Dokumentation: Pentagon-Dementis geplatzt

von: 6. November 2001

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Selbstmordpiloten von New York und Washington wurden vom US-Militär ausgebildet

Rainer Rupp

Trotz aller Dementis bestätigt sich nun der Verdacht, daß etliche der Terroristen vom 11. September in Basen des US-Militärs in den Vereinigten Staaten ausgebildet wurden. Dies wurde in einem Telefon- interview mit einem hochrangigen Offizier des Pentagon am letzten Freitag bestätigt. Bereits drei Tage nach den Angriffen auf das World Trade Center berichteten „Newsweek“, die „Washington Post“ und die Zeitungen der Knight-Ridder-Gruppe, daß mehrere der Terroristen während der 90er Jahre in US-Militäranlagen ausgebildet worden seien.

Unter dem Titel: „Angebliche Entführer wurden womöglich auf US- Militärbasen ausgebildet“ („Alleged Hijackers May Have Trained at U.S. Bases“) hatten George Wehrfritz, Catharine Skipp und John Barry in Newsweek am 15. September berichtet, daß drei der Terroristen den Marineflughafen und das Ausbildungszentrum der US-Navy-Piloten in Pensacola, Florida, als ihre Adresse angegeben hatten. Auch wurde gemeldet, daß etliche der Terroristen an einem Militäraustauschprogramm in Pensacola teilgenommen hätten. Auf diesem US-Marineflughafen werden schon seit vielen Jahrzehnten Angehörige ausländischer Streitkräfte ausgebildet, aber das kann nur auf Bitte von Regierungen solcher Länder geschehen, die mit der US-Regierung eng befreundet sind.

Der Newsweek-Bericht berief sich u.a. auch auf Quellen im Pentagon, wonach mindestens zwei der Terroristen ehemalige saudische Luft- waffenpiloten waren, die in den USA auf militärischen Flugschulen ausgebildet wurden. Das würde auch die von vielen Luftfahrtexperten gestellte, aber bisher ungelöste Frage klären, wieso Piloten, die an kleinen Propellermaschinen an privaten Flugschulen in Miami ausgebildet worden sind, große Passagierjets fliegen und punktgenau steuern können. Einen Tag nach Erscheinen des Artikels gab es ein butterweiches offizielles Dementi des Pentagon zu der Angelegenheit. Seitdem ist es darum still geworden.

Dem mit staatlicher Vertuschung erfahrenen US-amerikanischen Journa- listen und Publizisten Daniel Hopsicker ließ dies keine Ruhe. Hopsicker ist Autor des kürzlich erschienen Buches „Barry and the Boys“ über die CIA, die Mafia und Amerikas dunkle Geheimnisse. Es ist die Geschichte von Barry Seal, einem der größten Drogenschmuggler in der US-Geschichte, der in einem Kugelhagel starb und in dessen Geldbeutel man die private Telephonnummer von George Bush fand.

In einem Interview mit Oberstleutlnant Catherine Abboyt vom Büro des Staatssekretärs im Pentagon hinterfragte Hopsicker das verschwommene Pentagon-Dementi vom 16. September. Phrasen wie: „Namensgleichheit bedeutet noch nicht unbedingt daß die (Militär)-Studenten auch die Entführer waren“ ließen Hopsicker aufhorchen. Nachdem Abboyt sich durch die detaillierten Fragen Hopsickers (die Fragen und ein Gedächt- nisprotokoll des Interviews liegen dem Autor vor) wiederholt in Wider- sprüche verwickelt hatte, erklärte sie schließlich: „Ich habe nicht die Berechtigung, Ihnen zu sagen, wer (welcher der Terroristen; Anm. R.R.) welche Schule besucht hat.“

Damit ist das Dementi vom 16. September Makulatur. Offensichtlich existiert im Pentagon eine Liste mit den Namen der Terroristen, die auf US-Militärbasen ausgebildet wurden. Diese Enthüllung dürfte von erheblicher internationaler politischer Bedeutung sein und könnte in der breiten Öffentlichkeit immer deutlicher die Politik Washingtons, insbesondere die Bombardierung Afghanistans in Frage stellen. Die Beurteilung dieser brutalen Politik wird auch in Europa deutlicher. Die renommierte irische Tageszeitung The Irish Times veröffentlichte am Mittwoch einen Leitartikel mit dem Titel: „Die Afghanen – Opfer des US-Terrorismus“.

aus: junge welt, v. 19. 10. 2001