IMI-Aktuell 2024/130

31.000 Gefallene?

von: 26. Februar 2024

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Am Abend des Sonntags nach dem zweiten Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine brachte der Deutschlandfunk über Stunden folgende Meldung, teilweise als Top-Meldung:
„Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor zwei Jahren sind nach Darstellung von Präsident Selenskyj 31.000 ukrainische Soldaten getötet worden. Das teilte Selenskyj auf einer Pressekonferenz mit. Es ist das erste mal, das Kiew offizielle Opferzahlen nennt. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Russland macht grundsätzlich keine Angaben zu eigenen militärischen Verlusten.“
Sehr vieles spricht dafür, dass es sich hier um eine völlig unrealistische Zahl handelt, die immerhin in diesem Fall korrekt in der indirekten Rede zitiert ist. Die folgende Behauptung allerdings, „[d]ie Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen“ schrammt bestenfalls knapp an einer Falschaussage vorbei. Denn zumindest die Plausibilität der Zahl ließe sich durchaus überprüfen und einordnen, z.B. anhand eines Vergleiches mit früheren Einschätzungen ansonsten gerne zitierter Verbündeter der NATO. So hatten sowohl der damalige Vorsitzende des US-Generalstabs als auch der Befehlshaber der Streitkräfte, Eirik Kristoffersen, die urkainischen Verluste (die auch Verwundete und Gefangene umfassen) bereits im November 2022 auf etwa 100.000 geschätzt. Im August 2024 wurde über Schätzungen der USA berichtet, wonach bislang etwa 70.000 ukrainische Soldat*innen getötet worden seien. Auch hier dürfte es sich eher um eine „vorsichtige“ Schätzung gehandelt haben.
Wie ist es einzuordnen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der zentralen Frage der Verluste in einem „Banutzungskrieg“ offenbar recht unrealistische Zahlen wiedergibt, von der er behauptet, sie nicht überprüfen zu können? In einem ausführlicheren Beitrag des Deutschlandfunks zu den Angaben des ukrainischen Präsidenten, ebenfalls vom 25.2.2024, heißt es:
„Beide Kriegsparteien nutzen in Berichten zur militärischen Lage auch Zahlen zu angeblichen Verlusten des Gegners für propagandistische Zwecke. So sagte Russlands Verteidigungsminister Schoigu im Dezember, dass 383.000 ukrainische Soldaten seit Kriegsbeginn getötet oder verletzt worden seien.“

Schlicht falsch ist übrigens die Behauptung, dass Russland „grundsätzlich keine Angaben zu eigenen militärischen Verlusten“ mache. Im September 2022 bezifferte das Verteidigungsministerium die Zahl getöteter russischer Soldaten auf 5.937 – was ebenfalls grob geschönt sein dürfte. Bei der Schlacht um Bachmut räumte der damalige Wagner-Chef mehrfach Verluste im fünfstelligen Bereich ein.