IMI-Analyse 2024/11 - in: AMOS 1-24

Kriege verschärfen Klimakrise

Greenwashing schützt nicht vor dem Klimakollaps

von: Jacqueline Andres | Veröffentlicht am: 6. März 2024

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Der Artikel erscheint in der kommenden Ausgabe von AMOS, AMOS 1-24. Mehr Informationen: amos-zeitschrift.de

Während der 28. UN-Klimakonferenz 2023 hielten Aktivist*innen in einem von der Women’s International League for Peace and Freedom organisierten Protest einen aufblasbaren Elefanten in Höhe: Er symbolisierte den unangesprochenen Elefanten im Raum, die durch das Militär verursachten Emissionen.1 Nach Schätzungen der Scientists for Global Responsibility (SGR) verursachen die globalen Militärapparate 5,5% der globalen Emissionen. Ebenfalls besagen die Schätzungen der SGR, dass die militärischen Lieferketten ein Fünffaches des militärischen Kraftstoff- und Energieverbrauchs ausmachen könnten.2 Eine genaue Zahl der durch Militär verursachten Emissionen liegt nicht vor, da die Meldung der durch Auslandseinsätze verursachten Emissionen vom Kyoto Abkommen 1997 ausgeklammert und im Pariser Abkommen von 2015 der Freiwilligkeit der Staaten überlassen werden. Daran haben einige Staaten auch großes Interesse, denn dadurch rückten die immensen Emissionen nicht ins Rampenlicht und es blieb ebenfalls geheim, was sie in den Auslandseinsätzen trieben. So betonte Markus Rülke vom Bundesverteidigungsministerium: „Wir möchten nicht, dass jeder weiß, wie viel Treibstoff wir bei diesen Einsätzen verbrauchen – wie weit wir fliegen, wie weit wir fahren und wie unsere Übungsmuster aussehen.“3 In den letzten Jahren stieg der Druck aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, die militärischen Emissionen zu thematisieren und zu messen.

Wandel im Diskurs: Anerkennung der Problematik militärischer Emissionen

Tatsächlich findet im Diskurs ein Wandel statt, der sich auch im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Dubai zeigte. Zum ersten Mal fand ein „Tag des Friedens“ statt und die Rolle des Militärs an den globalen Emissionen wurde thematisiert. Doch dies fand in einer von der Münchener Sicherheitskonferenz organisierten Veranstaltung statt, an der u.a. der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg teilnahm. Dabei ging es um „Erklärungen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Verteidigungssektor, das toxische Erbe der Kriege und die Notwendigkeit von Netto-Null-Militär.“ Jedoch leitete COP28 keine konkreten Schritte zu einer verpflichtenden Transparenz und zu einer Abrüstungspflicht ein. Auch in der im Januar 2024 vom Analyse- und Rechercheteams des EU-Rates veröffentlichten Studie „Greening the armies“ wird eingestanden, so Jürgen Wagner, dass ein Problem mit CO2-Emissionen des Militärs und der diesbezüglichen Berichtspflicht vorliegt.4 Doch der Diskurs um grünes Militär ist weiterhin Augenwischerei und die Militärs und Verteidigungsministerien sind aus unterschiedlichen Gründen auch dazu gezwungen, sich den Zusammenhängen der Klimakrise mit dem Militär zu stellen. Zum einen beschränkt die bereits voranschreitende Klimakrise die Einsatzfähigkeit der Militärapparate und ihrer temperatursensiblen Kriegsgeräte: Beispielsweise explodierten im Rahmen von intensiven Hitzewellen zwischen 2018 und 2019 sechs Munitionsdepots im Irak und im Jahr 2020 eines in Jordanien.5 Zum anderen bringt eine Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energien und eine mögliche Energieautarkie auch militärische Vorteile, eine strategische Überlegenheit mit sich. Studien warnen zudem, dass sich die fossilen Energien voraussichtlich bis 2065 dem Ende zuneigen. In der Studie „Greening the armies“ wird zudem darauf hingewiesen: „Da sich die Gesellschaften von fossilen Brennstoffen abwenden, kann das Militär nicht der einzige Sektor bleiben, der weiterhin auf Diesel und Gas angewiesen ist. Der weitere Betrieb von Raffinerien und unterstützender Kraftstoffinfrastruktur für einen Sektor allein könnte unerschwinglich, wenn nicht gar unmöglich werden und würde unverhältnismäßig große Ressourcen erfordern“.

Grüne Bundeswehr – unglaubwürdige Mär?

