IMI-Analyse 2021/27b (Update: 18.6.2021)

Leuchtturmprojekt auf der Kippe

Das Luftkampfsystem FCAS erfährt starken Gegenwind

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 16. Juni 2021

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Es gilt als das derzeit wichtigste Rüstungsprojekt in Europa, das Luftkampfsystem der Zukunft (Future Combat Air System, FCAS). Dabei handelt es sich um ein von Frankreich und Deutschland vorangetriebenes Vorhaben mit Spanien als Juniorpartner, in dessen Zentrum die Entwicklung eines Kampfjets der 6. Generation steht, der von bewaffneten und unbewaffneten Drohnen begleitet werden soll. Als Leuchtturmprojekt für den Aufbau eines europäischen Rüstungssektors unter deutsch-französischer Dominanz genießt das FCAS auch politisch hohe Priorität, es erfährt aber aktuell dennoch massiven Gegenwind (siehe Telepolis, 3.2.2021).

Für die Befürworter des Vorhabens ist dies insofern misslich, weil der Bundestag am 23. Juni die Freigabe der Gelder für die nächste Projektphase beschließen soll. Ansonsten droht eine massive Verzögerung, da nach den Bundestagwahlen auch bald der Wahlkampf in Frankreich ansteht. Die Internationale Politik schreibt dazu: „Der Druck auf die deutsche Regierung also ist immens, denn in diesem Sommer tritt FCAS in die entscheidende Planungsphase. Im April haben die beiden ausführenden Rüstungskonzerne Dassault Aviation und Airbus Defence and Space ihren Regierungen einen Plan auf den Tisch gelegt, der den Bau eines flugfähigen Prototyps bis 2027 vorsieht. Kostenpunkt: rund neun Milliarden Euro. Soll der Zeitplan eingehalten werden, müsste der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode einen Finanzierungsplan freigeben mit dem deutlichen Hinweis: Hier wird nicht mit Millionen, sondern Milliarden gerechnet.“

Aus diesem Grund wird von interessierten Kreisen derzeit alles darangesetzt, das Projekt in trockene Tücher zu bekommen. Laut der französischen La Tribune soll sich zum Beispiel einer der potenziellen Hauptprofiteure schon seit einiger Zeit mit Blick auf die anstehende Abstimmung über die FCAS-Gelder an deutsche Politiker heranschmeißen: „Nach unseren Informationen hat Airbus bereits damit begonnen, Briefe an einflussreiche Politiker in Deutschland zu schicken, um die Bedeutung dieser Vereinbarung und die entscheidende Rolle der deutschen Industrie in diesem Programm zu erklären.“

Nicht nur dass das Projekt jetzt schon happige Kostensteigerungen aufweist; umstritten ist vor allem die Frage, aus welchem Haushalt die Milliardenbeträge kommen sollen – nach Auffassung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nämlich nicht aus dem Verteidigungshaushalt, sondern aus dem Allgemeinen Haushalt. Das FCAS ist das prominenteste von 15 Projekten, die Kramp-Karrenbauer in einem bislang einmaligen Vorgang zur Abstimmung vorgelegt hat, ohne dass sie finanziell vom Verteidigungshaushalt abgedeckt wären. Sie setzt dabei darauf, dass die Abgeordneten die Finanzierung aufgrund der Bedeutung der Projekte dennoch zusichern werden (siehe Telepolis, 13.5.2021). Mit diesem Erpressungsversuch hat es Kramp-Karrenbauer nun aber geschafft, Parlamentarier aus CDU und SPD in einem Ausmaß gegen sich aufzubringen, dass Insider davon ausgehen, selbst bei einem Wahlsieg der Union könne sie sich das Amt der Verteidigungsministerin abschminken.

