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Live can be so ver.di – erste ordentliche Landesbezirksjugendkonferenz der ver.di-Jugend Bayern


von: NN, verdi-Jugend / Dokumentation | Veröffentlicht am: 2. März 2003

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Leise rieselte der Schnee, unaufhörlich fielen dicke Schneeflocken vom Himmel und die Kon-ferenzleitung erhielt eine Schreckensmeldung nach der anderen. Von gesperrten Autobah-nen war zu hören, und von Schienenersatzverkehr, von Delegierten die nur noch mit Schneeketten weiterkamen, und Gästen die am Flughafen vergeblich auf’s Abheben warte-ten. In der ver.di Bildungsstätte Haus Brannenburg hatte sich zum Mittagessen vor Konfe-renzbeginn ein recht überschaubares Häufchen an Delegierten eingefunden, und diskutierte lebhaft über die Wetterlage und die erheblich gefährdete Beschlussfähigkeit unserer ersten Konferenz, die mit viel Aufwand und Liebe zum Detail vorbereitet worden war.

Gegen Nachmittag wendete sich das Blatt, und die Delegierten fanden doch mehrheitlich noch den Weg ins tief verschneite Brannenburg. Nach der Eröffnung wandte die Vorsitzende des ver.di Landesbezirks Kollegin Christl Saurer sich an das versammelte Plenum. Für ihre kritischen Worte zur allgemeinen politischen Lage erntete sie viel Applaus. Etwas nachdenk-licher wurde die Stimmung als in aller Deutlichkeit die Abwärtstendenz in der Mitgliedschaft angesprochen wurde – wobei in diesem Zusammenhang festzustellen ist, dass der Landes-bezirk sich im bundesweiten Vergleich auch im Bereich der Jugendlichen positiv vom allge-meinen Trend abhebt. Mit einem mitreißenden Appell an die Verantwortung der Versammel-ten für die Zukunft der Gewerkschaftsarbeit, und einem Aufruf zur Beteiligung an den Aktio-nen gegen die Sicherheitskonferenz in München endete das Statement der Vorsitzenden.

Im Anschluss erfolgte die Präsentation des Geschäftsberichts mit verteilten Rollen und einem geschickt dosierten Einsatz der unterschiedlichsten Medien. Im mehreren Kapiteln wurde über die Arbeitsschwerpunkte der letzten beiden Jahre berichtet. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang unsere „Big five“ – die großen Themen der ver.di –Jugend Bayern.

1. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen! Aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung

2. Abschied vom Grundgesetz? Innere Sicherheit versus bürgerliche Rechte

3. Nur eine Zeitfrage? Arbeitszeitpolitik im Spannungsfeld

4. Hartzer Käse! Widerstand gegen die Hartz-Gesetze

5. Nur ein bisschen Frieden? Positionen zur zunehmenden Militarisierung der Politik

Als Abschluss des Geschäftsberichts wurde ein Film gezeigt, der im Zusammenhang mit der Aktion „Her mit dem schönen Leben“ entstand, die im September mit dem Aktionstag in Köln unter der Beteiligung von etwa 600 Mitgliedern der ver.di – Jugend Bayern ihren Höhepunkt fand.

Die zweite Hälfte des Nachmittags war dem Thema Erinnern und Gedenken gewidmet. Die Versammlungsleitung führte auf eindringliche Weise in das Thema ein, und machte auf die Chancen der Zeitzeugenarbeit aufmerksam. Als Gast zu diesem Tagesordnungspunkt war die Augsburger Zeitzeugin Anni Pröll eingeladen worden, die aber leider wegen Krankheit verhindert war. Stattdessen wurde ein Film unter dem Titel „Anni, ich hab Angst um Dich „ gezeigt, der in einer Mischung aus Interviews und Hintergrundberichten das Leben der Anni Pröll nachzeichnet. Der Film ist im Rahmen eines Zeitzeugenprojekts des Kreisjugendrings Augsburg entstanden, und ist ein beindruckendes Zeitdokument. Anni Pröll ging bereits als Jugendliche in den politischen Widerstand gegen das Nazi-Regime und engagiert sich bis heute mit größtem persönlichen Einsatz gegen Ausgrenzung und Verfolgung.

Im Anschluss an den Film folgte eine Einschätzung des DGB-Landesjugendsekretärs Tho-mas Rudner zur aktuellen Rolle und politischen Bedeutung der Gedenkarbeit in der Bayeri-schen Gewerkschaftsjugend. Die lange Tradition der Veranstaltung zur Reichspogromnacht in Dachau wurde besonders hervorgehoben, da diese inzwischen aus der Arbeit der Ge-werkschaftsjugend nicht mehr wegzudenken ist. Deutlich wurde allerdings auch, dass die Beteiligung ehrenamtlicher Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren sehr zu wün-schen übrig lässt. Prägend für die Diskussion war das Zitat von Anni Pröll: “Wir müssen diese Arbeit tun, damit so etwas nie wieder passiert!“

Am Abend wurde in diversen Kommissionen noch lange daran gearbeitet die nächsten Tage vorzubereiten. In der abendlichen Vorstandsrunde waren alle Anwesenden durchweg mit dem bisherigen Verlauf zufrieden. Der Abend klang dann mit Live-Musik der Mädchenband „The Certain Touch“ aus Regensburg aus, und im wurde im Partykeller wurde bis in die frü-hen Morgenstunden gefeiert.