Die Bundeswehr muss bis 2045 klimaneutral werden – so sieht es das im August 2021 in Kraft getretene novellierte Bundes-Klimaschutzgesetz. Es ist ein nicht realisierbares Vorhaben. Zwar richtete das Verteidigungsministerium im Jahr 2022 die Stelle einer Beauftragte für Nachhaltigkeit ein6 und veröffentlichte im November 2022 seine Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie, doch das Erreichen der „Klimaneutralität“ bis 2045 bleibt ohne Abrüstung unmöglich. In seiner Nachhaltigkeitsstrategie plant das Bundesverteidigungsministerium hinsichtlich von neun Handlungsfeldern auf Nachhaltigkeit hinzuwirken. Diese umfassen u.a. Mobilität, Beschaffung und Infrastruktur“.7 Mobilität dürfte das wichtigste Handlungsfeld sein, da die Emissionen der Bundeswehr hauptsächlich durch das Betreiben der militärischen Großgeräte entstehen. So verbraucht ein Eurofighter beispielsweise 3.500 kg pro Flugstunde, der Leopard-2-Kampfpanzer mehr als 500 Liter Treibstoff für 100 km im Gelände. Doch hier finden vor allem die Quellen der inländischen Mobilitätsemissionen Platz – die „grüne“ Mobilität heißt hier: Mehr als die bisherigen 600 Elektrofahrzeuge der Bundeswehr, mehr Fahrrad und öffentlicher Personennahverkehr, mehr ökologische Dienstreisen und mehr Telearbeit. Der entscheidende Punkt der Kraftstoffe für das Großgerät kann bislang nicht nachhaltig gestaltet werden. Zwar sollen synthetische Kraftstoffe noch weiter erforscht und die bisherige sehr geringe Produktion gesteigert werden – das ist Zukunftsmusik, die wenn überhaupt, vermutlich erst nach 2045 ertönen wird. Zum Thema Beschaffung werden die aktuell geplanten energieintensiven Rüstungsprojekte und die gesteigerte Munitionsproduktion nicht problematisiert, aber geplant ist die Beschaffung von recycelten Papier, ökologischen Möbeln, Bekleidung, Büroelektrogeräten und umweltverträglichen Reinigungsmitteln. Ähnlich dürfte hier die Nachhaltigkeitsstrategie in einem Kindergarten aussehen. Das Greenwashing des Militärs überzeugt längst nicht alle. Die eingeleitete „Zeitenwende“ und der Anstieg der globalen Rüstungsausgaben stellen die Weichen, die uns zu einem Klimakollaps zu führen drohen. In der Studie Climate Crossfire, herausgegeben u.a. von TNI, Stop Wapenhandel und Tipping Point North South betonen die Autor*innen, dass die Erfüllung der NATO-Mitglieder ihrer Zielvorgabe 2% des BIPs für Militär auszugeben, katastrophale Folgen mit sich zieht: Es würde zu „schätzungsweise 467 Millionen Tonnen zusätzlichen Treibhausgasemissionen führen“ und es würden innerhalb von fünf Jahren „bis 2028 schätzungsweise zusätzliche 2,57 Billionen US-Dollar von den Klimaausgaben abgezogen, was ausreichen würde, um die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel in allen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sieben Jahre lang zu decken.“8 Die kleinstufigen Nachhaltigskeitsziele der Bundeswehr sind somit zu wenig zu spät und völlig unbedeutend, wenn wir uns anschauen, wie sich die aktuelle globale Aufrüstungswelle entwickelt und was die Kriegseinsätze der Bundeswehr und anderer Streitkräfte bewirken.

