oswald Spengler, jedoch bemüht man sich viel mehr als bisher deren Theorien für die praktische Politik fruchtbar zu machen.
Für die Ideologie der NPD bleibt der Archimedische Punkt die Vorstellung einer ethnisch und kulturell homogenen Nation, dem „Volksstaat“. Die Krisen der (post-)modernen Zeit entsprängen der von den internationalistischen und universalistischen Ideologien (also Marxismus, Kapitalismus, Liberalismus, Christentum, usw. …) betriebenen Durchmischung der „evolutionär gewachsenen“ Völker und damit einhergehend mit einem schwindenden Bewusstsein für die eigene Identität: die Folge seien Anomie, Dekadenz, Drogenmissbrauch und Kriminalität.
Als Lösung wird der sog. Ethnopluralismus propagiert, welcher kaum mehr als ein vermeintlich wertungsfreier Rassismus ist. Denn es wird zwar nicht offen die Überlegenheit einer Kultur oder einer Rasse über eine andere behauptet, dennoch bleibt die Ideologie der strikten Rassentrennung unter dem Deckmäntelchen der zu konservierenden kulturellen Pluralität erhalten (Carl Schmitt: „Die Welt ist ein Pluriversum, kein Universum“[1]). Angesichts dessen ergeben sich für die bereits bestehenden Nationen, wie z.B. in Europa, recht unterschiedliche Forderungen: Regionalisierung bzw. Unterstützung für separatistische Bestrebungen von „zwangsweise“ zu Nationen zusammengefassten Ethnien wie etwa den Basken in Spanien einerseits, die Forderung nach einer Art „Wiedervereinigung“ von der gleichen Ethnie angehörigen Völkern unterschiedlicher Staaten, so im Falle Deutschland und Österreich, andererseits. „Es gibt eben Staaten, die sich noch vergrößern beziehungsweise zusammenfassen lassen – denken Sie an die Reichszerteilungsstaaten BRD, DDR und Österreich – und solche, die sich verkleinern lassen: die Sowjetunion, Jugoslawien, die Tschechoslowakei in der Vergangenheit und Frankreich, Belgien, Spanien, Großbritannien, die USA und Kanada in der Zukunft.“[2]
Jedem dieser angeblich homogenen Völker steht somit sein eigener Staat zu. Doch ein Staat ist in der Weltsicht der NPD nur mit voller Souveränität denkbar, damit ein Volk (als Subjekt) uneingeschränkt mit den anderen Völkern in Interaktion treten kann und nicht „fremdbestimmt“ ist. Entsprechend können Nationalisten schwerlich eine Einschränkung staatlicher Souveränität zulassen, sei es in Form von suprastaatlichen Kompetenzverlagerungen wie im Falle der EU, oder in einer die eigene Befehlsgewalt schmälernden Militärorganisation (multinationale Korps).[3] „Demzufolge ist ein staatähnliches Gebilde, das keine nationalstaatliche Souveränität kennt, also beispielsweise über keine Befehlsgewalt über die eigenen Streitkräfte, kein eigenes Grenzregime und über keine eigene Währung verfügt, kein Staat. Deshalb handelt es sich […] bei der BRD um eine reine Besatzungsorganisation […].“[4] Von daher versteht sich die unter der extremen Rechten verbreitete Forderung nach einem

