IMI-Mitteilung

Aktion für Auflösung des Kommando Spezialkräfte

Straßentheater anlässlich des Prozesses gegen den ehemaligen KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr

von: 5. Februar 2024

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Anlässlich des Prozesses gegen den ehemaligen Kommandeur des Kommando Spezialkräfte (KSK), Markus Kreitmayr, führten wir am 2. Februar 2024 um 8:30 eine Kundgebung mit einem kleinen Straßenthetaer vor dem Landgericht in Tübingen durch. Der Brigadegeneral hatte in der Kaserne seiner Einheit in Calw eine „Amnestie Box“ aufgestellt, in der zuvor von Soldat*innen gestohlene Munition anonym und straffrei zurückgegeben werden konnte.

Presseberichterstattung:

Unsere Aktion, die wir gemeinsam mit der DFG-VK durchführten, wurde von mehreren Medien aufgegriffen, u.a. hier:
Schwäbisches Tagblatt
SWR
Schwarzwälder Bote
JungeWelt
Wüste Welle

Reden:

Vor dem Gericht wurden auch zwei Reden gehalten, die wir hier dokumentieren:

Rede von Luca Heyer:

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Tübingerinnen und Tübinger,

heute wird hier am Landgericht Tübingen der Prozess gegen den ehemaligen Bundeswehr-Kommandeur Markus Kreitmayr stattfinden. Kreitmayr war von 2018 bis 2021 Kommandeur des skandalträchtigen Kommando Spezialkräfte – kurz: KSK.

Das Kommando Spezialkräfte steht für Neonazi-Skandale, Munitionsdiebstahl, Krieg und mangelnde parlamentarische Kontrolle!
Anfang 2020 fiel beim KSK auf, dass insgesamt 48.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Militärsprengstoff in den Jahren zuvor auf ominöse Weise verschwunden waren. Aufgefallen ist das bis dahin angeblich niemandem.

Markus Kreitmayr steht hier heute vor Gericht, weil er daraufhin eine Munitionsdiebstahl-Amnestie erließ. Er stellte in der KSK-Kaserne Boxen auf, in die Munition, die zuvor entwendet worden war, zurückgegeben werden konnte – und zwar straffrei. Dadurch wurde natürlich die Aufklärung dieser Diebstähle erschwert. Hinzu kommt, dass er damit vermutlich seine Kompetenz deutlich überschritten hat. Als militärischer Kommandeur hat er nicht das Recht, den betreffenden Soldaten Straffreiheit zuzusichern. Deshalb ist er nun angeklagt.
Auch hier haben hier heute eine Amnestie-Box mitgebracht. Falls noch jemand gestohlene Munition zuhause liegen hat: gerne einwerfen!

Bei der Munitionssammelaktion 2020 kam zwar einiges an Munition und Granaten zusammen – allerdings nicht die Munition, die zuvor vermisst wurde. Anhand der Losnummern lässt sich das zum Teil nachvollziehen.
Bis heute werden immer noch mehr als 12.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff vermisst. Die Bundeswehr hat es allem Anschein nach aufgegeben, diese wiederzubekommen oder überhaupt nachzuvollziehen, wo sie sich befindet.

Schlimm genug, aber warum ist das gerade beim Kommando Spezialkräfte so gefährlich? Ich sage es euch: Weil KSK-Soldaten immer wieder in militante, rechte Netzwerke verstrickt sind – und zwar auffällig oft. Und: In den illegalen Waffendepots von Neonazis wird immer wieder auch KSK-Munition gefunden.

