IMI: Berlin, der Krieg gegen Afghanistan und die Bundeswehr oder das war erst der erste Schritt! (Teil 1)

von: 6. November 2001

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

IMI: Berlin, der Krieg gegen Afghanistan und die Bundeswehr oder das war erst der erste Schritt! (Teil 1)

von Tobias Pflüger * für die Homepage der Rosa-Luxemburg-Stiftung http://www.rosaluxemburgstiftung.de

1. Die Berlin-Wahl

Ohne hier eine umfassende Wahlanalyse vornehmen zu wollen: Das Wahlergebnis von Berlin ist eindeutig. Erdrutschartige Verluste bei der CDU, deutliche Gewinne bei SPD, PDS und FDP. Für einen Politologen sind weniger die Prozentzahlen interessant, wichtiger sind die real abgegebenen Stimmen: Die CDU hat gegenüber der Wahl von 1999 eine 1/4 Million Stimmen verloren. Die SPD hat 131.000 Stimmen dazu gewonnen, die FDP 126.000 und die PDS 89.000. Bündnis 90 / Die Grünen haben 7.500 verloren, die Republikaner halbierten sich um 20.000 Stimmen.

Die Wahlbeteiligung ist gestiegen: 67.000 wahlberechtigte Berliner/innen sind 2001 mehr wählen gegangen als 1999. Dennoch: Die Wahlbeteiligung bleibt unter 70 % und es dürfen nach wie vor von den Berliner/innen nicht alle wählen. Von den 3,3 Millionen registrierten Einwohner/innen sind fast eine halbe Million (genau: 436 182 bzw. 13,1 %) der Berliner/innen nicht wahlberechtigt, weil sie keine deutsche Staatsangehörigkeit bzw. keine eines EU-Staates haben. In einzelnen Bezirken (Mitte, Kreuzberg, Teile von Neukölln etc.) sind das mehr als ein Drittel, der dort lebenden Menschen.

Praktisch jede/r zweite Wähler/in im Ostteil der Stadt hat PDS gewählt (genau waren es 47,6 %). In einzelnen Bezirken gibt es absolute PDS-Mehrheiten! Im Westteil ist die PDS in allen Wahlbezirken über 5 % gekommen! Die PDS hat überdurchschnittlich dazu gewonnen im Osten der Stadt und bei Jungwähler/innen! 28.000 Wähler/innen im Westen haben mehr die PDS gewählt als 1999 (= + 2,7 %) , und 61.000 mehr im Osten (= + 8,1 %)!

Der Afghanistankrieg und seine innenpolitischen Folgen strahlten wesentlich auf die Wahlentscheidung bei dieser Landtagswahl aus. Zwar war für viele die Landespolitik bei der Wahlentscheidung sehr wichtig, doch bei der Wahl der einzelnen Parteien spielen auch immer Grundsatzfragen – wie es insbesondere die Frage nach Krieg und Frieden ist – eine ganz wesentliche Rolle.

Höchstwahrscheinlich hat Claudia Roth mit ihren Bedenken gegen die Art des Afghanistankriegs die Berliner Grünen noch mal vor deutlichen Verlusten gerettet. „Was uns Schwierigkeiten gemacht hat, das war der Krieg in Afghanistan, denn da sind unsere Wähler zweigeteilt“, sagte z.B. der grüne Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland.

Gabi Zimmer erklärte am Wahlabend: „Die Wähler haben uns belohnt, dass wir bei unserer Friedensposition geblieben sind.“ Dietmar Bartsch sagt: „Unsere klare Position als Friedenspartei wurde honoriert.“ Und Gregor Gysi gibt zu Protokoll: „Es hat uns genutzt, dass wir eine klare Position zum Krieg in Afghanistan vertreten haben.“ Und fügt hinzu, mit der „Eier-Position“ der Grünen habe der Wähler nichts anfangen können.

Richtig. Gabi Zimmer, Dietmar Bartsch und Gregor Gysi ist voll zuzustimmen: Für das PDS-Wahlergebnis – sowohl im Westen als auch im Osten – war zentral, dass die PDS sich deutlich gegen den Krieg gegen Afghanistan ausgesprochen hat, trotz allen Drucks der politischen Elite der anderen Parteien und trotz einiger anfänglicher Irritationen! Nun gilt es diese Antikriegsposition weiter inhaltlich zu fundieren.

