Sorgt Scharping für Preußens Glanz und Gloria?

von: 12. Juli 2001

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jW sprach mit Tobias Pflüger, Mitarbeiter der Informationsstelle Militarisierung

junge Welt Interview 10.07.2001

Sorgt Scharping für Preußens Glanz und Gloria?

jW sprach mit Tobias Pflüger, Mitarbeiter der Informationsstelle Militarisierung IMI e.V. Tübingen

F: In Potsdam-Geltow wurde am Montag das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Dienst genommen.Es ist dem Verteidigungsminister direkt unterstellt. Welche Bedeutung hat das?

Die Indienststellung des Einsatzführungskommandos ist ein ganz zentrales Element bei der Herausbildung einer interventionsfähigen Bundeswehr. Es ist die Stelle, von der aus in Zukunft sämtliche Auslandseinsätze geleitet, koordiniert und befehligt werden. Auf diese Weise ist natürlich der Zugriff schneller. Man muß nicht 20 Befehlsstrukturen durchgehen, sondern kann ziemlich schnell durchsetzen, daß es nach Mazedonien geht.

Diesem Kommando unterstehen von den Teilstreitkräften wiederum Führungskommandos. Es ist eine ganz klare Hierarchisierung der Befehlsstrukturen. Das politisch Interessante oder Gefährliche an diesem Einsatzführungskommando ist, daß man im Grunde genommen wieder politisch-militärische Befehlsstrukturen innerhalb einer deutschen Armee hat und dadurch eindeutig auch das, was man nie mehr haben wollte, nämlich einen Generalstab. Einsatzführungskommando bedeutet auch, daß alles dem Einsatzprinzip untergeordnet wird.
Es gibt inzwischen fünf Teilstreitkräfte bei der Bundeswehr: Heer, Luftwaffe, Marine und zusätzlich jetzt den Sanitätsbereich und die Streitkräftebasis, die quasi der Verwaltungsbereich innerhalb der Bundeswehr ist.
Das Einsatzführungskommando ist das zentrale Element dieser neuen Streitkräftebasis. Von zentraler Bedeutung ist zudem, daß eine Befehlszentrale etabliert wird – sowohl für zukünftige EU-Interventionen in einem Raum von 4 000 Kilometer rund um Brüssel als auch für NATO-Aktionen. Zudem für die beiden häufig nicht diskutierten weiteren Optionen, nämlich UN-Einsätze und nationale Einsätze, die nach wie vor nicht ausgeschlossen sind.

F: Warum gerade Potsdam?

Früher wurde ein Teil der Auslandseinsätze über Regensburg – Kommando luftbewegliche Kräfte – koordiniert. Jetzt ist der Zugriff mit Potsdam sehr viel näher, man hat die Befehlsstrukturen quasi hauptstadtnah. Es läuft ja offiziell vom Bundesverteidigungsminister runter auf die militärischen Strukturen. „Auch in der Bundeswehr der Zukunft nimmt Potsdam einen bedeutsamen Platz ein. Mit dem teilstreitkraftgemeinsamen Einsatzführungskommando wird die Stadt künftig eine der bedeutendsten Dienststellen der Bundeswehr vor ihren Toren beherbergen.“ So drückte es Scharping wörtlich aus.

F: Sorgt der Bundesverteidigungsminister also nun für Preußens Glanz und Gloria?

Das ist natürlich eine Tradition. Man hat bewußt die Henning-von-Tresckow-Kaserne genommen, um sich nicht dem Verdacht der absolut ungebrochenen Tradition Preußen – Wehrmacht – Bundeswehr auszusetzen. Aber es ist schon bezeichnend, daß man dieses Kommando in die Region setzt, die schon immer sehr stark von Militär geprägt war und wo, historisch gesehen, Kriege geplant und durchgeführt wurden. Im übrigen widerspricht der Stationierungsort den 2+4-Vereinbarungen.

F: Das Einsatzführungskommando wird auch offiziell als Kernelement der Bundeswehrreform bezeichnet …

Am 28. Juni hat man die neue Struktur für das Heer umgesetzt. Im Grunde genommen ist es wie ein Kegel. Oben an der Spitze sind die jeweiligen Führungskommandos, darunter dann als erstes die besonders kampffähigen Einheiten. Die Struktur bedeutet, daß man die Einsatzkräfte, die man ja auf 150 000 Mann und Frau hochschrauben will, Stück für Stück einführt. Hier ist ein zentraler Ansatzpunkt für die Friedensbewegung: zu sagen, diese Einsatzkräfte wollen wir nicht. Bei der Kampagne der Friedensbewegung „Kriege verhindern – Einsatzkräfte auflösen“ ist eines der Elemente dieses Einsatzführungskommando. Wir müssen dafür sorgen, daß dieses Kommando politisch thematisiert wird als das, was es ist: ein Kriegsführungskommando.

F: Was sind die nächsten Schritte beim Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee?

In bezug auf Potsdam ist die Struktur weitestgehend fertig. Jetzt geht es in die Details bei den jeweiligen Teilstreitkräften. Bei Heer, Marine und Luftwaffe werden die interventionsfähigen Teile herausgebildet.

Interview: Fanny Komaritzan