Ungemach droht dem FCAS auch noch aus den Reihen des Verteidigungsministeriums selbst, wo laut einem internen Bericht, der nun an die Presse durchgestochen wurde, die – offiziell beigelegten – Konflikte mit Frankreich als so gravierend beurteilt werden, dass die nächste Projektphase aktuell „nicht zeichnungsreif“ sei. Auch der Bundesrechnungshof mischte sich in die Debatte ein und bemängelte vor allem, dass den Abgeordneten wesentliche für eine Entscheidung notwendige Fakten nicht vorgelegt werden.

Gründe gibt es also genug, das Projekt so schnell wie möglich einzustampfen, bevor nicht nur wie bislang Millionen, sondern unzählige Milliarden darin versenkt werden – und das ist auch genau die Forderung, die jetzt aus der Friedensbewegung mit der kürzlich gestarteten Kampagne „100 Milliarden Euro für neues Luftkampfsystem „FCAS“? Wir sagen NEIN und werden aktiv!“ erhoben wird.

Wer soll das bezahlen (und wieviel?)

Beim FCAS geht es um riesige Summen, auch wenn sehr unterschiedliche Schätzungen über die schlussendlichen Baukosten kursieren, die von ca. 100 bis 300 Mrd. Euro reichen – mit dem Erstflug wird aktuell 2035 gerechnet, erste Auslieferungen dürften nicht vor 2040 stattfinden. Angesichts dessen sind die bislang für das Projekt aufgewendeten Gelder noch einigermaßen überschaubar, zusammen brachten Deutschland und Frankreich bisher 215 Mio. Euro ein. Doch mit der nun anstehenden Projektphase 1B, die bis 2024 gehen und den Auftakt für den Bau eines Prototyps darstellen soll, dessen Fertigstellung aktuell für 2027 vorgesehen ist, dürfte es nun richtig teuer werden (siehe IMI-Studie 2021/4).

Ursprünglich wurden die Kosten bis zur Fertigstellung eines Prototyps 2027 (Phasen 1B und 2) einmal auf rund 9 Mrd. Euro geschätzt. Für die Zeit bis 2030, wenn mit der Entwicklung begonnen werden soll, wird aktuell vom Verteidigungsministerium allein für Deutschland mit weiteren 4 Mrd. Euro gerechnet. Doch laut einem ZDF-Bericht vom 15. Juni 2021 wurden nun bereits die Kostenschätzungen für die Phasen 1B und 2 deutlich nach oben korrigiert: „Das Projekt wird schon in seiner Anfangsphase mehr Geld kosten als von vielen erwartet. Das Bundesfinanzministerium (BMF) bittet die Haushälter um Zustimmung für einen Gesamtbedarf bis 2027 über rund 4,5 Milliarden Euro. Das Geld ist bislang im Haushalt so nicht eingeplant, käme sozusagen ‚on top‘ und müsste extra genehmigt werden. Da die drei beteiligten Staaten sich die Kosten teilen, bedeutet das: Schon in der Frühphase kostet die Entwicklung des neuen europäischen Kampfjets über 13 Milliarden Euro.“

Zunächst geht es aber um die Gelder für die Phase 1B bis 2024, in der u.a. Meilensteine erarbeitet werden sollen, bei deren Erreichen automatisch Phase 2 und damit auch deren Gelder freigegeben werden – eine weitere Befassung des Bundestages ist in diesem Fall dann nicht mehr vorgesehen. Was die Summe der beantragten Gelder anbelangt, so trugen eine Reihe von Medien ihren Teil zur Verwirrung bei. So schrieben etwa der Deutschlandfunk oder die FAZ davon, die Abgeordneten sollten „über eine Vorlage in einer Höhe von 25 Millionen Euro beraten.“ Tatsächlich handelt es sich um eine sogenannte 25-Millionen-Euro-Vorlage, weil der Antrag diesen Betrag übersteigt und deshalb grundsätzlich noch einmal separat von Verteidigungs- und Haushaltsausschuss bewilligt werden muss.