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema dieses Textes.

2. Der Krieg gegen Afghanistan – drei Phasen

Zuerst war da der Schock über die brutalen Mega-Anschläge von New York und Washington. Über 5.000 Menschen wurden bestialisch ermordet. Die Trauer über diesen Wahnsinnsakt überwog tagelang alles andere. Doch dann mischte sich in diese Trauer Stück für Stück Wut und Fassungslosigkeit über die Aktionen der Regierenden in den USA, in der NATO und in Deutschland. „In der ersten Woche seit dem Angriff haben Mitgefühl und großzügige Bürger die erste Phase im Krieg gegen Terrorismus bestimmt. Sie haben die Heimatfront entscheidend gestärkt.“ (George W. Bush) Der 11. September 2001 ist wohl ein wesentlicher Punkt der Verschärfung der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt. Der „erste Krieg des 21. Jahrhunderts“, „der Kampf Gut gegen Böse“, ein „langer Kreuzzug“, ein „weltweiter Feldzug“, so die Ankündigungen des „ungewählten“ Präsidenten der USA George W. Bush.

Vom Angriffskrieg der USA und Großbritanniens waren „engste Verbündete“ vorab informiert worden: Präsident George W. Bush telefonierte vor dem Kriegsbeginn u.a. mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem NATO-Generalsekretär George Robertson, mit dem außenpolitischen EU-Beauftragten Javier Solana, mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem französischen Präsidenten Jacques Chirac, dem jordanischen König Abdullah II. und dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Auch die neuen Freunde der USA, die afghanische Nordallianz, die jetzt direkt von den USA militärisch aufgerüstet wird, war vorab informiert worden.

Besonders erschreckend war die Stellungnahme des neuen engen Verbündeten der USA, der russischen Regierung zu den Angriffen in Afghanistan: „Die Terroristen in Afghanistan, Tschetschenien, im Nahen Osten, auf dem Balkan oder wo auch immer müssen wissen, dass sie ihr gerechtes Urteil erhalten werden.“ Hier wurden unterschiedlichste politische Zusammenhänge zusammengeschmissen und zu einem „Anti-Terror-Brei“ vermischt.

Der bisherige „Krieg gegen den Terrorismus“ lässt sich im wesentlichen in drei Phasen einteilen:
Die erste Phase war der Aufmarsch, die Positionsfindung innerhalb der US-Regierung, die mediale Vorbereitung des kommenden Krieges und der Aufbau einer sehr heterogenen „Allianz gegen den Terror“.
Die zweite Phase begann am 07. Oktober, nun wurde Afghanistan von US-Truppen mit Hilfe britischer Truppen bombardiert.
Die dritte Phase war der Bodentruppeneinsatz in Afghanistan parallel zu den Bombenangriffen.

3. Die erste Phase – Besonnenheit?

Die US-Regierung strafte viele, die einen sofortigen Krieg befürchtet hatten, Lügen. Die US-Regierung schlug nicht gleich militärisch zu. War das Vorgehen der US-Regierung also Besonnenheit? Eher nicht. Alles spricht für andere Erklärungen, warum die USA „erst“ am 07.10. begonnen hatten, Afghanistan zu bombardieren. Im wesentlichen sind es wohl vier Gründe:
A. Wesentliches Moment für die ruhige Phase 1 des erklärten Krieges war die notwendige Zeitspanne, die ein militärischer Aufmarsch rund um Afghanistan benötigt und die Zeit, die für die Ausarbeitung militärischer Kriegspläne notwendig ist.
B. Der Aufbau der „Allianz gegen den Terror“ aus sehr verschiedenen Staaten, um die sich insbesondere US-Außenminister Colin Powell bemühte, brauchte ebenfalls Zeit. Es mußten viele politische Zugeständnisse gemacht werden. Da war die Hofierung des pakistanischen Militärputschisten Musharraf noch eine der „leichteren Übungen“.
C. Es lagen und liegen bis heute keine eindeutigen Beweise – dafür aber wohl viele Indizien – für die Täterschaft bzw. Unterstützung der Attentäter durch El Kaida und Osama bin Laden vor. Öffentlich nachvollziehbare Beweise werden zwar von den USA und Großbritannien nicht als notwendig erachtet. Auch die Regierungen der NATO-Staaten einschließlich der Bundesregierung, die intern Beweise vorgelegt bekommen haben sollen, bestehen darauf, diese nicht öffentlich zu machen. Beweise, scheinbar klare Beweise oder klare Indizien sind aber notwendig, um Bündnispartner in der „Allianz gegen den Terror“ bei der Stange zu halten.
D. Zentrales Moment für die lange Dauer bis zum Beginn des Krieges gegen Afghanistan war aber wohl der interne Kampf um die Linie der US-Regierung zwischen den „Realisten“ um Colin Powell und den „Ideologen“ um Vizepräsident Dick Cheney und Donald Rumsfeld mit dem Scharfmacher Paul Wolfowitz im Beiboot. Cheney hat sich – nicht zuletzt aufgrund der Positionierung von Condoleeza Rice – deutlich durchgesetzt.

