IMI-Standpunkt 2014/052
Deutschland ein zentraler Ort der Waffenproduktion
von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 24. September 2014
Nachdem die Bundesregierung entschieden hat, Waffen an die kurdischen Peschmerga zu liefern und dies ausgerechnet am 1. September 2014 im Bundestag debattieren und mit einer Abstimmung unterstützen ließ, sind Rüstungsexporte und Rüstungsproduktion wieder mehr im Fokus der Debatte. Dies wirft die Frage auf, welche Rolle dabei nun die bundesdeutsche Rüstungsindustrie spielt?
Beschäftigte in der Rüstungsindustrie
Es gibt viele Mythen, wie viele Menschen im Bereich der Kriegswaffenindustrie beschäftigt sind. Die Zahlen, die man finden kann, schwanken enorm. Einer der Lobbyverbände der Rüstungsindustrie, der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, BDSV, spricht davon, dass sogar 300.000 (!) Beschäftigte – darin eingeschlossen Beschäftigte in Zulieferbetrieben – von Rüstungsproduktion abhängen. Das ist natürlich politisches Wichtigmachen. Realistisch sind Zahlen unter 100.000, die Bundesregierung spricht von 80.000 Beschäftigten. Allerdings sind auch diese Zahlen problematisch, da nicht genau unterschieden wird zwischen tatsächlicher Kriegswaffenproduktion und so genannter Dual-Use-Produktion, also Produkten, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind sowie ziviler Produktion in Firmen, die Rüstungsprodukte herstellen. Wird dies berücksichtigt, geht selbst der BDSV von weniger als 20.000 Beschäftigten im Kernbereich Kriegswaffenproduktion aus. Angesichts von 42 Millionen Erwerbstätigen sind diese 20.000 bis 80.000 Beschäftigte in der Rüstungsindustrie gering. Als Umsatz der Rüstungsindustrie wird die Summe von 23 Milliarden Euro genannt.
Die Konzerne und Firmen der Rüstungsindustrie
Um welche Firmen oder Konzerne in Deutschland geht es nun? Im Folgenden einige Beispiele:
Die Airbus Group (früher hieß der Konzern EADS) ist der größte deutsche bzw. deutsch-französische Rüstungskonzern (die Firmensitze sind in München und Toulouse), die Airbus Group wird auch gerne als „Luftfahrtkonzern“ bezeichnet. Die Airbus Group ist Hersteller von Großwaffen wie dem Eurofighter, des Militärtransporter-Flugzeuges Airbus 400M, des militärischen Tankflugzeuges Airbus 330, des Kampfhubschraubers Tiger, des Transporthubschraubers NH 90 u.a. Bei der Airbus Group werden auch Raketen, Überwachungssysteme und Militärelektronik hergestellt. Der Umsatz wird mit 16,36 Mrd. Euro benannt.
Der Spürpanzer Fuchs, aber auch Munition, Militärelektronik und Flugabwehrsysteme werden bei Rheinmetall hergestellt. Das Gefechtsübungszentrum in der Colblitz-Letzlinger Heide, ein hochtechnisierter Truppenübungsplatz, wurde von Rheinmetall Defence eingerichtet. Der Düsseldorfer Konzern soll einen Umsatz von 2,66 Mrd. Euro haben.
Der Konzern „Thyssen-Krupp Marine Systems“ (TKMS) ist vielen noch nicht bekannt. Er ist entstanden aus der Fusion der Thyssen-Krupp-Werften und der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW). Hier werden die U-Boote U 212 und 214 hergestellt. TKMS stellt auch Fregatten und Minenräumschiffe her. Es werden 8.000 Mitarbeiter/innen genannt und ein Rüstungsumsatz von 1,34 Milliarden Euro.
Der Diehl-Konzern stellt u.a. die Lenkwaffe Iris-T als Rakete für Kampfflugzeuge her, sie wird benutzt beim Eurofighter, Tornado, der schwedischen Gripen oder der US-Jets F-16 oder F-18. Außerdem stellt Diehl Munition, Panzerketten und Schutzsysteme her. Der Umsatz im Kriegswaffenbereich wird mit 1,16 Milliarden Euro benannt, als Beschäftigte 12.000 Menschen.