Soweit, so peinlich – allerdings herrschte tatsächlich lange völlige Unklarheit darüber, um welchen Betrag es konkret gehen soll. Als Gesamtkosten der nächsten Projektphase 1B wurden zwischen 2,5 Mrd. Euro (La Tribune) über 3,5 Mrd. Euro (FAZ) bis hin zu 4,5 Mrd. Euro (SZ) angegeben. Schlussendlich wurden für die Phasen 1B und 2 die bereits erwähnten rund 4,5 Mrd. Euro beantragt – viel wesentlicher ist allerdings, dass das Verteidigungsministerium nicht der Auffassung ist, dass diverse Rüstungsgroßprojekte, insbesondere das FCAS, nicht über den Militärhaushalt (Einzelplan 14) finanziert, sondern aus dem Allgemeinen Haushalt  (Einzelplan 60) „alimentiert“ werden sollen. Auf der BMVg-Internetseite heißt es dazu: „Verbleibende Rüstungsvorhaben, die im Ergebnis aus aktueller Sicht nicht aus dem Einzelplan 14 finanziert werden können, bedürften für ihre Realisierung einer Alimentierung aus dem Gesamthaushalt des Bundes. Dazu zählen zum Beispiel die Großvorhaben, zu denen sich die Bundesregierung zuletzt im Zusammenhang mit den Eckwerten des Regierungsentwurfs zum Haushalt 2022 und zum Finanzplan bis 2025 bekannt hat. Dies gilt insbesondere für Vorhaben im Rahmen internationaler Rüstungskooperationen.“

AKK pokert sich um Kopf und Kragen

Aus Sicht der Verteidigungsministerin reicht der Militärhaushalt trotz immenser Steigerungen in den letzten Jahren bei weitem nicht aus, um alle (Wunsch)projekte finanzieren zu können. Aus diesem Grund leitete sie dem Bundestag nicht nur eine Liste mit 51 Vorhaben zur Abstimmung zu, für die Gelder hinterlegt sind, sondern eine zweite Aufstellung mit 15 weiteren, für die das nicht der Fall ist: „Die Kosten für die bisher nicht sicher finanzierten Vorhaben summieren sich auf etliche Milliarden Euro. Dazu zählen demnach die nächsten Schritte bei der Entwicklung einen deutsch-französischen Kampfjets (FCAS) – Europas größtem Rüstungsprojekt mit einem geschätzten Gesamtvolumen von rund 100 Milliarden Euro – und eines deutsch-französischen Kampfpanzers sowie bei der gemeinsamen Entwicklung von U-Booten mit Norwegen.“ (Reuters)

Anstatt wie üblich, dem jeweiligen Projekt den Titel aus dem Verteidigungshaushalt zuzuordnen, wurde bei den besagten 15 Vorhaben lediglich in Klammern „Bundeshaushalt“ dahinter gesetzt, um damit klar zu signalisieren, dass das Geld dafür nicht aus dem Bundeswehr-Etat stammen soll (siehe Rüstungsgroßprojekte: Milliardenpoker des Verteidigungsministeriums).

