[0521] Programm IMI-Kongress / Pesco / Künstliche Intelligenz

von: 7. September 2018

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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0521 ………. 21. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) das vorläufige Programm zum diesjährigen IMI-Kongress (8./9.12.2018);

2.) Zwei Artikel, die zum Antikriegstag erschienen sind (PESCO und Künstliche Intelligenz);

1.) IMI-Kongress 2018: „Deutschland rüstet auf: An allen Fronten – Auf allen Ebenen!“

Obwohl noch nicht alle Uhrzeiten etc. endgültig feststehen, häufen sich die Fragen nach Ort, Thema und Ablauf unseres diesjährigen Kongresses. Deshalb veröffentlichen wir hier unser vorläufiges Programm:

IMI-Kongress 2018: Deutschland rüstet auf: An allen Fronten – Auf allen Ebenen!
Am 8. und 9. Dezember 2018 im Schlatterhaus in Tübingen

IMI-Kongress 2018: Deutschland rüstet auf

Der diesjährige IMI-Kongress beschäftigt sich mit der aktuellen Aufrüstungswelle, die über Deutschland schwappt und eine Reihe von Bereichen erfasst: konkrete Rüstungsprojekte, die enorme Aufstockung des Verteidigungsetats (Stichwort 2%), die Aufrüstung und Militarisierung der EU (PESCO, Militärische Mobilität), die Aufrüstung im Cyber-Bereich, die Aufrüstung bzw. Militarisierung der Polizei und die militärische Wiederaneignung ziviler Flächen (allein in Baden-Württemberg sind etwa Bleidornkaserne Ulm, KSK in Hardheim, Übungsplatz Haiterbach…).

Der Kongress soll dabei nicht nur der Bestandsaufnahme und Darstellung dieser verschiedenen Aspekte dienen und auf politische Hintergründe der Agenda Rüstung eingehen, sondern auch konkrete Handlungsmöglichkeiten gegen die Aufrüstungspolitik aufzuzeigen.

!Vorläufiges! Programm:

FREITAG, 7. DEZEMBER 2018 (AB 20:00 UHR)
Möglichkeit zur Anreise und geselliger Auftakt

SAMSTAG, 8. DEZEMBER 2018 (AB 12:00 UHR)

Deutschland im Rüstungsfieber
– Die Konzeption der Bundeswehr und die Kosten der Aufrüstung
– Think Big: Rüstungsmarkt in Bewegung

Rüstungsprojekte im IT-Bereich und bei der Polizei
– High-Tech-Rüstung und militarisierte Forschung
– Rüstungsgüter für die Polizei

Atomare Nachrüstung und aufkeimender Widerstand

Die EU auf dem Weg zur Rüstungsunion
– Pesco als EU-Rüstungstreiber
– Europäische Großprojekte: Eurodrohne, Kampfpanzer, Kampfflugzeug

SONNTAG, 9. DEZEMBER (AB 9:30 UHR)

Gegenkonversion I: Freie Fahrt fürs Militär: Militärische Mobilität und das NATO-Logistikkommando in Ulm

Gegenkonversion II: Die militärische (Rück-)Eroberung der Fläche: Reaktivierung und Aneignung militärischer Liegenschaften

Aktiv werden: Widerstand gegen Aufrüstung (Diskussion)

(ENDE GEGEN 14:30 UHR)

2.) PESCO / Künstliche Intelligenz (KI)

Zum Antikriegstag sind zwei neue Texte der Informationsstelle Militarisierung erschienen. Einer beschäftigt sich mit der rasanten Beschleunigung der KI-Forschung in Deutschland, der andere mit der deutschen und französischen Rolle bei der weiteren Militarisierung der EU.

