IMI-Standpunkt 2015/017
Rede von Tobias Pflüger beim Ostermarsch in Stuttgart am Ostersamstag, 04.04.2015
von: 7. April 2015
Ja, liebe Freundinnen und Freunde, zuerst mal will ich Euch gratulieren, dass ihr beim diesem Sch…wetter hier seid, und ihr seid viele, Gratulation dazu. Wie Heike Hänsel richtig gesagt hat, es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum wir an Ostern auf die Straße gehen. Einer dieser Gründe wurde vor zwei Tagen entschieden.
Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat entschieden, dass sie bewaffnete Drohnen anschaffen will. Wir sind hier, weil wir das nicht hinnehmen wollen, dagegen demonstrieren wir hier. Diese geplante Anschaffung von Kampfdrohnen wird eine der fatalsten Entscheidungen sein, die im Militärbereich von dieser Koalition getroffen wird. Ich kann schon ankündigen, sie werden eine Opposition dagegen bekommen, wir werden alles tun, was möglich ist, damit diese Kampfdrohnen nicht angeschafft werden!
Liebe Freundinnen und Freunde, ich soll über 60 Jahre Bundeswehr reden, 60 Jahre Bundeswehr, ich könnte es mir einfach machen, sind 60 Jahre zu viel.
Aber, liebe Freundinnen und Freunde, die Bundeswehr ist der wesentliche Grund, warum es in Deutschland die Ostermärsche gibt. Wir alle wissen, das hat begonnen in den 50er Jahren mit dem Kampf gegen die Wiederbewaffnung. Ich werde immer wieder darauf hinweisen: Das ursprüngliche Grundgesetz hat keine Bundeswehr vorgesehen. Im ursprünglichen Grundgesetz gab es keine Bundeswehr, die wurde erst mit der Wiederbewaffnung endgültig 1956 eingeführt. Und seither wird die Bundeswehr Stück für Stück verändert. Inzwischen haben wir eine Bundeswehr, die entgegen des Grundgesetzes eine Interventionsarmee ist. Dagegen wenden wir uns. Wir wollen keine Interventionsarmee Bundeswehr, wir wollen keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, wir wollen diese Bundeswehr nicht.
Es waren mal bis zu 10.000 Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Derzeit sind es „nur“ 2.500. Aber: Gleichzeitig beteiligt sich die Bundeswehr derzeit an einer ganzen Reihe von Manövern und Übungen insbesondere in Osteuropa. Dabei werden – nach eigenen Angaben – ca. 5.200 Soldaten der Bundeswehr an diesen NATO-Manövern teilnehmen. Und die Begründung ist immer wieder, es sei deshalb notwendig diese Manöver zu betreiben, weil man ein Zeichen gegen Russland setzen will.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir wollen hier heute ein Zeichen setzen, dass Sicherheits- und Friedenspolitik nur mit Russland möglich ist und nicht gegen Russland. Und liebe Freundinnen und Freunde, wir fordern, dass sämtliche dieser NATO-Manöver gestoppt werden. Diese NATO-Manöver sind Kriegsgeklüngel. und das wollen wir nicht! Wir wollen, dass die Bundeswehr nicht an diesen Manövern teilnimmt!
Liebe Freundinnen und Freunde! Die Bundeswehr spielt bei diesen NATO-Manövern eine Schlüsselrolle. Die Bundeswehr soll bei der „Speerspitze“ der NATO (die nennen das tatsächlich so!) mehr als die Hälfte der 5.000 Soldaten stellen. Und das ist nur die Elitetruppe innerhalb der Eingreiftruppe der NATO, insgesamt sollen das 30.000 bis 35.000 Soldaten werden, die aufgestellt werden gegen Russland. Liebe Freundinnen und Freunde, wir fordern die Auflösung dieser Eingreiftruppe, wir wollen keine „Speerspitze“ der NATO!
60 Jahre Bundeswehr bedeutet auch, 60 Jahre NATO. Und diese NATO ist ein Kriegsführungsbündnis. Die NATO hat im Jahre 1999 am 20. März begonnen, das damalige Jugoslawien zu bombardieren. Damals war die Bundeswehr wesentlich mit beteiligt. Im Jahr 2001 hat der damalige Kanzler Schröder erklärt, Deutschland sei nach den Anschlägen von New York und Washington uneingeschränkt solidarisch mit den USA und deshalb müsse man einen Krieg in Afghanistan führen.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir werden nicht vergessen, dass sich die Bundeswehr, dieses Land an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen beteiligt hat. Gerhard Schröder hat es jetzt zugegeben, es sei völkerrechtswidrig gewesen, was damals passiert ist. Liebe Freundinnen und Freunde, wir wollen, dass solche Kriege nicht mehr passieren, wir wollen nicht, dass Angriffskriege mit deutscher Beteiligung stattfinden, wir wollen, dass endlich damit aufgehört wird!