Bereits seit einiger Zeit wird mit dem Argument hantiert, vor allem europäische Rüstungskooperationsprojekte müssten aufgrund ihrer (industrie)politischen Bedeutung außerhalb des BMVg finanziert werden – das nun gewählte Vorgehen ist augenscheinlich der Versuch, dieser Auffassung mit Biegen und Brechen Geltung zu verschaffen. Womöglich hat sich Kramp-Karrenbauer aber grandios verkalkuliert – schließlich sind auf ihrer Nicht-Finanzierbar-Liste sogar auch Projekte gelandet, die bislang als abgesichert galten. Das brachte nun parteiübergreifend CDU- und SPD-Abgeordnete mächtig auf die Palme. In einem gemeinsamen Brief machten die CDU-Abgeordneten Eckhardt Rehberg (Haushalt) und Henning Otte (Verteidigung) sowie die SPD-Parlamentarier Dennis Rohde (Haushalt) und Siemtje Möller (Verteidigung) keinen Hehl aus ihrem Unmut. Bei Augengeradeaus wird der Wortlaut zitiert: „Für einen Großteil dieser 15 Vorlagen sind im Verteidigungshaushalt 2021 sowie in der aktuellen Finanzplanung bereits entsprechende Mittel veranschlagt und in den Geheimen Erläuterungen entsprechend ausgewiesen. Daher können wir nicht nachvollziehen, dass eine Finanzierung aus dem Einzelplan 14 [Verteidigungshaushalt] nicht mehr leistbar ist. […] Sowohl die mangelnde und verspätete Kommunikation als auch die nicht ausreichende Qualität der Antworten auf die Fragen aus dem parlamentarischen Raum verwundern. Abschließend weisen wir nochmals darauf hin, dass die geplanten Vertragsabschlüsse oder deren eventuell notwendige Priorisierung nicht ohne das Parlament erfolgen werden. Um noch eine Behandlung der geplanten 25 Mio. Euro-Vorlagen in dieser Legislaturperiode gewährleisten zu können, bitten wir um Rückantwort bis Freitag, den 28. Mai 2021.“

Die Antwort der Ministerin, die sich an der Kritik ihrer Kollegen nicht weiter zu stören scheint, findet sich ebenfalls bei Augengeradeaus: „Ich habe im Verteidigungsausschuss, im Haushaltsausschuss und öffentlich deutlich gemacht, dass für mich das Prinzip gilt, dass kleine und mittlere Projekte, die häufig direkt der Truppe zugutekommen, im Haushalt nicht durch Großprojekte verdrängt werden dürfen. […] Wenn sich die steigenden Kosten für Personal, Versorgung, Materialerhalt, Betreiberverträge, Militärische Anlagen etc. nicht in einem entsprechend steigenden Plafond widerspiegeln, verbleiben nur zwei Möglichkeiten des Handelns: Entweder wären diese Mittel zu kürzen – mit unmittelbaren Folgen für die Truppe – oder die disponiblen Ausgaben wären zu reduzieren. Dies sind im Wesentlichen die rüstungsinvestiven Ausgaben.“

Zwischenzeitlich hieß es dann, Finanzminister und Verteidigungsministerin hätten sich über mehr Gelder für die Finanzierung von FCAS (und anderen Großprojekten) verständigt. In einem Tweet vom 8. Juni 2021 von Spiegel-Redakteur Matthias Gebauer: „Die #Bundeswehr soll bis 2025 insgesamt 7,2 Milliarden Euro mehr für große, bisher nicht durch den EP14 finanzierte Rüstungsprojekte bekommen. Darauf haben sich die Unterhändler von @OlafScholz und  @akk laut Insidern geeinigt.“ In einem zweiten Tweet präzisiert der Spiegel-Mann, woher die Gelder stammen sollen – teils augenscheinlich nicht aus dem Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14): „Scholz will 5 Mrd für neue Investitionen wie FCAS, die DEU-NOR U-Boote und weitere Projekte rauflegen. 2,2 sollen aus dem EP14 kommen.“ Einen Tag später meldete die Süddeutsche Zeitung allerding ein wenig abweichende Zahlen: „Nun haben Finanz- und Verteidigungsministerium offenbar zusammen mit den Parlamentariern doch noch einen Kompromiss gefunden. Kramp-Karrenbauer soll von 2022 an jeweils eine Milliarde Euro mehr eingeplant bekommen, um vor allem die für die internationale Zusammenarbeit bedeutsamen Großprojekte anschieben zu können, darunter U-Boot-Projekte mit Norwegen und Flieger-Entwicklung mit Frankreich.“

Ob die Abgeordneten diesem Kompromiss aber folgen werden, ist zumindest nicht völlig sicher, zumal Mitte Juni über heftige Kritik des Bundesrechnungshofs berichtet wurde. Es solle über Phase 1B entschieden werden, obwohl „weder die Konzeptstudie noch die Phase 1A bisher beendet werden konnten und abschließende Ergebnisse insofern nicht vorliegen.“ Ferner könnten die Abgeordneten überhaupt nicht wissen, über was sie abstimmen würden, schließlich konnte „dem Parlament noch kein endverhandeltes Vertragswerk vorgelegt werden“, so der Bundesrechnungshof weiter.

