IMI-Standpunkt 2005/023

Ostermarschrede von Uwe Reinecke in Bremen

Europa ist eine Macht im Werden

von: Uwe Reinecke | Veröffentlicht am: 26. März 2005

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„Europa ist eine Macht im Werden!“
so beschrieb Kriegsminister Peter Struck im Dezember 2003 das neue Selbstbewusstsein der EU.
Meine lieben Freundinnen und Freunde, damit nicht genug, noch mal Peter Struck:
„In den vergangenen Jahren spielte Deutschland bei der Entwicklung einer eigenständigen Europäischen Verteidigungspolitik (ESVP) eine Vorreiterrolle.“ Spätestens mit dieser Aussage war das regierungsamtliche und schier unerträgliche – weil verlogene – Friedensgeschwafel des Jahres 2003 beendet.
Glauben vermochte man der Regierung sowieso nicht.
War es nicht die rosa-olivgrüne Regierung, die 1999 Jugoslawien bombardierte? War nicht diese Regierung der US-Regierung eilfertig „mit uneingeschränkter Solidarität“ in den Afghanistan-Krieg gefolgt?
Welch ein Zynismus, während des Bombardements auf ZivilistInnen von Solidarität zu labern.
Später dann, als der Irak-Krieg unmittelbar bevorstand, heuchelte man aus wahltaktischen Gründen: „ohne uns.“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger trumpfte genüsslich auf und sprach lächelnd in die Mikrofone: „Wir hätten im Falle eigener Regierungsmacht jetzt alles genauso gemacht wie die gegenwärtige Regierung. Aber wir hätten es ehrlicherweise ‚Unterstützung der USA’ genannt.“
Diese Regierung hat den Irak-Krieg nur verbal und halbherzig abgelehnt. Sie hat gleichzeitig alles getan, was der ungehinderten Durchführung des Irak-Krieges diente. Man muss es so deutlich sagen. Die Bundesregierung ist auch jetzt noch aktiv an der Durchführung der Besatzung des Iraks beteiligt. Deutsche Flughäfen bilden immer noch die Drehscheibe von Krieg, Besatzung und Folter im Irak. Ganz offiziell erklärte Kriegskanzler Schröder, dass die Differenzen mit der US-Regierung bezüglich des Irak-Krieges beendet seien. Übrigens nicht weil George Bush sein Verbrechen bereute, nein, weil die deutsche Regierung Friedbert Pflügers Ehrlichkeit zumindest in diesem Punkt übernommen hat.
Wenige Tage nach den Jahrestagen der beiden von Deutschland aus geführten Kriege von 1999 und 2003 ist es nötig daran zu erinnern, denn die „Macht im Werden“ wird besonders von dieser Bundesregierung geprägt.
Wir wissen schon heute, dass die EU-Regierungs-Chefs – also die Schröders, Chiracs und Blairs usw. zusätzliche Kriege planen. Denn Artikel 309 der geplanten EU-Verfassung erwähnt Kampfeinsätze und Artikel 376 ist ein Persilschein für die europäischen Angriffskrieger. Eine gerichtliche Kontrolle der Militäreinsätze ist dort listig ausgeschlossen, denn der Europäische Gerichtshof ist nicht zuständig. Wer stattdessen zuständig sein soll, wird nicht geklärt.
Die deutschen Regierungsvertreter im Europäischen Konvent nahmen die Strucksche Vorreiterrolle ernst und haben maßgeblich die Festschreibung eines ungehemmten Militarismus in der EU-Verfassung betrieben.
Manche mögen sich durch Artikel 3 noch beruhigt zurücklehnen, heißt es doch so schön: „Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“ Ja, der Frieden soll gefördert nicht aber garantiert werden. Ferner soll das Völkerrecht nicht eingehalten werden, sondern im Sinne der NATO-Angriffskrieger (Zitat) „weiter entwickelt“ werden. Die UN-Charta soll auch nicht beachtet werden, denn die EU will allein vage die „Grundsätze der UN-Charta“ einhalten. Diese sind erst noch zu definieren. Die UN-Charta selbst ist geschriebenes Recht und wurde vielfach gebrochen, gerade von denen, die jetzt fiktive Grundsätze postulieren.
Viel schlimmer noch: In Artikel 41 des EU-Verfassungsvertrages heißt es bekanntlich: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Mit dieser verfassungsrechtl