„Europa der Nationen“

oder einem „Europa der Vaterländer“, was vielmehr einem vergleichsweise lockeren Staatenbund als einem Bundesstaat gleicht und in welchem die Staaten ihre volle Souveränität im Sinne der oben benannten Kriterien behalten sollen. Allenfalls in einigen wenigen grenzüberschreitenden Politikfeldern wie dem Umweltschutz, der inneren Sicherheit oder der Bevölkerungspolitik sind demnach überstaatliche Regelungen vorstellbar. Die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ wird als Wunschdenken abgelehnt, da es einen gemeinsamen Willen der unterschiedlichen Völker Europas nicht geben könne (wohl aber offenbar einen gemeinsamen Willen innerhalb eines Volkes!!)
Auf die Frage, welche Staaten denn überhaupt zu diesem Europäischen Bund gehören sollen und dürfen, wird stammesgeschichtlich geantwortet: Europäer sind ethnisch gesehen von „weißer Hautfarbe […und…] griechischer, romanischer, germanischer, keltischer und slawischer Herkunft“[5], was ausdrücklich Russland mitein-, die Türkei dagegen selbstredend ausschließt. Gern wird dabei mit Hinweis auf die Philosophen und Denker von der Antike bis zur Neuzeit die Idee des Staates selbst zur ausschließlichen Kulturleistung der europäischen Völker erhoben, was, wie explizit gesagt wird, bedeutet, dass die restliche Welt lediglich diese europäische Errungenschaft zu imitieren versuche. Das Bewusstsein für diese hervorgehobene Stellung der europäischen Kultur(en) sei in der jüngsten Vergangenheit (nach 1945) durch „außereuropäische, vor allem US-amerikanische ‚Werte‘, die den geistigen, kulturellen und vor allem biologischen Bestand der europäischen Völker zunehmend gefährden,“[6] verdrängt worden. Dazu zählt auch, wenn auch teilweise zeitlich weiter in die Vergangenheit zurückreichend, der Wandel des europäischen Staatsverständnisses hin zum Minimalstaat anglo-amerikanischen Vorbildes, welcher nicht mehr für das Wohl des gesamten Volkes sorgen, sondern lediglich den Schutz des Privateigentums und der wirtschaftlichen Interessen des Bürgertums garantieren soll.
Den Implikationen dieses liberalen Staats- und Wirtschaftsbegriffes wie Arbeitsmigration, Kapitalflucht, dauerhafte Lohndrückung und Abbau sozialer Versorgungsnetze soll die „raumorientierte Volkswirtschaft“ entgegengesetzt werden, eine auf Autarkie ausgerichtete, protektionistische und wohlfahrtsstaatliche Ökonomie, welche das Primat der Politik wieder herstellen soll. Zu den Grenzen für das Kapital gesellen sich dabei die Grenzen für die Arbeitnehmer: die Forderung nach der „Erhaltung geschlossener Siedlungsräume und der dort gepflegten Kultur, Sprache und Identität“[7] dient einmal zur Verhinderung unliebsamer Vermischungen der „homogenen Völker“ durch Arbeitsmigranten und zum andern dazu, das Aufkommen internationalistisch orientierter Arbeiterorganisationen im Keim zu ersticken.

Globalisierung

Das national strukturierte Europa muss als Gegenentwurf zu einem in immer fortschreitenderem Maße globalisierten Wirtschaftssystem gesehen werden: Europaentwurf und Globalisierungskritik der NPD sind nicht gänzlich voneinander trennbar. Ähnlich der globalisierungskritischen Bewegung der politischen Linken wird der Verlust staatlicher Handlungsspielräume durch scheinbar naturgesetzliche Marktliberalisierungen und verschärften weltweiten Wettbewerb bemängelt, der Schluss der daraus gezogen wird ist jedoch ein völlig anderer. Denn während die Linke in erster Linie die Art und Weise der Globalisierung kritisiert, so wird auf der Rechten prinzipiell jede Form überstaatlicher Verregelung als Bedrohung für die eigene Identität perzipiert, als Verlust der Selbstbestimmung und der Souveränität. Als Initiator und Profiteur dieser Bedrohung wird letztlich „die Ostküste“ – sprich das System der USA gesehen, welches der gesamten Welt seinen Stempel aufzudrücken versucht. Eine Bestätigung ihres Weltbildes erhalten die Rechtsextremisten noch durch den Charakter der USA als klassisches Einwanderungsland sowie als Schmelztiegel der Nationen, was bisweilen in Anflügen nationalistischer Fieberschübe auch als Grund für das in Kürze bevorstehende Ende der US-Hegemonie gewertet wird und glühende Hasstiraden auf sich zieht: „Amerika ist der Abfall von Europa, versetzt mit Nomaden.“[8] Auch bricht sich hier nebenbei wieder der alte Judenhass seine Bahn, denn wer die Ostküste personifiziert und wer dafür sorgt, dass außer den USA angeblich nur noch das „Kolonialexperiment“[9] Israel tun und lassen kann, was es will (in nationalen Kreisen gelten diese beiden Länder als die zur Zeit einzigen souveränen Staaten auf der Welt) braucht nicht erst lange debattiert zu werden – es ist der Shylock, der ewige Jude eben.
So vehement die Idee des Multikulturalismus als ein Nebeneinander der Kulturen innerstaatlich abgelehnt, bzw. als Gefahr für das Überleben bekämpft wird, da es die Einheit des Volkes zu unterminieren drohe, so entschieden wird selbiges Prinzip in der internationalen Staatenwelt als „Nichteinmischung“ verfochten. Entsprechend dem Schmitt’schen Politikbegriff von Freund und Feind als identitätsstiftendem Antagonismus aller politischen Einheiten kann es „die Menschheit“ nicht geben, da dieser umfassende Begriff kein äußeres Feindbild mehr zulässt, was zu internen Konflikten, also Bürgerkriegen führen müsse. Die Welt muss demnach zwingend in mehrere abgegrenzte, durchaus auch einander feindlich eingestellte Kulturen oder Kulturkreise unterteilt sein. Hieraus ergibt sich die Politik der

