Sowohl der EU-Außenbeauftragte, der französische und die deutsche Außenministerin, der deutsche Botschafter in Israel und der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, werden im Bezug auf den iranischen Angriff auf zwei Ziele mit etwa 300 Raketen und Drohnen mit dem Adjektiv „beispiellos“ zitiert. Leitartikel u.a. bei Welt und Handelsblatt machen sich diese Einschätzung zueigen, selbst die Moderatorin der Nachrichtensendung des Deutschlandfunks „Das war der Tag“ vom 14. April 2024 plapperte ihn nach und stellte damit schlicht als Fakt dar, was westliche Politiker*innen so behaupten: Der Angriff des Iran auf Israel sei „beispiellos“. So auch ein Titel bei tagesschau.de: „Beispielloser Großangriff des Iran auf Israel“. Nur die taz sieht das anders, dort konstatiert Gilda Sahebi: „Dieser Angriff war weder beispiellos noch unverantwortlich. Er folgte der brutalen Logik der iranischen Machthaber“.
Dabei gibt es ziemlich konkrete Vorbilder. So titelte etwa der Bayrische Rundfunk am 3. Februar 2024: „US-Militär beginnt Vergeltungsangriffe in Irak und Syrien“. Demnach seien über 30 Minuten „mehr als 125 Präzisionsraketen oder Präzisionsbomben zum Einsatz gekommen“ um „mehr als 85 Ziele an sieben Standorten im Irak und Syrien“ anzugreifen. Tagesschau.de (wo jetzt von einem „[b]eispiellosen Großangriff“ getitelt wird) hatte bereits Ende Oktober 2023 geschrieben: „Das US-Militär hat Luftangriffe auf zwei Orte im Osten Syriens geflogen… US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, die ‚Präzisionsschläge zur Selbstverteidigung sind eine Reaktion auf eine Serie anhaltender und zumeist erfolgloser Attacken auf US-Personal im Irak und in Syrien durch vom Iran unterstützte Milizengruppen, die am 17. Oktober begonnen‘ hätten. Präsident Joe Biden habe die eng begrenzten Luftangriffe angeordnet, ‚um klarzustellen, dass die Vereinigten Staaten solche Attacken nicht dulden und sich, ihr Personal und ihre Interessen verteidigen werden‘.“
Im Prinzip folgte das iranische Regime ziemlich exakt diesem Playbook, hatte Reaktionen auf den Tod seiner Soldaten in einem Drittstaat angekündigt, einige Tage verstreichen lassen und dann Schläge auf Standorte durchgeführt, die vermeintlich mit den Angriffen auf die eigenen Kräfte in Verbindung stehen. In beiden Fällen wurde auch klargestellt, dass die Luftschläge von höchster Ebene angeordnet wurden und mit längeren Vorwarnzeiten operiert. Während die USA sich aber weitere Schläge offenhielten oder tw. sogar ankündigten, versuchte das iranische Regime klarzustellen, dass sich die Sache damit für sie erledigt hätte.
Kaum jemand hätte damals geschrieben, dass dies „der brutale Logik der US-amerikanische Machthaber“ folge.
Auch die Masse der eingesetzten Flugkörper ist keineswegs beispiellos. Die Angriffskiege der USA und ihrer Verbündeten etwa auf Jugoslawien 1999, auf den Irak 2003 und Libyen 2011 begannen mit deutlich umfangreichen Luftschlägen gegen deutlich mehr Ziele.
In einigen Beiträgen findet sich eine Erklärung für den Begriff „beispiellos“. Noch nie zuvor habe der Iran Israel direkt angegriffen. Das trifft grob zu, der Begriff „beispiellos“ allerdings bildet das nur sehr verzerrt ab.