IMI-Standpunkt 2018/027 – in: junge Welt, 1.9.2018
»Angriffsvorteil« durch KI
Künstliche Intelligenz: Deutschland am Wettrüsten beteiligt
Christoph Marischka (3. September 2018)

Mit einem »Aufmarsch« von Robotern am Brandenburger Tor hat die Initiative „Facing Finance“ am 24. August in Berlin für ihre Kampagne „Killerroboter Stoppen“ geworben. Ziel der Aktion: Die Bundesregierung soll „bei den Vereinten Nationen noch in diesem Jahr ein Verbot von autonomen Waffensystemen“ einfordern. 26 Staaten, insbesondere aus Mittel- und Südamerika, aber auch aus dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika, haben sich nach Angaben der Kampagne bereits für ein umfassendes Verbot „vollständig autonomer Waffen“ ausgesprochen. Die Bundesregierung spricht sich hingegen auf internationaler Ebene für „unverbindliche, freiwillige Maßnahmen“ aus. Damit riskiere sie ein „globales, unkontrollierbares Wettrüsten bei autonomen Waffen“, warnt „Facing Finance“. „Wird kein völkerrechtliches Verbot vereinbart, werden dank zahlreicher bereits verfügbarer Technologien (Sensoren) und einer weiterentwickelten ‚künstlichen Intelligenz‘ (KI) Waffensysteme ohne menschliche Kontrolle zur Standardausrüstung von Armeen gehören.“

Tatsächlich findet dieses Wettrüsten bereits statt – und Deutschland beteiligt sich tatkräftig. Während es auf der Ebene der Sensorik bereits seit vielen Jahren zu den innovativsten Ländern zählt, wird gegenwärtig verkündet, die BRD habe in Sachen KI „den Anschluss verloren“ und entsprechende Forschung „sträflich vernachlässigt“. Im aktuellen Koalitionsvertrag durchziehen die Themen „Digitalisierung“, Big Data und KI nahezu jeden Politikbereich – von der Gesundheit über die Förderung des Mittelstands bis hin zur „modern ausgestatteten Bundeswehr“. Neben einem „Masterplan künstliche Intelligenz“ wird der Aufbau eines „nationalen Forschungskonsortiums für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen“ sowie eines deutsch-französischen „Zentrums für künstliche Intelligenz“ und mehrerer „Forschungscampi“ angekündigt. Seitdem herrscht eine wahre Goldgräberstimmung. Zwischen den Bundesländern und Wissenschaftsorganisationen ist ein Wettkampf entbrannt, um sich für den erwarteten Geldsegen in Stellung zu bringen. So konkurrieren das Saarland und Baden-Württemberg darum, Standort des deutsch-französischen KI-Zentrums zu werden. Die saarländische Regierung verweist dabei auf das vorrangig militärisch gesteuerte und finanzierte deutsch-französische Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL), die baden-württembergische auf einen »Cluster« um Karlsruhe und das im Entstehen begriffene „Cyber Valley“ zwischen Stuttgart und Tübingen. Das wesentlich von der Max-Planck-Gesellschaft vorangetriebene „Cyber Valley“ tritt damit auch in den Wettbewerb mit dem schon länger bestehenden Deutschen Forschungszentrum künstliche Intelligenz (DFKI), das über einen Standort in Saarbrücken verfügt und in dem die Fraunhofer-Gesellschaft gut positioniert ist. Die wiederum hat beschlossen, ihre Institute in Bayern zu einem „Kompetenznetzwerk für künstliche maschinelle Intelligenz“ auszubauen – unterstützt von der Landesregierung im Zuge der „Zukunftsinitiative für künstliche Intelligenz“ durch neue Professuren, Nachwuchsgruppen und Neubauvorhaben unter anderem in Würzburg, Garching, Ingolstadt und München.

Lukrativer Mythos

Wenn auch der Koalitionsvertrag und die aktuelle Goldgräberstimmung tatsächlich einen Wendepunkt darstellen, so handelt es sich bei der vorangegangenen „Vernachlässigung“ der KI in Deutschland doch um einen Mythos. Der Blick auf explizit militärische Forschung verdeutlicht, wo bereits jetzt KI zum Einsatz kommt. So forschten mehrere Institute der Universität Hannover in den vergangenen Jahren intensiv zur Optimierung der Fernerkundung: Um angesichts immer höherer Auflösung der eingesetzten Sensorik Bandbreite zu sparen, sollen Drohnen und Satelliten selbstständig „Regions of Interest“ erkennen und nur deren Bilder hochauflösend zur Erde funken. Geforscht wird hier auch an „semantischen Netzen“, mit deren Hilfe die Systeme eigenständig Geländeformen und Objekte erkennen können. Auch an der Entwicklung einer angeblich eindeutigen und widerspruchsfreien „Battle Management Language“ zur Kommunikation zwischen Menschen und IT-Systemen im NATO-Rahmen war Hannover beteiligt.