Am nächsten Tag verwandelte strahlender Sonnenschein die Umgebung in ein Winter-Wunderland und die Anwesenden gingen gutgelaunt in den zweiten Konferenztag. Das Grußwort des Landesbezirksleiters Josef Falbisoner enthielt eine kritische Einschätzung zur Politik der Bundesregierung vor allem im Zusammenhang mit der Zukunft von Ausbildung und Übernahme mit sich. „Hier wird die Zukunft dieses Landes mit Füssen getreten“ endete seine Einschätzung zur Situation vieler Jugendlicher ohne jede Perspektive auf eine zu-kunftsorientierte Ausbildung. Dann ging es mit den Beratungen in vier inhaltlichen Arbeits-gruppen weiter, auch hier standen die großen bereits erwähnten Themen der bisherigen Ar-beit im Vordergrund. Aus den Arbeitsgruppen entstanden neue Impulse für die weitere Arbeit und eine Reihe von Initiativanträgen für die Beratung am Nachmittag.

Die Antragsberatung begann mit einer heftigen Auseinandersetzung über die Rolle des ver.di Bundesvorstands in den Querelen um das inzwischen leider in vielen Teilen umgesetzte Hartzpapier. Die Fraktion derer, die dafür plädierten, das Thema inhaltlich auf die Agenda der Folgekonferenzen zu setzten unterlag einer Mehrheit die der Meinung war, es müssten deut-lichere Zeichen gesetzt werden. Schließlich wurde ein Antrag verabschiede, der den gesam-tem ver.di – Bundesvorstand aufgrund seines Verhaltens in dieser Angelegenheit zum Rück-tritt auffordert. Der größte Teil der Anträge schlug Änderungen zum Programmatik-Leitantrag vor, der im April auf der Bundesjugendkonferenz verhandelt wird. In insgesamt 126 Ände-rungsanträgen nahm die Konferenz Stellung zu den inhaltlichen Fragen des Leitantrags und stattete die bayerischen Delegierten mit einer guten inhaltlichen Grundlage aus. Eine Reihe von Anträgen beschäftigte sich mit internen Angelegenheiten, vor allem der Ausstattung an Personal und Finanzen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten gelang es, dank einer hervorra-genden Vorarbeit der Antragsberatungskommission, den Tagesordnungspunkt wie geplant zum Abendessen abzuschließen.

Nach einer weitern langen Nacht versammelten sich die Anwesenden am Samstag Morgen wieder im Plenum. Eingangs wurde dem Plenum berichtet, dass Tobias Pflüger – Referent einer der Arbeitsgruppen vom Vortag – bei der Rückreise nach München verhaftet wurde und einige Stunden im Gefängnis verbracht hatte. Tobias Pflüger ist Mitarbeiter der Informations-stelle für Militarisierung in Tübingen, und hatte in der Arbeitsgruppe auf zunehmende Ten-denzen von Militarisierung aufmerksam gemacht. Es folgte eine heftige Diskussion um staat-liche Willkür und das Recht auf politischen Widerstand.

Der letzte Konferenz-Tag stand anschließend im Zeichen der Wahlen. Durch gute Vorarbeit des Vorstands und eine Reihe von spontan entschlossenen Delegierten gelang es, die Quo-tenvorgaben bezüglich Gründungsgewerkschaften, Geschlecht, Fachbereichen und Bezirken fast zu 100 % umzusetzen. Zum Vorsitzenden wurde erneut Hansi Fleischmann aus dem Bezirk Rosenheim gewählt. Als Stellvertreter agieren künftig Karina Berenzen (Ingolstadt), Roland Hildner (Nürnberg), Thomas Löhnhard (München) und Arif Tasdelen (Nürnberg). Der neue Gesamtvorstand umfasst ingesamt 31 Personen aus allen Fachbereichen und Bezir-ken, und wird sich von 14. bis 16. März konstituieren.

Gegen Ende der Konferenz wurden die Anwesenden zu einer Beteiligung an den Demonstra-tionen und Kundgebungen anlässlich der Sicherheitskonferenz in München aufgerufen. Die rechtlichen Hintergründe und Fallstricke wurden erläutert, und anhand von einigen Beispielen wurde aufgezeigt, welches Verhalten dazu beitragen kann, nicht im Knast zu landen. Daran schloss sich noch eine Aufforderung an, ver.di nicht aus der Verantwortung zu lassen, wenn aus der Wahrnehmung bürgerlicher Rechte Situationen entstehen, die Rechtsschutz erfor-dern.

Während draußen wieder heftiger Schneefall einsetzte machte sich beim Mittagessen lang-sam Abschiedsstimmung breit. Adressen wurden ausgetauscht, Erinnerungsfotos geschos-sen, Fahnen für die Demos im Auto verstaut und viele Umarmungen endeten mit den Worten „Bis bald – schön war’s!“

http://www.verdi-jugend-bayern.de/home/02_2003.html