Großraumordnung

Unter einem Großraum wird dabei, wie im Falle Europas, ein Gebiet aus historisch, ethnisch und kulturell miteinander verwandten Nationen verstanden, welche sich (unter weitestgehender Beibehaltung der eigenen Souveränität versteht sich) zu einem Bund zusammenschließen, „um gemeinsam gegenüber Machtansprüchen anderer Großräume bestehen zu können.“[10]
Nur scheinbar handelt es sich jedoch dabei um einen Zusammenschluss gleichwertiger Partner. Vielmehr werden die Großräume im Sinne Carl Schmitts als exklusive Einflusszone eines regionalen Hegemons, eines Reiches betrachtet. „Reiche in diesem Sinne sind die führenden und tragenden Mächte, deren politische Idee in einen bestimmten Großraum ausstrahlt und die für diesen Großraum die Interventionen fremdräumiger Mächte grundsätzlich ausschließen.“[11] Dem amerikanischen Großraum, wie er sich aus der Monroe-Doktrin ergibt, sowie der Wilson’schen Interventionspolitik sollte danach ein in etwa entsprechender deutscher Großraum entgegengestellt werden.[12] Mit bekannten Folgen. Letztlich soll so die gesamte Welt unter den Reichen mit ihren entsprechenden Großräumen „sinnvoll“ aufgeteilt werden. Wie dabei renitente Kleinstaaten dazu bewegt werden sollen, sich von dem entsprechenden Reich ihres Großraumes dominieren zu lassen, ist niemals Gegenstand der Debatte; es scheint die Vorstellung zu herrschen, eine jede Nation werde sich einsichtig zeigen und erkennen, dass die Großraumordnung auch in ihrem ureigensten Interesse sei.
Natürlich ist es auch keine Frage, dass im heutigen Europa der Nationalen Deutschland als bevölkerungsreichstem und flächenmäßig größtem Land (es wird ja von einem groß-deutschen Reich ausgegangen) die bedeutende Rolle des starken, hegemonialen Zentrums zukommen soll, wenngleich auch Frankreich und Russland nicht gänzlich marginalisiert oder zu Einflusslosigkeit verdammt werden und noch zur neuen Achsenbildung Paris-Berlin-Moskau herhalten dürfen. Von Großbritannien dagegen wird angesichts der engen Bindung an die USA eine klare Entscheidung für die eine oder andere Seite verlangt.
Als raumfremde Kontrahenten, deren Einmischung in Europa sich verbietet nennt, das NPD-Programm natürlich in erster Linie die USA und Israel, aber auch die Türkei als Exponent der islamischen Welt (des islamischen Großraumes?). Den Einfluss der Vereinigten Staaten, welche praktisch weltweit, also in allen potenziellen Großräumen präsent sind, gelte es, so die NPD, auf den amerikanischen Kontinent zurück zu drängen. Die Unterstützung, welche man daher sämtlichen vom US-Imperialismus bedrängten Nationen der Welt zukommen lassen möchte, solle jedoch keineswegs bedeuten, an die Stelle des amerikanischen einen europäischen Imperialismus zu setzen. Vielmehr wolle man Hilfe zur Selbsthilfe leisten, um den unterdrückten Nationen eine selbstbestimmte Existenz zu ermöglichen.
Der Begriff „Festung Europa“ wird damit in ganz andere Dimensionen gehoben und bezeichnet nicht mehr nur die Abschottung des Kontinentes gegen unerwünschte Migrationsströme, sondern lässt nunmehr drei Ebenen erkennen: die wirtschaftliche, die kulturelle und die militärische Ebene. Ersteres umfasst im Wesentlichen die bereits genannte „raumorientierte Volkswirtschaft“ europäischen Ausmaßes, welche einen durch Schutzzölle abgeschirmten gemeinsamen Wirtschaftsraum darstellt. Zweiteres besteht in der Wahrung regionaler Besonderheiten und Charakteristiken der europäischen Völker, sei es Sprache, Tradition oder ähnliches, sowie in der Verhinderung eines von außen herbeigeführten diesbezüglichen Wandels durch Migration („Überfremdung“) oder Kulturimperialismus („Amerikanisierung“). Drittes wird tituliert als