Am Münchner Ludwig-Bölkow-Campus forscht Airbus Defence and Space gemeinsam mit der Universität der Bundeswehr und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (gefördert von der Landesregierung) an »Quasisatelliten«. Gemeint sind sehr hoch fliegende Drohnen, die mit Solarenergie betrieben werden und daher sehr lange in der dünnen Luft bleiben können. Diese sollen zukünftig mit einem autonomen Wettererkennungs- beziehungsweise Wettervermeidungssystem ausgestattet werden, so dass sie ihre Missionsplanung – zum Beispiel die Überwachung eines bestimmten Zielgebietes – selbständig der Lage anpassen können. Für die Universität der Bundeswehr in München ist die semiautonome Missionsplanung kein neues Thema. Hier wird bereits seit Jahren an künstlichen „kognitiven Agenten“ (Artificial Cognitive Units) geforscht, die in Kooperation mit einem einzelnen menschlichen Operateur ganze Drohnenschwärme koordinieren und auch eigenständig auf Ereignisse wie eine abreißende Datenverbindung, feindliche Radarstellungen und Ausfälle einzelner Subsysteme durch feindliche Treffer reagieren sollen.

„Intelligente“ Überwachung

Während hier eine konkrete Umsetzung noch nicht unmittelbar bevorsteht, haben die Wissenschaftler am Fraunhofer-IOSB (Institut für Optronik, Systemtechnik und Bilderkennung) in Karlsruhe/Ettlingen die Automatisierung der Bildauswertung der LUNA-Drohne im Auftrag der Bundeswehr verbessert, während diese in Afghanistan eingesetzt wurde. Das Institut führte in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Forschungsvorhaben für das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) durch, die auf die Zusammenfügung verschiedener (optischer) Datenquellen (Sensor Data Fusion), die automatische Auswertung (Situationserkennung) und Lagebilderstellung für menschliche Operateure (Mensch-Maschine-Schnittstellen) abzielen. Nahezu inhaltsgleiche Projekte wurden parallel im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung finanziert und hatten die automatisierte Klassifikation von Booten aufgrund der Erfassung durch Radar, Sensorbojen, Drohnen und Satelliten zum Gegenstand.

Es sollte zum Beispiel errechnet werden, wie hoch bei einzelnen Booten die „Wahrscheinlichkeit für Flüchtlinge an Bord“ ist. Dabei hat das Institut auch mit dem Rüstungsunternehmen Thales zusammengearbeitet, das Bodenradare herstellt, die von der Bundeswehr zum Beispiel in Mali eingesetzt werden. Sie können nach Herstellerangaben Fahrzeuge und Personen auf Dutzende Kilometer verfolgen und aufgrund ihres Verhaltens eigenständig als Bedrohung klassifizieren. Auch die Software für „intelligente Videoüberwachung“ des öffentlichen Raums, die mit dem neuen baden-württembergischen Polizeigesetz erstmals ermöglicht und zur Zeit in einem Pilotprojekt in Mannheim erprobt wird, stammt vom Fraunhofer-IOSB. Hier stellt sich die Frage, ob die repressive Gesetzgebung nicht in erster Linie einen Standortvorteil bei der Entwicklung neuer Überwachungstechnologien schaffen soll. Baden-Württemberg jedenfalls will sich hier offenbar ganz vorne positionieren. Im August 2018 hat die Landesregierung ein weiteres Förderprogramm „Künstliche Intelligenz Baden-Württemberg“ angekündigt. Damit will sie an den Hochschulstandorten Freiburg, Heidelberg, Hohenheim, Konstanz, Mannheim, Ulm und Karlsruhe mit sechs Millionen Euro insgesamt zehn Juniorprofessuren mit Ausstattung »im Bereich Methoden und Anwendungen der künstlichen Intelligenz« finanzieren.

