IMI-Standpunkt 2005/028
Die USA vor dem nächsten Krieg – NATO und EU an ihrer Seite?
Artikel von Tobias Pflüger in: europarot, Infoblatt der PDS-Delegation im EP, Ausgabe Februar 2005
von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 1. März 2005
Infolge der allgegenwärtigen Gewalt im Irak ist die von den USA als „Wendepunkt in der Geschichte des Landes“ gepriesene Abstimmung am 30. Januar 2005 zu einer Art Geheimwahl geraten, nicht zuletzt, weil viele Kandidaten aus Sorge um Leib und Leben ihre Identität bis zuletzt im Verborgenen lassen mussten. Die Wahl geriet so zur Farce. Auch fast zwei Jahre nach der US-Invasion im Irak herrscht dort blutiger Krieg. Mehreren Zehntausend irakischen Zivilisten und über 1.000 US-Soldaten hat dies bisher das Leben gekostet.
Und ein Ende ist nicht absehbar. US-Präsident George W. Bush ließ erst jüngst durchblicken, dass der Irak nur der Anfang der militärischen Neuordnung des Nahen und Mittleren Osten sei. Kurz zuvor waren die konkreten Kriegsplanungen für einen Angriff auf den Iran durch einen Artikel des Journalisten Seymour Hersh im „New Yorker“ öffentlich geworden. In seiner Antrittsrede kündigt George W. Bush an, dass „die Tyrannei in der ganzen Welt“ beendet werden solle. Dies kann nur als direkte Drohung verstanden werden, den Krieg im Irak und die Kriegsplanungen gegen den Iran unbeirrt fortzusetzen.
Die USA ließen bisher nichts unversucht, um NATO und EU im Irak mit ins Boot zu holen. In Bagdad selbst sind inzwischen mehr als 100 Ausbildungssoldaten der NATO stationiert. Die Bundesregierung hatte sich als erste bereit erklärt, bei der Ausbildung irakischer Kräfte zu helfen, allerdings nur außerhalb des Landes. Nach NATO-Angaben werde aber gewährleistet, dass von ihr jährlich etwa 1.000 ranghohe irakische Offiziere im Irak selbst ausgebildet werden.
Die Europäische Union möchte jetzt der NATO offensichtlich nicht länger nachstehen. So erwartet EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner nicht nur, dass die US-Regierung in der zweiten Amtszeit von Präsident George W. Bush mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Europa zeigt. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die USA m
it der EU künftig enger zusammenarbeiten wollen – gerade im Nahen und Mittleren Osten“, sagte Ferrero- Waldner am 23. Januar 2005.
Zudem rief sie die Iraker auf zur Wahl zu gehen, obwohl diese in keiner Weise auch nur demokratischen Mindestanforderungen genügte. Bei dieser Gelegenheit forderte sie die EU-Staaten auf, sich an der Ausbildung von Sicherheitskräften im Irak zu beteiligen. Die Amerikaner hätten „den Wunsch geäußert, dass sich Europa künftig stärker an der Ausbildung irakischer Soldaten und Polizisten beteiligt – auch im Irak selbst“.
Auch sonst möchte die Europäische Union nicht abseits stehen. So wurden Hunderte Millionen Euro an die von der Besatzungsmacht installierte Regierung überwiesen. Eine Kontrolle wofür dieses Geld eingesetzt wird, existiert nicht. Mit dieser Art der Scheckbuchdiplomatie unterstützt die EU offen die Besatzung. Im Mittelpunkt steht offensichtlich das Interesse am Irak als Rohstofflieferant und als Markt für Produkte der EU-Mitgliedstaaten. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass die EU als zu unterstützendes Ziel die Etablierung einer „offenen Marktwirtschaft“ im Irak in ihre Papiere schreibt. Im Hinblick auf eine US-Militärintervention ist man noch skeptisch. Ferrero-Waldner betonte, man versuche den diplomatischen Weg zu gehen. Es könnte im Ergebnis allerdings sein, dass die EU und die USA frei nach dem Motto: „Guter Polizist, Böser Polizist“ vorgehen werden.
Wie dem auch sei: Gegen diese Kriegspolitik und ihre Unterstützer muss gehandelt werden. In meiner Rede vor dem Europaparlament am 12. Januar 2005 hatte ich Bush – im Übrigen unwidersprochen – wegen seiner Verantwortung für den Krieg gegen den Irak und für die Menschenrechtsverletzungen, begangen von den Koalitionsstreitkräften im Irak, einen 'Kriegsverbrecher' genannt. Jetzt gilt es den Widerstand gegen den Europabesuch des US-Präsidenten zu organisieren.