Es wurde ein Krieg begonnen, dessen Ende nicht absehbar ist. Die Kriegsziele wurden inzwischen mehrfach verändert. Sollte am Anfang das Netzwerk El Kaida zerstört werden, ist nun der Sturz des Taliban-Regimes ein wesentliches Ziel. bisher gibt es keine sogenannte Exit-Strategie. Oder anders gesagt: Es gibt keine Antwort auf die Frage, wie die US-Regierung aus der Eigendynamik des Krieges wieder rauskommt.

4. Die zweite Phase – Der Bombenkrieg

Bombardiert wurden Städte in allen Regionen Afghanistans: Kabul, Kandahar (Süden), Dschalalabad (Osten), Farah (Westen), Masar-i-Scharif und Kundus (Norden an der Grenze zu Tatschikistan). „Osama Bin Laden selbst ist nicht Ziel der ersten Angriffswelle gewesen“, so US-Präsident George W. Bush. George W. Bush sprach davon es seien „sorgfältige gezielte Aktionen“ „gegen das Netzwerk der Terroristen um Osama bin Laden und militärische Einrichtungen des Taliban-Regimes“. Es hieß, Ziel der Angriffe seien, so US-Kriegsminister Donald Rumsfeld: „Flugabwehrsysteme, Flugzeuge und Stützpunkte von Terroristen“. Zudem solle das „militärische Kräfteverhältnis“ „zu Gunsten der oppositionellen Nordallianz verändert werden“.

Doch: Im Krieg gegen Afghanistan werden auch Streubomben eingesetzt, diese treffen die Zivilbevölkerung. (Näheres zu Streubomben unter https://www.imi-online.de/2001.php3?id=165) Im Krieg gegen Afghanistan werden Zivilisten getötet, Wohngebiete, Schulen, Lager des Roten Kreuzes u.ä. getroffen, die ersten Bestätigungen dafür, von der UN, aber selbst aus den USA liegen inzwischen vor.

Wir sehen (wieder) nicht, was bombardiert wird . Welchen Schaden die Bomben angerichten. Wir glauben – insbesondere nach den Erfahrungen früherer Kriege (Golfkrieg, Jugoslawienkrieg) und der Ankündigung der US-Regierung „wir werden lügen“ zuerst einmal nichts, was uns die Kriegsparteien (USA und Großbritannien einerseits und Taliban andererseits) sagen. Die Medien sind aufgefordert nicht parteiisch auf der Seite „des Westens“ über den Krieg zu berichten. Das erste Opfer jedes Kriegs ist die Wahrheit.

5. Die dritte Phase – Der Bodenkrieg

Am 20.10. morgens hatten us-amerikanische Spezialeinheiten erstmals einen – offiziell bestätigten – Kampfeinsatz am Boden im Süden Afghanistans begonnen, weitere werden – so die Ankündigung – folgen. Das Pentagon bezeichnete dies als die „geheime Phase“ „des Krieges gegen den Terrorismus“. An der Kriegsaktion seien ca. 200 Elitesoldaten der Ranger der US-Army beteiligt gewesen. Nach US-amerikanischen Medienberichten (NBC und CBS) kämpften die US-Elitesoldaten im Süden Afghanistans gegen Militäreinheiten der Taliban. Sie seien mit Hubschraubern vom im Indischen Ozean stationierten Flugzeugträger „USS Kitty Hawk“ nach Afghanistan geflogen worden. Begleitet wurden die Bodentruppen durch Kampfhubschrauber. Der Krieg werde sich – so das Pentagon – in den nächsten Tagen „erheblich verstärken“. Diese Kommando-Operationen „können sich zu einer größeren militärischen Operation ausweiten“.