Wer eine Bundeswehr hat, der muss nach der immanenten Logik auch gleichzeitig einen militärisch-industriellen Komplex vorhalten. Die derzeitige „Verteidigungs“-Ministerin Ursula von der Leyen, hat eine Liste in Auftrag gegeben, wie das derzeit so läuft mit den großen Rüstungsprojekten. Sie hat die 15 größten derzeit im Auftrag befindlichen und auch sehr teuren Projekte auflisten lassen und dabei wurde festgestellt, dass in keinster Weise die Rüstungsindustrie sich an Verträge hält, sondern dass die ganzen Waffen deutlich später kommen und ein Vielfaches teurer sind. Ich will mal zwei Bespiele nennen: Zum Beispiel der Eurofighter kam 136 Monate später wie vereinbart und war sage und schreibe 6,7 Milliarden teurer. Liebe Freundinnen und Freunde, stellt Euch das mal in der normalen Wirtschaft vor. Wenn jemand ein solches Projekt machen würde ist es entweder Stuttgart 21 oder das würde niemals gehen.
Liebe Freundinnen und Freunde, das ist nicht das einzige Rüstungsprojekt, sondern ein weiteres Beispiel, der NATO-Hubschrauber 90, kam 158 Monate später und kostete 1,1 Milliarden Euro mehr. Ich könnte gerade so weiter machen. Das hat damit zu tun, dass es einen Abnehmer gibt, den Staat, und die Rüstungsindustrie sich leisten kann, was sie will. Und es ist offensichtlich so, dass man für diese Rüstungsindustrie alles tut. Wir wollen, dass endlich die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie umgewandelt werden in zivile Arbeitsplätze!
Das gilt bundesweit und insbesondere auch hier in Baden-Württemberg, weil hier die Rüstungsindustrie stark ist. Ich begrüße ausdrücklich den Beschluss, den die IG Metall Stuttgart gefasst hat, für eine Rüstungskonversion und gegen Rüstungsexporte, ich danke der IG Metall Stuttgart für diesen Beschluss.
Jetzt wird es ein neues Weißbuch für die Bundeswehr geben. Ursula von der Leyen will die Bevölkerung daran teilnehmen lassen an dem Prozess der Erstellung des Weißbuches. Allerdings ist es so, dass es da eingeschränkte Voraussetzungen gibt: Es geht nämlich darum, wie die Bundeswehr in Zukunft effektiver sein kann.
Liebe Freundinnen und Freunde, dieses neue Weißbuch wird sehr viel klarer machen, auf was diese Bundeswehr in Zukunft ausgerichtet sein wird. Zum Beispiel auf das, was sie in Schnöggersburg üben wird, in dieser Übungsstadt im Bau, in der Colblitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt bei Magdeburg, dort wird der Häuserkampf geübt, dort wird Dschungelkampf geübt, dort wird geübt, wie in U-Bahnen gekämpft werden kann, das sind konkrete Kampfszenarien der Bundeswehr der Zukunft. Liebe Freundinnen und Freunde, das ist genau das was wir nicht wollen, wir wollen nicht, dass die Bundeswehr kämpft, wir wollen, dass sie abgerüstet wird.
Liebe Freundinnen und Freunde, lasst mich abschließend zu einem Punkt kommen, bei dem ich glaube, dass wir sehr entschieden kämpfen müssen. Es wird bisher ja immer behauptet, die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee. Und jeder Einsatz würde durch das Parlament gehen, wir wissen das stimmt nicht, aber jetzt kommt dazu, dass extra eine Kommission eingeführt wurde, die so genannte Rühe-Kommission, die insbesondere wenn es um gemeinsame Einsätze innerhalb der NATO und der EU geht, regeln soll, wie die ohne das jedesmal in Zukunft das beschließen zu lassen im Bundestag, durchgeführt werden können. Liebe Freundinnen und Freunde, hier wird der Parlamentsvorbehalt endgültig ausgehöhlt. Das wollen wir nicht und wir werden dafür kämpfen, dass wenn die Bundeswehr schon eingesetzt wird, dass es wenigstens so ist, dass der Bundestag darüber abstimmen muss.
Und ich komme zum Schluss, zu einem Punkt, der mir persönlich sehr wichtig ist. Die Bundeswehr befindet sich bis heute – und das sieht man z.B. an einer Reihe von Traditionsräumen – leider nach wie vor auch in der Tradition der Wehrmacht. An einem Punkt sind sie besonders stolz und beziehen sich bis heute darauf, das sind die Fallschirmjäger, aber auch die Gebirgsjäger. Die Fallschirmjäger der Wehrmacht hatten einen berühmt-berüchtigten Einsatz in Griechenland in Kreta.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir haben jetzt eine Debatte, dass die Bundesrepublik Deutschland bis heute nicht die notwendigen Reparationen gezahlt hat und bis heute nicht den Zwangskredit, den damals das nationalsozialistische Regime Griechenland abgetrotzt hat, zurückgezahlt hat.
Liebe Freundinnen und Freunde, auch das hat etwas mit der Bundeswehr zu tun, dass sie sich immer noch auch in der Tradition der Wehrmacht sieht. Und ich bin der Meinung, dass es richtig ist, dass endlich Reparationen an Griechenland und die griechischen Menschen, die darunter gelitten haben, gezahlt werden! Und es wäre dringend notwendig, dass endlich diese Tradition der Bundeswehr mit der Wehrmacht vollständig beendet wird.
Liebe Freundinnen und Freunde, ich danke Euch!