Abschlußerklärung der Veranstalter/innen zur Tagung „(Militärische) Interventionen – Normalität in der Zukunft?“


von: | Veröffentlicht am: 7. Mai 2000

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Der Krieg der NATO gegen Jugoslawien 1999 war ein „Dammbruch“ für militärische Interventionen in der internationalen Politik.

Dies wurde eindringlich deutlich auf der gut besuchten Tagung „(Militärische) Interventionen – Normalität in der Zukunft?“, die am 06./07.05.2000 von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und der Naturwissenschaftler/innen-Initiative für Frieden- und Zukunftsfähigkeit in Tübingen veranstaltet wurde.

Seitdem vor einem Jahr die NATO Jugoslawien (und dort insbesondere die wirtschaftliche Infrastruktur und die Zivilbevölkerung) bombardierte, ist die Schwelle für militärische Interventionen deutlich gefallen.

Krieg ist wieder Mittel der Politik geworden auch und gerade bei den westlichen Industriestaaten der NATO, allen voran den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Das Völkerrecht, die UNO-Charta – unzweifelhaft zivilisatorische Fortschritte – sind durch die NATO-Staaten gebrochen worden und durch Faustrecht ersetzt worden.

Die neue NATO-Strategie macht deutlich: Der Jugoslawienkrieg ist keine Ausnahme sondern ein Muster für zukünftige Kriege der NATO-Staaten. Militärische Angriffe sind Teil der NATO-Strategie geworden. Die Angriffe der NATO-Staaten werden zumeist aus der Ferne erfolgen mit dem Ziel der größtmöglichsten Wirkung beim Gegner und der Vermeidung eigener Verluste. Das ist ein Muster „neuer Kriege“. Die Bundeswehr wird entsprechend der neuen NATO-Strategie zur Profiarmee für Kampf- und Kriegseinsätze weiter umgebaut.

Russland, das noch vor einem Jahr gegen den Jugoslawienkrieg Stellung bezogen hat, führt inzwischen seit längerem in Tschetschenien einen Krieg, der am Anfang nach dem Muster des NATO-Krieges ein Luftkrieg war, später wurde er zum dreckigen umfassenden Bodenkrieg, zu einem Krieg alten Musters. Sowohl der NATO-Krieg gegen Jugoslawien als auch der Tschetschenienkrieg werden von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und der Naturwissenschaftler/innen-Initiative für Frieden- und Zukunftsfähigkeit klar verurteilt.

Wir verurteilen, daß die Europäische Union nach dem Jugoslawienkrieg sich nun auch zu einem Militärbündnis verwandeln will. Zivile zwischenstaatliche Strukturen werden militarisiert.

„Humanitäre Interventionen“ sind ein unzutreffendes Zauberwort der Regierenden und der Militärs und stellen die Umsetzung der neuen NATO-Strategie dar. Militärische Interventionen sind interessengeleitet und entwickeln eine enorme militärische Eigendynamik und haben negative Langzeitfolgen. Häufig sind solche Interventionen von Industriestaaten im Norden gegen ärmere Staaten oder sogenannte „Schurkenstaaten“ (Zitat US-Strategie) gerichtet.

Wir verurteilen, daß die neue NATO-Strategie nach wie vor die Ersteinsatzoption von Atomwaffen beinhaltet und die neue russische Militärstrategie die Schwelle für den Atomwaffeneinsatz herunter setzt.

Wir rufen dazu auf, sich gegen die neue NATO-Strategie und militärische Interventionen, also Krieg als Mittel der Politik zu engagieren! Stattdessen fordern wir der zivilen Konfliktbearbeitung als möglicher Option endlich wirkliche politische Priorität zu geben!

Tobias Pflüger für die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und

Reiner Braun für die Naturwissenschaftler/innen-Initiative für Frieden- und Zukunftsfähigkeit

Tübingen 07.05.2000, am ersten Jahrestag der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch NATO-Bomben