Kasernen schließen – aber die richtigen!

von: 2. Februar 2001

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Kommentar in Unsere Zeit (UZ) vom 02.02.2001

Das gleiche Schauspiel wie vor einem Jahr. Der Umbau der Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe scheint mit einem Diskussionsverbot belegt. Stattdessen diesmal eine „Standortdebatte“ (damals ging es um die Zahl der Wehrpflichtigen).

Scharping macht aus der Truppe ein Instrument der „wirksame(n) Einflussnahme“, bejubelt „die großartigen Leistungen deutscher Soldaten in internationalen Einsätzen“ und schwadroniert von der Mitwirkung in „der reformierten NATO und der umstrukturierten Europäischen Union“. Wer seine Sinne beisammen hat, muss wissen: Es ist von Machtpolitik die Rede. Von Macht, die gegebenfalls mittels Krieg durchgesetzt wird, wie uns „die großartigen Leistungen deutscher Soldaten“ auf dem Balkan jüngst gezeigt haben. Es ist die Rede vom deutschen Einfluss im Kriegsbündnis NATO und in einer Europäischen Union, die immer offener militärische Großmachtambitionen entwickelt.

Die „Einsatzkräfte“ der Bundeswehr, also die Truppen für den nächsten Kriegseinsatz, werden auf 150.000 Soldaten aufgestockt, mithin nahezu verdreifacht. Um deutsche Militärmacht in aller Welt geballt zum Einsatz bringen zu können, lässt Scharping eine „Division für Luftbewegliche Operationen (DLO)“ und eine „Division für Spezielle Operationen (DSO)“ aufbauen.

Die Medien des Landes aber bewegt einzig die Frage, ob im Norden oder im Süden mehr Kasernen im Zuge der Scharpingschen Rationalisierungmaßnahmen geschlossen werden. Wo der Kriegsminister betont, dass bei der Standortfrage „militärischen Erfordernissen Vorrang vor strukturpolitischen Erwägungen einzuräumen“ sei, da rechnet die Medien- und Politikermeute nach Parteibüchern, nach Regionen, nach Brötchenabsatz und Kinobesuchern.

Auf ihrem „Sicherheitspolitischen Kongress 2000“ im vergangenen Herbst gab die Stoiber-Partei die Losung aus: „Die CSU ist die Partei der Bundeswehr!“ In einer Resolution der Tagung wurde beschlossen: „Wir kämpfen um die Verankerung der Bundeswehr in der Bevölkerung, deshalb um jeden der 108 Bundeswehrstandorte in Bayern.“ Beschworen wurde die „Einheit Bundeswehr/Bayern“. Das sind wohlgemerkt die selben Damen und Herren, die Scharpings Kurs auf eine Interventionsarmee genauso mittragen, wie die Umschichtung der Bundeswehrfinanzen von den Personalausgaben hin zu mehr Mitteln für die Beschaffung von Waffen und Ausrüstung.

Und die öTV? Es muss die Gewerkschaften auf den Plan rufen, wenn nach Scharpings Plänen von 124.000 Zivilbeschäftigten der Bundeswehr 34-44.000 ihren Job verlieren sollen. Die Aktionen werden aber nur dann eine richtige Stoßrichtung haben, wenn sie deutlich machen, in welchem Zusammenhang der Stellenabbau steht: Eine Bundeswehr für internationale Interventionseinsätze braucht künftig eben mehr Kampftruppen und weniger Zivilbeschäftigte. Dagegen können Antimilitaristen und Bundeswehrangehörige durchaus gemeinsame Interessen (und sei es auch nur zeitweise) entwickeln, wenn es um die Verhinderung (oder zumindest Behinderung) einer Armee für weltweite Kampfeinsätze geht.

Scharpings KämpferInnen bleiben zukünftig an 462 Standorten kaserniert (nur 39 werden geschlossen, zusätzlich 92 Kleinstandorte bis 50 Dienstposten). Für sie gilt: „Flächendeckende Stationierung ist wesentliche Voraussetzung für die Nachwuchsgewinnung.“ Insofern gilt für uns: Je mehr Kasernen geschlossen werden – desto besser. Aber: Es müssen die richtigen sein. Fangen wir mit dem Kommando Spezialkräfte in Calw an und machen dann alle Standorte der „Einsatzkräfte“ dicht. Das wäre eine Standortdebatte, die Sinn macht.

Arno Neuber