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, die Skandale um Munitionsdiebstahl und rechte Umtriebe beim KSK aufzuzählen:
Kurz nach der Gründung im Jahr 2000, als ein KSK-Soldat, der Neonazi André C., eine andere Bundeswehreinheit überfiel und sechs Pistolen samt 1.500 Schuss Munition erbeutete, mit denen er politische Gegner*innen ermorden wollte?
Oder bei Reinhard Günzel, der etwa zur selben Zeit zum Kommandeur ernannt wurde und immer wieder durch braune Wehrmachtsnostalgie und widerlichen Antisemitismus auffiel, bis er nach drei Jahren endlich gehen musste?
In seiner Zeit als Kommandeur war es durchaus normal, dass KSK-Jeeps mit dem Symbol des nationalsozialistischen Afrika-Korps der Wehrmacht besprüht wurden und so in der Gegend herum fuhren. Was zur Hölle?!
Da überrascht es auch nicht, dass KSK-Soldaten auch immer wieder im Zusammenhang mit Folter auffielen: bekannt wurde z.B. der Fall des Deutsch-Türken Murat Kurnaz, der angibt, von KSK-Soldaten in Afghanistan mit den folgenden Worten gefoltert worden zu sein: „Weißt du, wer wir sind? Wir sind die deutsche Kraft, KSK!“ Konsequenzen hatte das für die beschuldigten Soldaten nicht. Kein Wunder, dass sie sich dadurch ermutigt fühlten und im KSK sogar noch weiter aufstiegen: Einer von ihnen wurde sogar Stabsfeldwebel. Vor ein paar Jahren wurde bekannt, dass er wegen seiner Nähe zur faschistischen Identitären Bewegung suspendiert wurde – 18 Jahre nach dem Foltervorwurf. Nazis schnell zu entfernen, war noch nie eine Stärke der Bundeswehr.
Mit seiner menschenverachtenden Grundhaltung war er sicher nicht allein beim KSK. 2007 bedrohte der Reichsbürger Daniel K. einen von ihm als vermeintlich links identifizierten Kameraden mit folgenden Worten: „Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen.“ Und auch rechte Netzwerke mit Terrorplänen scheint es damals im KSK schon gegeben haben. Denn der Soldat schrieb weiter: „Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht.“
Auch für ihn gab es außer einer Ermahnung keine Konsequenzen: Auch er stieg immer weiter im KSK auf, bis man bei der Bundeswehr zwölf Jahre nach dieser eigentlich eindeutigen Mail endlich erkannte, dass er ein Nazi ist. Herzlichen Glückwunsch und danke für nichts, ihr Blitzmerker!
Wir sind bei dieser unvollständigen Aufzählung von KSK-Skandalen erst im Jahr 2007. Weiß noch jemand, der wievielte Skandal das jetzt war? Nein? Ich auch nicht. Aber es geht leider noch weiter.
Dass bei einer internen Feier der gesamten zweiten Einsatzkompanie für deren scheidenden Chef Pascal D. 2017 Rechtsrock gehört und der Hitlergruß gezeigt wurde, wirkt fast schon harmlos im Vergleich zum Hannibal-Netzwerk, das ab 2018 aufgedeckt wurde: illegale Waffendepots, Todeslisten, Mordpläne für den Tag X und der Aufbau paramilitärischer Einheiten. Trainiert und angeführt von KSK-Soldaten.
Im Mai 2020 wurde dann im Garten des KSK-Soldaten Philipp S. ein Waffendepot mit 2 Kilogramm Sprengstoff, einer AK-47 und tausenden Schuss Munition aus Bundeswehrbeständen gefunden. Außerdem: einschlägige Naziliteratur.
Dass bei den Reichsbürgern um Heinrich den 13. Prinz Reuß, die 2022 einen Putsch planten, mal wieder ein aktiver KSK-Soldat und mehrere Ehemalige dabei waren, wundert da wirklich nicht mehr. Gegen dieses Netzwerk hatte es am 7. Dezember 2022 eine bundesweite Großrazzia gegeben. Einer der Beschuldigten: Der rechte KSK-Soldat Andreas M. aus Rottenburg – ja genau das Rottenburg hier direkt um die Ecke. Ihm wird vorgeworfen, Teil des militärischen Arms des Netzwerks gewesen zu sein.
Und er ist nicht der einzige Soldat, der dem Netzwerk zugerechnet wird, mit Verbindungen zum Kommando Spezialkräfte – kurz KSK. Mehrere ehemalige KSK-Soldaten waren ebenfalls beteiligt. Und leider wundert mich das einfach nicht mehr, wenn ich mir die Historie des KSK ansehe.
Von Einzelfällen kann hier auch nicht mehr die Rede sein. Rechte Netzwerke durchziehen das KSK in Gänze und zwar schon von Anfang an.
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Antimilitaristinnen und Antimilitaristen!
Es ist allerhöchste Zeit, diese Einheit aufzulösen!
Doch daran denkt die Regierung im Moment nicht einmal. Das KSK wird – wie die gesamte Bundeswehr – aktuell massiv aufgerüstet. Rechte Skandale kommen da ungelegen, denn die Bundeswehr wird für eine mögliche Konfrontation mit Russland gebraucht.

Wir fordern die Auflösung des Kommando Spezialkräfte! Uns reicht es endgültig!

Rede von Gisela Kehrer-Bleiber von VVN-BdA:

Die Aufdeckung der Netzwerke von Neonazis in der Bundeswehr hat viele Menschen geschockt. Mit dem Blick auf die Geschichte allerdings nicht sehr überraschend, denn faschistische Ideologie und Tradition hatten Kontinuität und blieben auch in der Bundeswehr fest verwurzelt. Sie wurde von ehemaligen Nazi-Generälen geplant, aufgebaut und in den ersten Jahrzehnten auch geleitet.

Sofort nach Kriegsende begannen führende Generäle der Hitlerwehrmacht Pläne für die Remilitarisierung in Westdeutschland auszuarbeiten. NS-Zielsetzung und Strategie wurden übernommen und blieben somit unverändert gegen die Sowjetunion gerichtet. Rund 300 ehemalige Generäle und Chefs von Hitlers Generalstab werteten bis 1947 im Auftrag der USA ihre Kriegserfahrungen aus und nutzten dies für eigene Pläne zum Aufbau einer westdeutschen Armee.

