IMI-Aktuell 2015/522

BVerfG: Parlamentsvorbehalt

von: 24. September 2015

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Am 23. September 2015 hat das Verfassungsgericht über eine Klage der Grünen-Fraktion entschieden, welche der Meinung war, dass die „humanitäre“ Operation Pegasus zur Rettung von deutschen und anderen westlichen Staatsbürgern in Libyen 2011 zumindest nachträglich vom Bundestag beschlossen werden müsse.

Das BVerfG hat geurteilt, dass es sich zwar um einen grundsätzlich zustimmungsbedürftigen bewaffneten Einsatz und nicht um eine humänitäre Operation gehandelt habe, dass aber wegen Gefahr im Verzug eine Zustimmung durch das Parlament in diesem Fall nicht einzuholen war und auch nachträglich nicht einzuholen sei, da der Einsatz zu diesem Zeitpunkt schon beendet war und das Parlament ja nur über seine Zustimmung, aber nicht die Rechtmäßigkeit des Einsatzes entscheidet: „Der Bundestag ist auch nicht dazu berufen, über die Rechtmäßigkeit des exekutiven Handelns verbindlich zu urteilen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass einem nachträglichen parlamentarischen Beschluss keine Rechtserheblichkeit mehr zukommen kann.“ Auch wenn der Bundestag seine Zustimmung verweigere, gelte damit die Entscheidung der Exekutive im Vorfeld und damit der Einsatz nicht als rechtswidrig. Zu erinnern ist in diesem Fall daran, dass der Einsatz bewaffneter Fallschirmkräfte damals zwar angeblich mit der Führung der Aufständischen, nicht aber mit der amtierenden Regierung in Tripolis abgesprochen war, d.h. es handelte sich um eine Souveränitätsverletzung und damit einen Akt, der im damaligen Kontext dem im Urteil ausführlicher diskutierten „historische[n] Bild eines Kriegseintritts“ nahekommt.

Alarmierend sind im übrigen noch andere Formulierungen im Urteil des BVerfG. So heißt es in Urteil wie in begleitender Pressemitteilung: „Der konstitutive wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt ist nicht auf Einsätze bewaffneter Streitkräfte innerhalb von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit beschränkt, sondern gilt darüber hinaus allgemein für bewaffnete Einsätze deutscher Soldaten im Ausland.“ Was meint das Gericht hiermit? Hat es nicht selbst im Widerspruch zum Wortlaut des Grundgesetzes eins bewaffnete Auslandseinsätze unter der Bedingung (und mit der Begründung) ermöglicht, dass diese in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit stattfinden?

Update: Der rechtspolitische Korrespondent der Tageszeitung taz, Christian Rath, geht sogar so weit, das Urteil generell als Freibrief für geheime Operationen der Bundeswehr zu interpretieren: „Damit hat Karlsruhe für heimliche Kommandoaktionen der Bundeswehr den Parlamentsvorbehalt faktisch ausgehebelt. Denn solche Aktionen können naturgemäß nicht vorab diskutiert werden. Die neue Einschränkung gilt nicht nur für Hilfseinsätze, sondern auch für militärische Kommandos. Immer wenn die Bundeswehr schnell und geheim handelt, ist künftig keine Zustimmung des Bundestags mehr nötig“. Allerdings hat das Gericht auch behauptet, dass „die Frage[…] ob Gefahr im Verzug gegeben war, […] verfassungsgerichtlich voll überprüfbar“ sei und damit immerhin das Verfassungsgericht nachträglich über die „Rechtmäßigkeit“ eines Einsatzes entscheiden könne. Fast scheint es, als wolle sich das Oberste Gericht in Fragen von Bundeswehreinsätzen an die Stelle des Parlaments setzen. (cm)