Im Norden Afghanistans im Gebiet der Nordallianz sind schon länger US-Spezialeinheiten aktiv. Sie koordinieren dort ihre Kriegsaktionen mit der Nordallianz. Die Nordallianz gibt bisher lediglich acht US-Spezialisten zu, die zusammen mit ihrem General Abdul Raschid Dostum im Norden des Landes aktiv seien. Nach Angaben der Nordallianz (so jedenfalls Ustad Attah Mohammad, einer ihrer Kommandeure) gehörten die US-Soldaten „offenbar der Aufklärung oder dem Geheimdienst an“ und seien keine „regulären Soldaten“.

Rumsfeld hat inzwischen auch das offene „Geheimnis“ einer direkten Koordination und Waffenunterstützung der Nordallianz offiziell betstätigt: Die USA liefere Nahrungsmittel, Munition und Geld. Die Koordination und Zusammenarbeit mit der bombenden US-Luftwaffe sei gut. Damit haben die angreifenden US-Truppen wieder wie im NATO-Krieg gegen Jugoslawien eine „örtliche Bodentruppe“. Im Süden Afghanistans stellen sie nun spätetsens seit heute die Bodentruppe durch Kommandounternehmen immer wieder selbst. In Medien in den USA und Deutschlands wird über die konkreten Anforderungen der USA an Deutschland bezüglich militärischer Hilfe beim Rachefeldzug gegen Afghanistan spekuliert. Neben ABC-Spürpanzer wird immer wieder das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr genannt. Das KSK könnte wie die US-Ranger eingesetzt werden.

6. „Kollateralschäden“ – Flüchtlinge, Hungernde und die Nöte so mancher Mitkrieger

Zu Beginn des Krieges wurde versucht das alte Märchen des sauberen Krieges aufzutischen. Dabei kam es zu interessanten Koalitionen: Die Nordallianz teilte anfangs z.b. mit, die US-Angriffe wären „treffgenau“ gewesen und es habe keine Meldungen über getötete Zivilisten gegeben. Die pakistanische und die chinesische Regierung äußerten – aus jeweils anderen Motiven – der Militäreinsatz solle sich nur gegen „bestimmte Ziele“ richten, „um keine unschuldigen Zivilisten zu verletzen“, so die chinesische Regierung. Das Regime des pakistanischen Militärputschisten General Pervez Musharraf, ebenfalls neuer Freund des Westens, „hoffe“ – wohl insbesondere aus innenpolitischen Gründen „die amerikanische Offensive werde kurz sein und die Zivilisten schonen“. Fast wortgleich äußerte sich Rezzo Schlauch, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Zivilbevölkerung so weit wie möglich geschont wird“. All diese Aussagen waren erwartungsgemäß naiv-gefährliches Wunschdenken. Erfahrungsgemäß (vgl. Golfkrieg und NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien) sind jedoch zumeist Zivilisten Opfer (sogenannte „Kollateralschäden“) angeblich „punktgenauer Militärschläge“. In Afghanistan gibt es ein Problem, das sehr zynisch ist: Nach Ankündigung der Angriffe durch die USA und Großbritannien haben die Flüchtlingszahlen enorm zugenommen: Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerk Unicef waren vor beginn der Bombardierungen schätzungsweise 900.000 Menschen aus ihren Dörfern geflohen. „Rund 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren bräuchten sofortige Hilfe, um den kommenden Winter zu überleben, mahnte der Unicef-Sonderbeauftragte Nigel Fisher.“ „Etwa 7,5 Millionen Menschen seien durch die anhaltende Dürre und den Bürgerkrieg gefährdet, warnte das UN-Welternährungsprogramm (WFP) am Donnerstag.“

