Pressebericht - in: junge Welt vom 06.02.2004

Ausgezeichnete Krieger

Kanzler Schröder ehrt KSK-Soldaten für Afghanistan-Einsatz. NATO-Minister beraten über Irak-Besetzung

von: Rüdiger Göbel / Pressebericht / Dokumentation | Veröffentlicht am: 7. Februar 2004

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von Rüdiger Göbel

Deutschland steht in diesen Tagen ganz im Zeichen des Militärischen und hat wieder ausgezeichnete Helden. Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich besuchte am Donnerstag das Kommando Spezialkräfte (KSK) im württembergischen Calw und ehrte die Elitetruppe der Bundeswehr für ihren Kriegseinsatz in Afghanistan. Derweil kam der neue NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer zum Antrittsbesuch nach Berlin. Topthemen bei den Gesprächen mit Verteidigungsminister Peter Struck und Außenamtschef Joseph Fischer am Donnerstag: Wie kann die NATO � inklusive deutscher Beteiligung � die Besetzung Afghanistans und Iraks optimieren. Darüber wollte der NATO-Chef am heutigen Freitag auch mit dem Kanzler und am Mittag im Edelhotel »Bayrischer Hof« in München in erweiterter Runde beraten. Auf Einladung Strucks werden dort die NATO-Verteidigungsminister zu einem informellen Treffen zusammenkommen. Auch hier wird es um die weitere Unterstützung der USA im Krieg am Hindukusch und im Zweistromland gehen. Direkt im Anschluß ist ein Empfang des Münchner SPD-Oberbürgermeisters Christian Ude für die Teilnehmer der sogenannten Sicherheitskonferenz geplant. Zu der zweitägigen Tagung kommt die »military community« der westlichen Welt zusammen.

An die 1 000 »harte Männer« zählt die KSK-Elitetruppe, schwärmte die örtliche Presse im Vorfeld der Kanzlervisite in Calw. Eher nüchtern die Aufgabenbeschreibung: »Das KSK wurde 1996 aufgestellt und ist seit 1997 an Einsätzen vor allem in Krisen- und Kriegsgebieten beteiligt. Die Aufgaben reichen von der Evakuierung deutscher Staatsbürger über das Retten und Befreien von Geiseln bis zum Schutz von Einrichtungen«, heißt es in Werbeblättchen, gerade so, als handle es sich bei Strucks Elitetruppe um eine harmlose Sanitäts- und Sicherungsabteilung. Vom jüngsten Mordauftrag in Afghanistan etwa kein Wort. Bis vor kurzem machten KSK-Soldaten am Hindukusch an der Seite amerikanischer Sondereinheiten Jagd auf mutmaßliche Taliban-Kämpfer. Wie viele Afghanen dabei getötet oder vielleicht doch gefangengenommen wurden, gilt als geheime Verschlußsache.

Die Kampftruppe mit der staatlichen Lizenz zum Töten wollte dem Kanzler auch ihre »dog and pony show« zeigen, wußte Der Spiegel vorab zu berichten. Es handle sich hierbei um die Übung, in der der KSK-Alltagseinsatz mit den besten Tricks und den teuersten Waffen demonstriert wird. »Dagegen wirkt eine Western-Stuntshow wie billiger Schund«, frohlockte das Hamburger Nachrichtenmagazin.

Die »Informationsstelle Militarisierung« (IMI) kritisierte derweil den Kanzlerbesuch in Calw wie die Wehrkundetagung in München. »Das Kommando Spezialkräfte war � wie mir ein Soldat am Telefon erzählt hat � in vorderster Linie am Angriffskampf in Afghanistan beteiligt. Gefangene wurden � so seine Aussagen � kaum gemacht, und wenn, dann wurden die Gefangenen an die befehlshabenden US-Truppen abgegeben. Das ist rechtswidrig, da sie dann nicht als Kriegsgefangene behandelt wurden«, so IMI-Vorstand Tobias Pflüger. »Es ist besser, das gefährliche Kommando Spezialkräfte aufzulösen, als es in diesen politischen Zeiten auch noch bewußt mit einem Kanzlerbesuch zu feiern!« Im Gegensatz zu den Schwärmereien in der örtlichen Presse trainiere das KSK vorwiegend reine Kampfeinsätze. Schon die Existenz des KSK sei eindeutig ein Bruch des Grundgesetzes, monierte Pflüger.

Bei der »Sicherheitskonferenz« in München, die in diesem Jahr zum 40. Mal stattfindet, sind offiziell die »Perspektiven der transatlantischen Beziehungen«, »die Zukunft der NATO« und »die künftige Entwicklung des Mittleren Ostens« Gegenstand. Bei der angeblich von Horst Teltschik privat organisierten Zusammenkunft treffen sich seit Jahren spezielle politische Entscheidungsträger, Militärs, Wissenschaftler, Medien- und Wirtschaftsvertreter aus aller Welt.

Faktisch gehe es beim heutigen informellen NATO-Treffen und der anschließenden Sicherheitskonferenz aber darum, wie die Besetzung zweier Länder, die von westlichen Staaten mit Krieg überzogen wurden, Irak und Afghanistan, weiter perfektioniert und unter den Staaten, die dort jeweils Soldaten haben, besser abgestimmt werden könne, kritisierte Pflüger. Dabei werde die vereinbarte Arbeitsteilung zwischen den USA einerseits und der Europäischen Union andererseits im konkreten besprochen. Tatsächlich finde im Bayrischen Hof damit eine »Kriegskonferenz« statt. Hausrecht hat die Bundeswehr.

Wenn die Planung klappt, »könnte der Einsatz der NATO«, und damit wohl auch Deutschlands, »im Irak gegen Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres beginnen«, schrieb die FAZ am Mittwoch.

Das »Bündnis München gegen Krieg« will heute ab 16 Uhr rund um den Tagungsort Hotel Bayrischer Hof protestieren. Für Samstag ist auf dem Marienplatz um 12 Uhr eine internationale Großdemonstration geplant. Das Motto ist lang und sperrig: »Die NATO-Sicherheitskonferenz darf nicht stattfinden. Stoppt die weltweiten Kriege der NATO-Staaten! Für ein soziales Europa � Keine EU-Militärmacht. Gegen die deutsche Kriegspolitik und weltweite Bundeswehreinsätze. Statt sozialer Demontage und Aufrüstung � Umverteilung von oben nach unten. No justice � no peace. Internationale Solidarität gegen Ausbeutung und militärische Unterdrückung.« Von Afghanistan und Irak ist leider direkt keine Rede.

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Original: http://www.jungewelt.de/2004/02-06/009.php