Krieg und Aufrüstung – Weichen zum Klimakollaps

Doch nichts ist umwelt- und klimaschädlicher als Krieg. Die aktuellen Bilder der Zerstörung aus Gaza, die aufgeblähten gestrandeten Meeressäuger im Schwarzen Meer seit Beginn des Ukrainekrieges, die entlaubten Mangrovenwälder im Vietnamkrieg oder auch die brennenden Ölfelder Kuwaits illustrieren die Tatsache, dass Kriege der Zerstörung dienen und den Umweltschutz sowie den Respekt vor Leben in die Bedeutungslosigkeit drängen. Laut Klimaforscher*innen verursachten die ersten 18 Monate des Ukrainekrieges bis September 2023 Treibhausgasemissionen in der Höhe von 150 Millionen Tonnen CO2, etwa so viel wie Belgien jährlich. Es handelt sich um grobe Schätzungen, die den Treibstoffverbrauch der Militärgeräte, die kriegsbedingten Waldbrände und die geschätzten zukünftigen Wiederaufbauemissionen umfassen.9 Ähnliche Berechnungen liegen für Gaza vor: „In den ersten zwei Monaten des Krieges in Gaza sind gigantische CO2-Emissionen entstanden. Diese sind größer als der jährliche ökologische Fußabdruck von mehr als 20 Nationen. Über 99 Prozent der geschätzten 281.000 Tonnen Kohlendioxid, die in den ersten 60 Tagen nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober ausgestoßen wurden, lassen sich auf Israels Luftangriffe und die Bodeninvasion in Gaza zurückführen, so das Ergebnis einer erstmals durchgeführten Analyse von Forschern aus dem Vereinigten Königreich und den USA.“10 Auch der Wiederaufbau wird jährlich erhebliche Emissionen verursachen, „die höher sind als die von über 130 Ländern und sich damit mit denen Neuseelands messen können.“11 Die langfristigen Umweltschäden durch die flächendeckende Bombardierung Gazas und die Flutung der Tunnel unter Gaza mit Salzwasser durch die israelischen Streitkräfte, sind noch nicht konkret absehbar.12 Schauen wir nach Afghanistan, so finden wir Beispiele für eine solche Langzeitauswirkung durch Bomben: Im Jahr 2017 warf das US-Militär die „Mutter aller Bomben“, die GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast (MOAB), über Afghanistan ab und noch im Jahr 2023 litten Anwohner*innen an den Folgen, wie sie der Journalistin Lynzy Billing gegenüber schilderten: „Früher konnten wir auf meinem Land 150 Kilogramm Weizen ernten, aber jetzt bekommen wir nicht einmal mehr die Hälfte davon. […] Die Pflanzen sind krank und wir sind es auch.“13 Langfristige Schäden nehmen die Waldflächen in den Kriegsgebieten: Durch den Ersten und Zweiten Krieg bis 2003 in der Demokratischen Republik Kongo – d.h. durch fast zehn Jahre Krieg, der mehr als 5,4 Millionen Menschen tötete – sollen Waldflächen in der Größe Belgiens zerstört worden sein.14 Krieg und die Vertreibung von Menschen ließen auch die bewaldeten Flächen in Syrien, Sudan und Südsudan oder auch Tigray schrumpfen. Auch die Militärdiktatur in Myanmar treibt die Abholzung der Wälder voran, um sich dank dem Abkauf von u.a. europäischen Firmen, zu finanzieren. Die Klimakrise hat bereits schon heute tödliche Auswirkungen auf Menschen und Umwelt – wir können uns keine Aufrüstung und keine Kriege leisten, wenn wir den Planeten erhalten wollen.

Anmerkungen

1 Ellie Kinney und Linsey Cottrell: We reflect on the role that militaries played in COP28, whether behind closed doors, centre stage, or by their absence, ceobs.org, 21.12.2023.

2 Ebd.

3 Sarah Mcfarlane und Valerie Volcovici: Insight: World’s war on greenhouse gas emissions has a military blind spot, reuters.com, 10.7.2023.

4 Jürgen Wagner: Grüne Armeen, IMI-Aktuell 2024/080, imi-online.de, 2.2.2024.

5 Jo Durham, Stacey Pizzino und Michael Waller: Conflict pollution, washed-up landmines and military emissions – here’s how war trashes the environment, theconversation.com, 14.11.2023.

6 „An erster Stelle steht die Einsatzfähigkeit“ Im Interview: Ministerialrätin Peggy Staffa, Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung, gids-hamburg.de, 13.3.2023.

7 Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der VerteidigungNovember 2023, bmvg.de, November 2023.

8 Climate Crossfire: How NATO’s 2% military spending targets contribute to climate breakdown, tni.org, 17.10.2023.

9 Lennard de Klerk, Mykola Shlapak, Anatolii Shmurak, Olga Gassan-zade, Oleksii Mykhalenko, Adriaan Korthuis, Yevheniia Zasiadko, Andriy Andrusevych und Ivan Horodyskyy: Climate Damage caused by Russia’s war in Ukraine, climatefocus.com, Dezember 2023.

10 Nina Lakhani: Gazakrieg verpestet das Klima: „Die ökologische Sonderstellung des Militärs muss aufhören“, freitag.de, zuerst erschienen in The Guardian, 21.1.2024.

11 Patrick Bigger, Reuben Larbi, Benjamin Neimark und Frederick Otu-Larbi: A Multitemporal Snapshot of Greenhouse Gas Emissions from the Israel-Gaza Conflict (January 5, 2024). Available at SSRN: dx.doi.org.

12 IDF confirms flooding Hamas tunnels in Gaza with seawater, timesofisrael.com, 30.1.2024.

13 Lynzy Billing: How America’s War Devastated Afghanistan’s Environment, newlinesmag.com, 25.9.2023.

14 Josh Gabbatiss und Giuliana Viglione: The Carbon Brief Profile: Democratic Republic of the Congo, interactive.carbonbrief.org, 14.2.2024.