IMI-Aktuell 2024/112

Worst-Case vs. Augenmaß

von: 14. Februar 2024

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Deutschland und die NATO müssten bei der Rüstung die Beine in die Hand nehmen, in sechs bis zehn Jahren hätte Russland seine Armee soweit wieder aufgebaut, dass sie eine ernste Bedrohung für die NATO darstellen könne, Diese Einschätzung wurde schon voriges Jahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vertreten. Inzwischen wird sogar immer häufiger – weitgehend belegfrei – in den Raum gestellt, mit einem russischen angriff müsse jeden Moment gerechnet werden. Generalinspekteur Carsten Breuer hat sich jetzt für den Korridor von fünf bis acht Jahren entschieden, bis Deutschland vollumfänglich „kriegstüchtig“ werden müsse. „Das heißt nicht, dass es dann Krieg geben wird. Aber er ist möglich“, wird Breuer zitiert.

Das ist aber ein zentraler Punkt: denn zwischen „möglich“ und „wahrscheinlich“ liegt doch ein gewaltiger Unterschied. Dennoch dienen diese Äußerungen als Grundlage für die immensen Steigerungen des Militärhaushaltes. In dieser Stimmung ist es wohltuend, einen Artikel von Hellmut Hoffmann, Botschafter a.D., der zwischen 1982 und 2016 im Auswärtigen Dienst tätig war, in der aktuellen WeltTrends zu lesen (abgedruckt auch bei Telepolis). Hoffmann kommt auf Grundlage eines Vergleichs der militärischen Kapazitäten beider Seiten zu dem Schluss: „Die NATO ist Russland militärisch klar überlegen. […] Aufwendungen zur Absicherung vor äußeren Gefahren müssen mit jenen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und politischen Stabilität (Grundlagenforschung, Bildung, Infrastruktur, Wohnungsbau, Digitali­sierung, Zuwandererintegration, Sozialpolitik) in ein rationales Verhältnis gebracht werden. Dies erfordert Augenmaß und kein Denken in über­spannten Worst-Case-Szenarien.“ (jw)