Aktuell ist also völlig unklar, wie die Abgeordneten auf diese ganzen ungeklärten Fragen und Probleme bei der Abstimmung Ende Juni reagieren werden – langfristig dürfte das Vorgehen Kramp-Karrenbauer aber den politischen Kopf gekostet haben. Über den Brandbrief der SPD/CDU-Abgeordneten schrieb der Insiderdienst griephan-Briefe (21/2021): „Es ist schwer vorstellbar, dass sich Annegret Kramp-Karrenbauer nach dieser politischen Ohrfeige für ein Amt in einer christdemokratisch geführten Bundesregierung nach der Wahl im September empfiehlt. Wir hören ‚Unter den Linden‘, dass es das dann war.“

French Combat Air System: „Nicht zeichnungsfähig“

Dafür, dass Deutschland und Frankreich eigentlich beim FCAS als „Partner“ agieren, geht es zwischen ihnen überaus ruppig zu, weil jede Seite permanent der Auffassung ist, zu kurz zu kommen. Frankreich treibt vor allem der Verdacht um, die Gegenseite sei primär darauf erpicht, sich das technologische Know-How unter den Nagel zu reißen, wie die NZZ beschreibt: „Dassault hält sich für das einzige Unternehmen Europas, das ohne Hilfe ein modernes Kampfflugzeug bauen kann. Airbus beherrsche wichtige Bestandteile wie die Flugsteuerung oder die Tarnkappen-Technologie nicht. «Dassault hat möglicherweise den Eindruck, dass sie beim FCAS mehr zu verlieren als zu gewinnen haben», erläutert der französische Verteidigungsexperte Jean-Charles Larsonneur. Auch einige Militärs und Experten fürchteten, technologisches Wissen zu verschleudern für ein Projekt, das in ein paar Jahren scheitern könnte.“

Aus deutscher Sicht wird wiederum die französische Führungsrolle beklagt, wenn etwa die rüstungsnahe Internetseite hartpunkt.de schreibt: „In Industriekreisen wird diese Konstellation mitunter als ‚schwerer Geburtsfehler‘ bezeichnet. Aufgrund der Dominanz des Nachbarlandes in dem Projekt heißt es hinter vorgehaltener Hand auch schon mal, FCAS stehe für  French Combat Air System.“

Der Knackpunkt hierzulande ist die Sorge, dass Frankreich bzw. Dassault durch die Führung beim FCAS-Filetstück, dem Kampfflugzeug, das dabei entwickelte Know-How monopolisieren könnte. Öffentlichkeitswirksam wurde in diesem Zusammenhang der Airbus-Betriebsrat mit einer Erklärung Mitte Februar 2021 nach vorne geschickt, die in den deutschen Medien breite Beachtung fand: „Dreh- und Angelpunkt des FCAS ist ein neues europäisches Kampfflugzeug (‚New Generation Fighter‘), das als Nachfolger des Eurofighter und der französischen Rafale vorgesehen ist. Derzeit ist nur ein Demonstrator geplant, der bei Dassault in Frankreich auf Rafale-Basis entwickelt und gebaut werden soll. Damit würde die Luftfahrtindustrie inklusive der Zulieferbetriebe in Deutschland kurzfristig ins Abseits gestellt, langfristig wäre dies wohl das Aus der Branche in unserem Land.“

