Bereits im März 2022 erschien ein erstes Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das nahelegte, dass Deutschland mit seiner Unterstützung der Ukraine zu einer Kriegspartei zu werden drohte (siehe IMI-Analyse 2022/26). Im Auftrag der LINKEN-Abgeordneten Sevim Dagdelen wurde nun ein zweites ausführliches Gutachten angefertigt, das zunächst ausführlich auf die Problematik fehlender Kriterien eingeht, anhand derer sich klar beantworten ließe, ob Deutschland mit seinem Agieren zur Kriegspartei geworden ist.
Doch dann werden doch Kriterien aufgestellt, die genau dies nahelegen: „Zum einen muss die Unterstützungshandlung darauf ausgelegt sein, die gegnerische Konfliktpartei unmittelbar zu schädigen. Sie muss zur Schädigung der gegnerischen Konfliktpartei kausal und direkt beitragen (direct causation). Dazu muss die Unterstützung in zeitlicher und geographischer Nähe zum Schadensereignis stehen. Der Schaden muss dabei eine gewisse Intensitätsschwelle („threshold of harm“) überschreiten. Zum anderen müssen der Unterstützungsbeitrag und die Kampfhandlungen der unterstützten Konfliktpartei koordiniert werden. Durch die Koordinierung verbinden sich die Handlungen beider Partner zu einem gemeinsamen Vorgehen – einem Zusammenwirken im Sinne eines „pooling and sharing“. Die Koordinierung könnte beispielsweise durch eine Beteiligung des Unterstützerstaates an der taktischen bzw. operationellen Entscheidungsfindung erfolgen (etwa beim targeting oder durch integrierte Kommandostrukturen).“
Das abschließende Fazit fällt dann auch dementsprechend kritisch aus: „Das „Narrativ der Nichtkriegsführung“ gerät jedoch in dem Maße argumentativ unter Druck, wie sich westliche Hilfeleistungen am Maßstab von rechtlich ausdifferenzierten und weithin akzeptierten Kriterien der Konfliktteilnahme messen lassen müssen. Noch finden sich in der Völkerrechtslehre keine expliziten Rechtsauffassungen, welche die Unterstützung der NATO-Staaten zugunsten der Ukraine pauschal als eine Form der Konfliktbeteiligung bewerten. Doch lässt sich ein gewisses „Unbehagen“ an der juristischen und rhetorischen „Orchestrierung“ der westlichen Unterstützung kaum verhehlen. Das politische Schlagwort von der „Kampfjetallianz“111 geht jedenfalls schon rein semantisch über den logistischen Vorgang einer Lieferung von Flugzeugen hinaus.“ (jw)