Nach der Gründung der BRD wurden sie zu offiziellen Beratern der Regierung. Das sogenannte „Amt Blank“ wurde 1950 als getarntes Kriegsministerium geschaffen. Experten des faschistischen Generalstabs besetzten die Schlüsselrollen. Die Wehrmachtsgeneräle Speidel und Heusinger wurden zu Adenauers Generalstäblern. Mit der Aufnahme Westdeutschlands in die NATO 1955 wurden Gründung und Aufbau der Bundeswehr möglich und nach den Plänen der Hitlergeneräle umgesetzt. Sie strebten nach atomarer Verfügungsgewalt und nahmen entscheidenden Einfluss auf die Zielsetzung und strategische Planungen der NATO, so etwa die aggressive „Vorwärtsstrategie“, die den unmittelbaren Aufmarsch von NATO- und Bundeswehrtruppen direkt an den Staatsgrenzen zur DDR und CSSR vorsah, die Vorbereitung des „verdeckten Krieges“ und einen Atomminengürtel an den Ost-Grenzen.

Mit Hitlers ehemaligen Generälen standen Kriegsverbrecher an der Spitze der Bundeswehr. Der Generalstab hatte die Strategie des Blitzkriegs ausgearbeitet. Sie planten und organisierten Kriegsverbrechen, Völkermord und den Massenmord an Hunderttausenden Kriegsgefangenen. In engem Zusammenwirken mit der SS waren sie mit verantwortlich für millionenfache Morde an Zivilisten in ganz Europa.

Beispielhaft seien hier genannt: Heinz Trettner , hochdekorierter Nazi-Kriegsverbrecher. Er bombardierte als Staffelkapitän Guernica, befahl den barbarischen Bombenangriff auf Rotterdam während einer Waffenruhe. Seine Fallschirmjägerdivision hinterließ in Italien eine tote Zone zerstörter Dörfer und Städte, verheerende Zerstörungen in Florenz.
Trotzdem wurde er zum Generalinspekteur und Chef des Führungsstabes der Bundeswehr ernannt. Nach seinem Ruhestand 1966 trat er immer wieder mit Publikationen in rechten und völkischen Medien in Erscheinung, so noch 2005 in einem Aufruf des neurechten Instituts für Staatspolitik. Anlässlich der Wehrmachtsausstellung meldete er sich mit geschichtsrevisionistischen Äußerungen zu Wort:

„Es dürfte heute erwiesen sein, dass der Krieg gegen die Sowjetunion – anders als die Umerziehungspropaganda behauptet – in erster Linie ein nur schweren Herzens begonnener, aufgezwungener Präventivkrieg war.“

Hans Speidel Er war Leiter der Abteilung Fremde Heere West, verantwortlich für Vorbereitung und Durchführung des Überfalls auf Frankreich, Chef des Generalstabs beim Militärbefehlshaber in Frankreich und mitschuldig an barbarischen „Sühnemaßnahmen“ gegen die französische Zivilbevölkerung, an Deportationen von Tausenden Kommunisten und Juden. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion war er dort Hauptplaner und Vollstrecker der „Taktik verbrannte Erde“.

In der Bundesrepublik wurde er Leiter der „Abteilung Streitkräfte“ des Verteidigungsministeriums. Danach und bis 1964 Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte. Nach seiner Pensionierung arbeitete er als Sonderberater der Bundesregierung in NATO-Fragen.

Adolf Heusinger war Chef der Operationsabteilung des Generalstabes des Oberkommandos des Heeres und stellvertretender Chef des Generalstabes des Heeres. Unter seiner Leitung wurden die Überfallspläne auf die Länder Europas ausgearbeitet und die Angriffsoperationen in vielen „Geheimen Kommandosachen“ bis ins Einzelne festgelegt. Er leitete Wehrmachtseinsätze gegen Zivilisten und „Vergeltungsmaßnahmen“ bei der Anwendung der „Taktik der verbrannten Erde“. 1944 verfasste er die „Denkschrift für den Endsieg“ und empfahl Hitler die Aufstellung des Volkssturms.

1952 wurde er Chef der Militärabteilung im Amt Blank, ab 1957 Erster Generalinspekteur der Bundeswehr und bis 1964 Vorsitzender des Ständigen Ausschusses der NATO in Washington (also wieder Generalstabschef).
Nach seiner Pensionierung ging er als militärischer Berater zur CDU/CSU.

Noch 1965 waren von allen 189 Generälen und Admiralen der Bundeswehr mehr als die Hälfte ehemalige Generalstabsoffiziere der Hitlerwehrmacht, auch alle übrigen waren zuvor Offiziere der faschistischen Wehrmacht gewesen.
Bei einer anonymen Befragung gab jeder 4.Soldat und jeder 2.Offizier an, Wähler der NPD zu sein.
Sie prägten Ausbildung und politische Einstellung der nachfolgenden Generationen in der Bundeswehr. Rechte Netzwerke in der Bundeswehr haben also eine lange Geschichte und ununterbrochene Tradition.

Bilder: