IMI: Die neue NATO-Strategie ist die alte: Bundesverfassungsgericht gibt Regierung Rückendeckung

von: 30. November 2001

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von Arno Neuber (IMI)

Das Bundesverfassungsgericht hat das strategische Konzept vom Frühjahr 1999 nicht als Veränderung, sondern lediglich als „eine Fortentwicklung und Konkretisierung“ des NATO-Vertrages bezeichnet und eine Organklage der PDS zurückgewiesen. Mit der neuen NATO-Strategie hatte sich das Bündnis als Interventionstruppe geoutet, die weltweit nach eigener Interessenlage, mit oder ohne UNO-Mandat, agieren will. Mit dem Aggressionskrieg gegen Jugoslawien wurde auch gleich ein praktisches Beispiel geliefert.

Den Karlsruher Richtern wäre zuzustimmen, hätten sie die Absicht gehabt, mit dem Mythos vom „Verteidigungsbündnis“ NATO aufzuräumen. Sie sehen aber das NATO-Ziel weiter in der „Abwehr und Abschreckung von Aggressionen dritter Staaten“.

Also müssen sie Definitionsakrobatik betreiben: Angriff ist eine Konkretisierung der Verteidigung, Interventionismus eine Fortschreibung von Abschreckung, Krieg nichts anderes als Friedenswahrung. „Hilfreich“ nennt der Bundeskanzler diese Entscheidung. Und man mag ihm nicht wiedersprechen, ist er doch gerade dabei, die „Neupositionierung“ Deutschlands mittels Beteiligung am „langandauernden Krieg“ der USA voranzutreiben.

Überzeugt hat die BVG-Entscheidung allerdings niemand. Am Ende mussten sich das die Richter selber eingestehen, indem sie in der Begründung formulierten, dass es sich bei den sog. Krisenreaktionseinsätzen „noch“ um eine Vertragsfortentwicklung handele.

Die Karlsruher Richter wollten nach eigenem Bekunden“die Handlungsfähigkeit der Regierung“ sicherstellen. Das Parlament hat am 16.11. der Bundesregierung eine zwölfmonatige Ermächtigung zum Kriegführen auf dem halben Globus erteilt. Die KriegskritikerInnen aus SPD und (NATO-)Bündnis-Grünen haben sich in der Vertrauensabstimmung um den Kanzler geschart. Die Medien zeigen keine Bilder von der Wirklichkeit des Krieges. Die „Säulen der Zivilgesellschaft“ knicken ein, wenn das Land in den Krieg zieht.

Immerhin mussten die Damen und Herren Verfassungswächter „noch“ Rücksichten auf eine Stimmungslage im Lande nehmen, die von Kriegsbegeisterung weit entfernt ist. So betonten sie den Parlamentsvorbehalt für konkrete Bundeswehreinsätze, den das Gericht, in anderer personeller Zusammensetzung, bereits im Urteil von 1994 festgestellt hatte. Das wird in Zukunft noch von Bedeutung sein für die politische Auseinandersetzung und die Formierung einer Bewegung gegen den Krieg. Nicht umsonst sind die Herren Schäuble, Lamers und Scholz von der CDU schon vor Monaten mit dem Vorschlag hervorgetreten, das Parlament bei künftigen Kriegseinsätzen zu entmachten und die Regierung allein entscheiden zu lassen. Und auch in der SPD-Fraktion mehren sich die Stimmen in dieser Richtung.

Auch der Hinweis auf das Budgetrecht des Parlamentes wäre aufzugreifen und in Poltik umzusetzen. Insbesondere von den Gewerkschaften und auch von ihren Mitgliedern und Funktionsträgern mit Abgeordnetenmandat. Bei dieser Regierung ist Krieg Chefsache – um Arbeitsplätze sollen sich die Menschen selber kümmern. War es nicht mal anders versprochen worden?