IMI-Standpunkt 2005/009

Die Diskussion um "dual use" und die Militarisierung der Forschung ist vor folgendem Hintergrund zu sehen:


von: Arno Neuber | Veröffentlicht am: 31. Januar 2005

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1. In den Planungen und Konzepten der Bundesregierung und der Europäischen Union zur Außen- und Sicherheitspolitik gewinnen militärische Betrachtungsweisen immer stärker die Oberhand. Der am 29. Oktober 2004 von den EU-Staats- und Regierungschefs unterzeichnete Entwurf für eine EU-Verfassung macht die Union zu einem globalen militärischen Akteur. Die EU baut dafür eine Eingreiftruppe aus 60.000 Soldaten und sogenannte battle groups auf, die schnell verlegbar und unter allen Klimabedingungen kampffähig sein sollen.

Die ständige Verbesserung der militärischen Fähigkeiten erhält Verfassungsrang. Eine Agentur für Rüstung, Forschung und Beschaffung wird installiert, die diesen Militarisierungsprozess koordinieren und im Rahmen der sogenannten „strukturierten Zusammenarbeit“ überwachen soll. Das Europäische Parlament erhält praktisch keine Rechte bezüglich Militäreinsätzen. Sie sind Sache der Staatschefs und des Ministerrates.

Gleichzeitig mit dem EU-Verfassungsentwurf wurde von Javier Solana ein Strategiepapier unter dem Titel „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“ vorgelegt. Die EU verfolgt danach das Ziel „eine Strategie-Kultur“ zu entwickeln, „die ein frühzeitiges, rasches und wenn nötig robustes Eingreifen fördert.“ Die EU-Interventionstruppe soll mehrere Operationen gleichzeitig durchführen können. Es geht um Einsätze im Spektrum von humanitären Aktionen bis zu Kampfeinsätzen, neuerdings ist auch von „Abrüstungskriegen“ die Rede.

Am plakativsten hat diese Entwicklung ein hochrangiger Beamter aus dem Stab von Solana auf den Punkt gebracht: „Wenn es stimmt, dass die Welt ein Dschungel ist, dann sollten wir sicherstellen, dass Europa zu den Tigern gehört und nicht zu den Affen.“ (Süddeutsche Zeitung, 21.05.03)

2. Der Verteidigungsbegriff wird völlig neu definiert und letztlich in sein Gegenteil verkehrt. Verteidigungsminister Struck (warum nicht Interventionsminister?) propagiert Deutschlands Verteidigung am Hindukusch. Seine Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 sehen für Bundeswehreinsätze keinerlei Grenzen mehr, „weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch“ (Ziffer 57). Auch die EU-Sicherheitsstrategie spricht von einer „Verteidigungslinie“, die „oftmals im Ausland“ liegt.

Es geht um militärische Rohstoffsicherung und notfalls Beschaffung und die Sicherung von Transportrouten. Letztlich um die militärische Komponente der „Globalisierung“.

Statt um Verteidigung geht es um die Durchsetzung von Interessen. Militär gilt (wieder) als ein probates Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen.

3. Diese Veränderung der Politik stößt a

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uf technologische Veränderungen. Unter dem Stichwort „Revolution of military affairs“ wird der Aufbau von High-tech-Armeen betrieben.
Es geht um

* Informationsüberlegenheit
* Satellitenkommunikation
* Weltraumgestützte Überwachung (Spionage)
* und Lenkung von sog. Präzisions- und Abstandswaffen (Marschflugkörper)

Der Trugschluss ist, dass mit dieser militärischen Überlegenheit Sicherheit geschaffen werden könnte. Die eigentliche Ursache von Konflikten – Armut, Unterentwicklung, Hunger, Perspektivlosigkeit – wird ausgeblendet oder lediglich als Folie benutzt, um die schon fertigen militärischen Konzepte zu legitimieren.

Es ist folgerichtig, dass unter den genannten Prämissen für die politischen Akteure die Schlussfolgerung nahe liegt, die – wie sie beispielsweise die EU-Kommission nennt – „künstlichen Schranken“ zwischen militärischer und ziviler Forschung einzureissen und bislang zivile Bereiche den militärischen Ansprüchen dienstbar zu machen.

Ich brauche nicht zu betonen, dass ich eine solche Politik für vollkommen verfehlt und gefährlich halte. Sie ist auch nicht zielführend – sie schafft keine Sicherheit, sie vergrößert die Gefahren asymmetrischer Bedrohungen.

Immer mehr Autoren der „strategischen Gemeinde“ propagieren inzwischen einen „neuen Imperialismus“, halten eine Neuauflage des Kolonialismus für notwendig. Das ist der Weg in die Barbarei.

Bemerkung zum Schluss:

Die Bildungsministerin hat das Jahr 2005 zum Einstein-Jahr erklärt. Daher ein kurzes Wort von Albert Einstein:

„Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden. Ich bin der gleichen Meinung wie der große Amerikaner Benjamin Franklin, der sagte: Es hat niemals einen guten Krieg und niemals einen schlechten Frieden gegeben.“

Arno Neuber, Informationsstelle Militarisierung Tübingen (IMI) e.V.

Die DKP Karlsruhe hat eine schöne Dokumentation der Veranstaltung am 19.01. in Karlsruhe erstellt mit den beiträgen von Dietrich Schulze und Arno Neuber: http://www.dkp-karlsruhe.de/antikrieg/2005/20050119_dual_use_va.html

Besonders interessant auch die Erklärung „Keine Militarisierung der Forschung in HGF-Zentren“ der „Arbeitsgemeinschaft der Betriebs- und Personalräte
der außeruniversitären Forschungseinrichtungen“ hier: http://www.agbr.de/papiere/dualuse.html

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