Europäischer Verteidigungspakt (EVP)

welchem sämtliche Mitglieder des europäischen Bundes angehören sollen. Dieser Pakt stellt die materielle Basis und den Rückhalt für „den Schutz gemeinsamer Lebensinteressen“[13] sowie für die Durchsetzung des Interventionsverbotes für Raumfremdlinge dar. Und da er in erster Linie gegen die USA gerichtet ist, ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass damit die „proamerikanische und somit europafeindliche NATO“[14] zu Grabe getragen und ersetzt werden soll.
Obgleich die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft (sowohl im europäischen Bund als auch im EVP) betont wird, bleibt jedoch unklar, wie denn überhaupt abweichendes Verhalten möglich sein soll, denn nehmen wir beispielsweise an, aus bekannten Gründen wäre Polen der Idee einer großdeutschen Hegemonialmacht nicht besonders zugeneigt und würde sich mit den USA (und eventuell Großbritannien) verbünden … müsste dieses Deutschland nicht bestrebt sein, diesen bedrohlichen, US-freundlichen Fremdkörper inmitten des eigenen Großraumes zu eliminieren? Wäre dies nicht bereits eine (indirekte) Einmischung der USA in innereuropäische und sie deshalb nichts angehende Belange? Man fühlt sich unweigerlich an die Kuba-Krise erinnert und erkennt, dass die europäischen Nationen wenig Wahl haben: entweder sie schließen sich „freiwillig“ dem Großraum Europa an oder müssten sich, völlig umzingelt, in einer Umwelt voller Feinde und auf dem Bedrohungsniveau des Kalten Krieges zurechtfinden.
Die Begeisterung für militaristisches Denken in der NPD tritt besonders in diesem Sicherheits- und Verteidigungskonzept klar zu Tage. Bei Phrasen wie „Die Streitkräfte müssen in der Lage sein, der politischen Führung eigenständiges Handeln zu ermöglichen, wenn substanzielle nationale Interessen bedroht sind“[15] und „Krieg ist Sache des Volkes […] Die nationalen deutschen Streitkräfte haben in der Funktion einer ‚Schule der Nation‘ die heranwachsenden jungen Menschen zu prägen und ihnen die Werte einer völkischen Neuordnung souveräner Nationalstaaten zu vermitteln“[16] blitzen die Monokel in altem Glanz und mottenzerfressene Monturen werden wieder entstaubt. Militär und Offizierskaste sollen offensichtlich auch im zivilen Leben wieder zum tugendhaften Ideal werden. „Der Soldat und das Volk müssen wieder Vertrauen in die politische und militärische Führung gewinnen und davon überzeugt sein, daß diese sie niemals für fremde Macht- und Wirtschaftsinteressen verheizen.“[17] Natürlich sollen Soldaten nur in ihrem eigenen Interessen „verheizt“ werden, also nicht als bezahlte Söldner ohne Überzeugung, sondern als nationale Glaubenskrieger im Namen ihrer Großraumidee von Europa. Welches Vorbild dabei in nationalen Köpfen spukt, fasst der ehemalige REPublikaner-Mitbegründer und -Vorsitzende Franz Schönhuber im Interview mit der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ in Worte: „Die Waffen-SS war die erste europäische Armee auf freiwilliger Basis […und kämpfte] nicht für Deutschland, sondern für ein vereintes Europa.“[18] Wie damals gegen den Bolschewismus, so also heute gegen die USA und den Islam.
Zu all dem passt ebenso die Forderung nach einem deutschen Generalstab, wie auch die geplante Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrates, als den für Militäreinsätze entscheidendsten Gremien. Beides erscheint im Rahmen des EVP noch einmal auf europäischer Großraumebene, wobei abermals betont wird, dass der Pakt inter- und nicht supranational strukturiert ist, um die nationale Souveränität nicht zu mindern.
Quasi als Apotheose dieses militaristischen Souveränitätsdenkens wird schließlich noch die nukleare Aufrüstung Deutschlands gefordert, denn ohne Kernwaffen, so die Logik, könne man die anderen Atommächte, allen voran die USA, nicht in Schach halten. Das sich daraus ergebende globale Wettrüsten, an welchem sich konsequenterweise schlichtweg jede Nation beteiligen müsste, sowie die damit einhergehenden enormen Risiken und Handlungsunsicherheiten atomarer Frontstellungen scheint man dafür gerne zu tragen bereit zu sein.
Hinter den Parolen gegen den Imperialismus und für das Selbstbestimmungsrecht der Völker steht somit letztlich nichts anderes als das „Friedensideal“ einer Welt aus bis an die Zähne mit Massenvernichtungswaffen gerüsteten hegemonialen Einflusszonen, welche ihre Grenzen primär durch ein neues Gleichgewicht des Schreckens aufrechterhalten – der Alptraum von der Großraumpolitik.