Dominic Johnson kommentierte in der taz die in Aussicht gestellten Hilfsgelder: „Peinlich dabei ist nur, dass die Geber vor dem 11. September die Afghanistan-Appelle der Hilfsorganisationen genauso ignorierten wie heute die aus Afrika. Zudem decken die neuen Gelder zum Teil Folgekosten des drohenden Krieges – die UN hat kalkuliert, dass als Ergebnis eines Militärschlages die Zahl der Notleidenden in Afghanistan von 5,5 auf 7,5 Millionen Menschen steigen könnte.“ „Aber Soldaten und Hilfspakete zu verschicken und eine innerafghanische Warlord-Fraktion gegen die andere aufzurüsten ersetzt nicht die Notwendigkeit, jenseits von Exilanten und Interessengruppen die afghanische Bevölkerung selbst zur Zukunft ihres Landes anzuhören. In dieser Richtung kommt von der globalen Anti-Terror-Koalition bisher wenig. Bei ihren Zielen kommen Begriffe wie Demokratie nicht vor. Das wenigstens eint die Afghanen mit den Bewohnern afrikanischer Kriegsgebiete, die viel von der auswärtigen Mischung aus Aufdringlichkeit und Ignoranz bereits hinter sich haben, die den Völkern Zentralasiens wohl noch bevorsteht.“ Nicht „Brot und Bomben“ sondern „Brot statt Bomben“ sind notwendig! Diese benannte „Mischung aus Aufdringlichkeit und Ignoranz“ der westlichen Politik gegenüber weniger reichen Regionen muß endlich in Frage gestellt werden.

7. „Low intensity conflict“ als Begleitprogramm

Die US-Regierung begleitet ihren Kriegseinsatz mit Hilfsgütern für die Bevölkerung. Die Angriffe seien nämlich nicht gegen die Bevölkerung gerichtet. Das ist militärischer Unsinn, aber die Weltöffentlichkeit glaubt es wohl. Donald Rumsfeld teilte mit, daß sofort nach den Attacken Hilfsgüter für die Bevölkerung abgeworfen wurden. Sämtliche humanitären Organisationen – einschließlich von Care (die Päckchen waren fälschlicherweise als Care-Packete bezeichnet worden) sprachen sich deutlich gegen die von der US-Regierung praktizierte Vermischung von humanitärer Hilfe und Bomben aus. Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, der Schweizer Jean Ziegler, sagte es am deutlichsten: „Das Leben von Millionen Zivilpersonen ist in Gefahr, wenn weiter gebombt wird.“ Es handele sich – so Ziegler – um einen Notfall, denn im Winter könnten die Lastwagen nicht mehr nach Afghanistan hinein fahren. Den Hilfsorganisationen müsse die Chance gegeben werden, Millionen von Flüchtlingen in Afghanistan zu retten.

Daneben wird von den Kriegsherren in Washington und London die klassische Strategie der „low intensity conflicts“ betrieben. Es ist von „umfangreichen Aufklärungskampagnen“ die Rede. Flugblättern und batterie-unabhängige aufziehbare Radios wurden abgeworfen. Damit soll die Bevölkerung Nachrichten des US-Militärs in der Landessprache empfangen können, die von einem speziellen Flugzeug aus ausgestrahlt werden. Kriegspropaganda nannte man das früher.

Die US-Regierung sagt inzwischen, sie wolle das Taliban-Regime stürzen. In der südwestafghanischen Stadt Sarandsch sind nach Angaben der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA nach Beginn der US-Angriffe Kämpfe zwischen Einwohnern und den Taliban ausgebrochen. „Etwa 150 Afghanen versuchten die Taliban aus der Stadt zu treiben, meldete IRNA unter Berufung auf afghanische Kreise.“ Ein Sturz der Taliban-Regierung ist jedoch nicht so einfach möglich. Es darf nicht vergessen werden: Die USA haben schon einmal signalisiert, sie wollten ein Regime stürzen und wiegelten Menschen zu Aufständen auf, was zu vielen Toten führte. Am Ende des Golfkriegs 1991 gegen den Irak ließ der Vater des jetzigen Präsidenten, Colin Powell war ebenfalls als damaliger General beteiligt, Saddam Hussein dann doch lieber im Amt. Statt einer Bombardierung des armen Landes sind ein Stopp der Bombardierung und konkrete Hilfen für die Flüchtlinge und die normale Bevölkerung notwendig.

Weiter mit Teil 2: unter https://www.imi-online.de/2001.php3?id=187