Mit Blick auf die nahende Abstimmung im Bundestag wurde dann aber zunächst verkündet, die Kontrahenten hätten sich auf eine Lösung geeinigt, sodass das Verteidigungsministerium Mitte Mai meldete, dem Bundestag könne nun ein Finanzierungsantrag vorgelegt werden: „Deutschland, Frankreich und Spanien haben in den vergangenen Wochen intensive und harte Gespräche geführt. Ziel dabei war stets, auf Augenhöhe zu agieren und eine für jeden faire Aufteilung der Arbeitspakete in Qualität und Quantität zu generieren. Im Ergebnis wird hiermit informiert, dass im Zuge dieser regierungsseitigen Verhandlungen zur bruchfreien Fortführung des trinationalen Projekts Next Generation Weapon System (NGWS) in einem Future Combat Air System (FCAS) nunmehr eine grundsätzliche Einigung zum weiteren Vorgehen erzielt wurde. […] Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die parlamentarische Befassung mit einer 25 Mio. €-Vorlage in der 25. Kalenderwoche zur Fortsetzung des Projekts geschaffen.“

Wer glaubte, damit seien die Streiterei endgültig beigelegt, sah sich aber am 4. Juni eines Besseren belehrt, als Spiegel Online über ein internes Bundeswehr-Papier berichtete, das ihm zugespielt worden war. Bei n-tv heißt es dazu: „Das Vorzeigeprojekt für einen gemeinsamen europäischen Kampfjet stößt laut ‚Spiegel‘ auf Vorbehalte. In einer geheimen Stellungnahme für das Verteidigungsministerium kommen Experten des Koblenzer Beschaffungsamts der Bundeswehr zu dem Schluss, dass der Vertrag mit Frankreich und Spanien ‚aus technisch-wirtschaftlicher Sicht nachverhandelt werden muss‘, wie das Nachrichtenmagazin berichtet. In seiner jetzigen Form halten die Experten den Vertrag für ‚nicht zeichnungsreif‘. […] Nach Auffassung der Experten werden mit dem Vertrag ‚Strukturen und Regeln‘ fortgeschrieben, die ‚nicht im deutschen Interesse sind und nahezu ausschließlich französischen Positionen genügen‘, zitiert der ‚Spiegel‘ weiter aus dem Bericht. Damit sei die ‚französische Dominanz im Programm sehr stark verankert‘.“

Friedensbewegung: Nein zu FCAS!

Abseits ganz grundsätzlicher friedenspolitischer Erwägungen, die für den überwiegenden Teil der Abgeordneten aber wohl keine Rolle spielen dürften, sprechen eine Reihe weiterer Gründe dafür, das FCAS-Vorhaben zu versenken, bevor die Kosten zwei- oder dreistellige Milliardenbeträge erreichen. Die unterschiedlichen Konfliktlinien innerhalb des BMVg und zwischen dem Ministerium und den Abgeordneten der Regierungskoalition vergrößern die Chance, dass das Projekt bei der kommenden Abstimmung zumindest einen Dämpfer erhält, indem die Entscheidung über die Vergabe der Gelder in die nächste Legislaturperiode vertagt wird.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat das Netzwerk Friedenskooperative vor wenigen Tagen die Kampagne „100 Milliarden Euro für neues Luftkampfsystem „FCAS“? Wir sagen NEIN und werden aktiv!“ gestartet. Auf der Seite werden zahlreiche Hintergrundinformationen zum FCAS zusammengetragen, aber auch zum Handeln aufgerufen: „Schreibe jetzt den Abgeordneten aus deinem Wahlkreis und fordere sie mit einer Postkarte dazu auf, sich gegen das 100 Milliarden Euro teure europäische Rüstungsprojekt „FCAS“ (Future Combat Air System) stark zu machen. Wir brauchen keine neuen Kampflugzeuge die vernetzt sind mit autonomen Kampfdrohnen!“