IMI-Standpunkt 2004/027 - in: unsere zeit, 09.04.2004

Struck plündert Sozialkassen


von: Arno Neuber | Veröffentlicht am: 10. April 2004

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Im Mai 2003 forderten sieben europäische Intellektuelle auf Initiative von Jürgen Habermas in einer beispiellosen Publikationsoffensive, das (angebliche) europäische Modell der sozialen Gerechtigkeit zu verteidigen, indem die „kerneuropäischen Mitgliedstaaten“ der EU ihre gemeinsame Militärpolitik forcieren.

Die Regierungskoalitionäre in Berlin nutzten die ideologische Rückendeckung gerne: Die Sozialstaatsreste wurden und werden mit erhöhtem Tempo zerschlagen, die Aufrüstung immer forscher vorangetrieben.

Auf einer Pressekonferenz am 30. März gab „Verteidigungs“minister Struck erste Details der künftigen Material- und Ausrüstungsplanung der Bundeswehr bekannt und auf seiner Homepage hat er einen ganzen Warenhauskatalog an Rüstungsprojekten aufgelistet. Keine „Wunschliste“, wie Struck betont, sondern „eine Vorhabenliste, die realisiert wird“.

Realisiert wird der Kauf von 3 800 gepanzerten Fahrzeugen der Typen Mungo, Duro, Puma, Dingo 2, Wiesel 2 und GTK. Alles Kampf- und Transportvehikel für den Kriegseinsatz am Hindukusch, auf dem Balkan und an jedem anderen Ort auf dem Globus.

In den letzten Jahren sind „europäische Streitkräfte häufiger ins Ausland verlegt worden als in jedem früheren Jahrzehnt“, heißt es in Solanas EUropäischem Strategiepapier, das im Dezember beschlossen wurde. Damit das noch schneller geht, legt Struck einen Schwerpunkt der Rüstungsanschaffungen auf die „strategische Verlegefähigkeit“. 60 Großraumtransporter A400M (Militär-Airbus) sollen Truppen und Waffen an die Globalisierungsfronten schaffen. Dazu kommen 152 Transporthubschrauber NH 90 und MH 90.

Wie sehr Peter Struck inzwischen am Gängelband des Rüstungsmultis EADS hängt, belegt seine Erklärung, er werde 180 Kampfflugzeuge Eurofighter kaufen, egal was da komme. Zusätzlich soll das Parlament den Kauf modernster Lenkraketen für den Fighter genehmigen.

Nimmt man sich nur den Auswahl-Katalog auf Strucks Internetseite vor, so dürften sich die Kosten auf mehr als 60 Milliarden Euro addieren. Das ist allerdings nur ein Teil der Beschaffungsvorhaben.

Wohlgemerkt, Milliarden, die mit Verteidigung und Sicherheit nichts, mit Sicherung imperialer Interessen aber eine Menge zu tun haben.

Deutsche Militaristen kommen angesichts der Berliner Politik, die von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU getragen wird, ins Schwärmen: „Die Bundeswehr tritt 2004 endgültig aus dem Schatten von Stalingrad und des Kalten Krieges, der lange über ihr lag“, darf der gerade in den Ruhestand getretene Generalmajor Christian Millotat in der Zeitschrift „Europäische Sicherheit“ (4/04) schreiben. Slogans wie „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ oder „das Charakterisieren der Bundeswehr als notwendiges Übel“ hält er für „töricht und diskriminierend“ und fordert: „Wenn die Bundeswehr eine innerlich gefestigte, attraktive Einsatzarmee werden soll, muss aber auch die Heimatfront in Ordnung gebracht werden.“ Und zwar mit Privilegien für Soldaten und ihre Familien bei Wohnungsversorgung, Arbeitsplätzen und Bildung.

Das ist die Republik, wie sie sie gerne hätten: Der Staat kümmert sich fürsorglich um die Profite der Konzerne und die militärische Sicherung derselben. Wer dabei mitzieht, kommt in den Genuss elitärer Privilegien, wer aufmuckt in die Datei „stärker vernetzter Geheimdienste in Europa“, wie Struck sie gerade gefordert hat.

Dagegen hilft nur der breiteste Widerstand der verschiedenen Bewegungen. Der 3. April kann da nur ein Anfang gewesen sein.