Anmerkungen

[1] Carl Schmitt 1932: „Der Begriff des Politischen“, S. 54.
[2] Jürgen Schwab, in: „Deutsche Stimme“, Juli 2002.
[3] siehe auch: Antrag der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, Drucksache 4/0888 vom 28.02.2005, in welchem die Landesregierung aufgefordert wird, das Zustimmungsgesetz zur EU-Verfassung im Bundesrat wegen Verfassungswidrigkeit abzulehnen, da damit der EU „exístentielle Staatlichkeit“ verliehen werde und somit der Bestand Deutschlands sowohl als eines souveränen Staates wie auch als eines „demokratischen und sozialen Bundesstaates“ gemäß Artikel 20 des Grundgesetzes gefährdet sei.
[4] Europawahlprogramm der NPD 2004, S. 9.
[5] ebd. S. 7.
[6] ebd. S. 10.
[7] ebd. S. 28.
[8] Reinhold Oberlercher, zitiert in: „Deutsche Stimme“, August 2002.
[9] ebd.
[10] Europawahlprogramm der NPD, S. 14.
[11] Carl Schmitt: „Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte – ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht“, Dunker&Humblot, S. 295f.
[12] Schmitt erklärt zwar explizit, dass der Fall der Monroe-Doktrin aus historischen und geographischen Gründen nicht eins zu eins auf Europa zu übertragen sei, doch letztlich läuft es darauf hinaus. Der im Grunde einzige Unterschied liegt in der – über einen unilateralen Machtanspruch hinausgehenden – vorgesehenen völkerrechtlichen Festschreibung der Großraumordnung als weltweit anerkannte Grundstruktur des internationalen Systems.
[13] Europawahlprogramm der NPD, S. 32.
[14] ebd. S. 15.
[15] ebd. S. 32.
[16] ebd. S. 34.
[17] ebd.
[18] Franz Schönhuber, in: „Deutsche Stimme“, September 2004.