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ichen Weltneuheit der Aufrüstungsverpflichtung wird die wahre Intension dieser Verfassung deutlich gemacht.
Da wir auf dem Ostermarsch sind, muss man ja in diesem Zusammenhang was zu den Kirchen sagen: Mit dem eingeforderten Gottesbezug hieße der Artikel dann also: „In der Verantwortung vor dem christlichen Gott verpflichten sich die Mitgliedstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“
Wie absurd diese Forderung nach einem Gottesbezug für diese Verfassung ist, wird sofort klar. Diese Verfassung ist – um es mal theologisch zu formulieren – Teufelswerk und darf nicht durch einen Gottesbezug quasi geheiligt werden.
Zurück zur EU. Sie fügt sogleich im selben Artikel 41 eine weitere verfassungsrechtliche Weltneuheit hinzu: Es wird eine so genannte Europäische Verteidigungsagentur eingerichtet. Diese Agentur wird nichts verteidigen, sondern ist ein Angriff auf das was man Zivilisation nennen könnte. Diese Hochrüstungsagentur hat übrigens bereits jetzt (ohne Verfassung) ihre Arbeit aufgenommen.
Artikel 311 legt die Aufgaben dieser Kriegsagentur fest: Rüstungskontrolle findet danach nur in einem Sinne statt. Die Mitgliedstaaten müssen nämlich dieser Agentur gegenüber darlegen, inwieweit sie die eingegangene Aufrüstungsverpflichtung erfüllen.
Der undemokratische Charakter der Verfassung wird durch die Artikel 297 und 304 deutlich. Sie legen fest, dass über militärische Einsätze der Rat (bis jetzt Ministerrat genannt) allein entscheidet. Frei nach Carlo Schmidt könnte man sagen: „Seien wir generös.“ Das Europäische Parlament darf nämlich Fragen stellen.
Machen wir uns nichts vor. Die EU-Verfassung ist die Verschriftlichung europäischer Machtansprüche. Nicht umsonst hat Javier Solana erklärt, dass die EU (Zitat) „ganz einfach eine neue Weltordnung schaffen“ solle.
Diese neue Weltordnung sieht dann den „freien und unverfälschten Wettbewerb“ und das „Recht auf freies Unternehmertum“ vor. So steht es in den einschlägigen Artikeln der EU-Verfassung. Bereits 1992 erklärte Minister
Volker Rühe die Sicherung des (Zitat) „ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen und Märkten in aller Welt“ zur Aufgabe der Bundeswehr. Peter Struck sagt das mit den Worten: „Mögliches Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt.“
Dieser neoliberale Machtanspruch führt unweigerlich zu Kriegen.
Daher lehnen wir diese geplante EU-Verfassung ab. Sie ist militaristisch, neoliberal und imperialistisch. Sie ist vor allem auch hochgradig undemokratisch.
Wir wollen ein ziviles und demokratisches Europa. Daher lehnen wir nicht nur diese Verfassung ab, sondern selbstverständlich die gesamte Politik, die dahinter steht. Wir werden die Ratifizierung dieser Verfassung weiter bekämpfen.
Wir wollen zwar keine Supermacht USA, aber erst recht keine Supermacht EU-Europa und schon gar keine Supermacht Deutschland.
Zum Schluss zitiere ich das Strafgesetzbuch.
Paragraf 212 legt fest, dass wer aus Habgier mit gemeingefährlichen Mitteln einen Menschen tötet, Mörder genannt werden müsse. Der eben schon genannte Auftrag der Bundeswehr uns den ungehinderten Zugang zu Rohstoffen und Märkten der ganzen Welt zu sichern, ist nichts anderes als Habgier. Bomben und Raketen sind selbstredend gemeingefährlich. Daher sind BundeswehrsoldatInnen spätestens seit sechs Jahren laut deutschem Strafgesetzbuch MörderInnen zu nennen.
Der Stadtrat von Göttingen hat in weiser Voraussicht bereits im Oktober 1990 folgendes beschlossen: „Die Stadt Göttingen gehört zu den Bundeswehrstandorten, die aufgegeben werden sollten.“ Vier Jahre später war diese überaus kluge Entscheidung vollzogen.
Das sollte Regierungsprogramm für die gesamte Republik werden. Dann kämen wir einer demokratischen und zivilen EU ein Stück näher.
Vielen Dank.

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