MTU Aero Engines mit Sitz in München mit nominellen 7600 Mitarbeiter/innen ist aktiv im Bereich von militärischen Flugzeugtriebwerken, am bekanntesten die Triebwerke für den Eurofighter. Gemeinsam mit anderen (im Konzernverbund „Engine Alliance“) ist MTU Aero Engines verantwortlich für die Triebwerke des militärischen Transportflugzeuges Airbus A380. Der Umsatz im Kriegswaffenbereich 640 Mio. Euro.
Ein zentraler Hersteller von Panzern und Panzerfahrzeugen ist Krauss-Maffei Wegmann (KMW). Bei KMW wird u.a. der Leopard 2, ein wichtiges Exportprodukt, in allen Varianten hergestellt. Der Rüstungsumsatz wird mit 1,59 Mrd. benannt.
Wichtig als Rüstungsfirma ist auch noch Heckler & Koch, in Oberndorf am Neckar werden Handfeuerwaffen: Pistolen, Gewehre, Maschinengewehre hergestellt. Am bekanntesten sind die Sturmgewehre G3 und nun G36. Als Mitarbeiterzahl wird 600 genannt, der Umsatz dürfte bei ca. 250 Mio. Euro liegen.
Oligopole
Um die Rüstungsindustrie politisch einzuordnen, ist es wichtig, ihre Struktur zu verstehen. Im Deutschland des Jahres 2014 hat sich Stück für Stück eine oligopolisierte Rüstungsindustriestruktur herausgebildet. D.h., dass es zumeist in den einzelnen Bereichen (Panzer, Handfeuerwaffen, Kriegsschiffe etc.) jeweils einige wenige bis einen Anbieter gibt, die zwar häufig keine Monopol, aber eine Oligopolstellung haben. Der Staat ist somit darauf angewiesen, die Kriegswaffen von diesen wenigen Anbieter zu kaufen, was natürlich deren Stellung sehr stark macht.
Europäische Kooperation im Rüstungsbereich
Im Bereich der Rüstungsindustrie ist eine zunehmende Kooperation im europäischen Bereich festzustellen. Dies soll weiter verstärkt werden, auch im Sinne einer Arbeitsteilung. Rüstungsgüter sollen gemeinsam angeschafft und später genutzt werden (Pooling & Sharing). Zum EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat am 19./20. Dezember 2013 hatte die damalige EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Catrine Ashton, einen Maßnahmenkatalog vorgelegt mit dem Ziel „Effizienzsteigerungen“ für eine „Verbesserung“ der militärischen Fähigkeiten zu erreichen: „Die Zusammenarbeit erlaubt den Mitgliedsstaaten Kapazitäten gemeinsam zu entwickeln, anzuschaffen, zu warten und zu verwenden und dabei den größtmöglichen Nutzen aus Skaleneffekten zu ziehen und so die militärische Effektivität zu vergrößern. […] Es bedarf eines starken Impulses auf Ebene des Europäischen Rates, um Pooling & Sharing sowohl in der Verteidigungsplanung und im Entscheidungsprozess der Mitgliedsstaaten zu verankern als auch um Schlüsselkapazitäten durch große Kooperationsprojekte bereitzustellen.“
Ein Kollateralschaden der europaweiten Rüstungskooperation zeichnet sich bereits ab: Da gesichert werden soll, dass Staaten auf ‚gepoolte‘ Kapazitäten zurückgreifen können, sofern sie sich zu einer Militärintervention entschlossen haben, sucht die Schwarz-Rote Bundesregierung nun nach Wegen, diesen Bereich vom Parlamentsvorbehalt auszunehmen. So heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag: „Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. Die Kommission wird darauf aufbauend Handlungsoptionen formulieren.“
Eines der wesentlichen „großen Kooperationsprojekte“, das von Ashton vorgeschlagen wurde, ist die Entwicklung einer EU-Drohne (Remotely Piloted Aircraft Systems, RPAS). Geld hierfür soll unter anderem aus dem kommenden EU-Forschungshaushalt für die Jahre 2014-2020 (Horizon 2020) locker gemacht werden (S. 17). Auch hier deckt sich die EU-Agenda mit den Bestimmungen aus dem Schwarz-Roten Koalitionsvertrag: „Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen.“
Somit wird das Thema Rüstungsproduktion (und damit auch Rüstungsexporte) in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Zumal die Bundesregierung in Kürze eine Strategie zur Stärkung des deutschen Rüstungssektors vorlegen will.