Deutliche Worte

Begründet wird die Notwendigkeit einer intensivierten KI-Forschung meist mit entsprechenden Forschungsaktivitäten in den USA und China, denen man hier nicht alleine das Feld überlassen dürfe. Dies gelte um so mehr, als die KI aktuell als sogenannte disruptive Technologie verstanden wird, in der es jederzeit zu „Sprunginnovationen“ kommen könne, die gegenwärtige Produkte, Systeme und damit auch Machtverhältnisse durcheinanderwirbeln könnten. So wird zum Beispiel in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Internationale Politik gewarnt, Deutschland laufe bislang »den Entwicklungen hinterher«. Ein Land, das diese ignoriere, werde „an Relevanz verlieren“. In einem ergänzenden Interview wird die ehemalige Staatssekretärin des BMVg, Katrin Suder, die 2017 federführend am Aufbau des Kommandos Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr beteiligt war, deutlicher: „Wer es schafft, die beste KI zu entwickeln, hat einen Verteidigungs- oder gar Angriffsvorteil.“

Startups und Strategen

Um jederzeit die Nase vorn zu haben, sieht der Koalitionsvertrag „zur Sicherstellung technologischer Innovationsführerschaft“ vor, noch in diesem Jahr eine „Agentur für disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ aufzubauen – unter Federführung des Bundesinnenministeriums und des BMVg. Schon im vergangenen Jahr hat die Bundeswehr in Berlin ihren »Cyber Innovation Hub« (CIH) eröffnet, der als „Schnittstelle zwischen Startupszene und Bundeswehr“ fungieren soll: „Der Hub identifiziert innovative Technologien in der internationalen Startupszene und entwickelt und validiert diese für die Bundeswehr.“ Denn Startups gelten als zentrales Element jener Ursuppe der KI-Forschung, in der Sprunginnovationen erwartet werden. So heißt es auf der Startseite der Cyber-Valley-Initiative: „Mit einem neuen Modell der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wird Cyber Valley ein befruchtendes Ökosystem für den Technologietransfer im Bereich der künstlichen Intelligenz schaffen.“ Denn bei der Entwicklung „intelligenter“ Systeme sei „der Weg von der Grundlagenforschung bis zur Kommerzialisierung oft sehr kurz“. Im Umfeld der Forschung entstehende Startups seien Motoren dieser Entwicklung.

IMI-Standpunkt 2018/026 – in: junge Welt, 1.9.2018
Auf dem Weg zur Rüstungsunion
Pesco und die Folgen: Wie Deutschland und Frankreich den Rest der EU unter Druck setzten

Auf dem Weg zur Rüstungsunion


Jürgen Wagner (3. September 2018)

Am 11. Dezember 2017 aktivierten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (engl. „PESCO“). Wohl zu Recht bezeichnete die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dies als einen „historischen Moment“, denn die von Deutschland und Frankreich ausbaldowerte PESCO-Architektur hat das Zeug, die EU endgültig zu einer Rüstungsunion umzubauen. Jahrelang hatte vor allem Großbritannien, PESCO aus Sorge um seine machtpolitische Beinfreiheit blockiert, aber auch eine Reihe kleinerer und mittlerer EU-Mitgliedsstaaten stand dem Vorhaben lange skeptisch gegenüber, sahen (und sehen) sie darin doch einen deutsch-französischen Versuch, große Teile der EU-Militärpolitik unter ihre Fuchtel zu bekommen. Seit der Entscheidung der britischen Bevölkerung am 23. Juni 2016, aus der EU auszutreten, bröckelte der Widerstand allerdings zusehends und die beiden verbliebenen selbsternannten EU-Führungsmächte übernahmen das Zepter.
Im Juli 2017 einigten sich Deutschland und Frankreich erst einmal im Alleingang auf alle wesentlichen PESCO-Prozeduren. Erst danach traten sie an Spanien und Italien heran, wodurch bereits ein guter Teil der für eine Aktivierung erforderlichen qualifizierten Mehrheit (65 Prozent der EU-Bevölkerung und 55 Prozent der EU-Mitgliedsstaaten) beisammen war. Für die skeptischen Länder stellte sich das Problem, dass wer erst später teilnehmen wollte, dafür dann eine qualifizierte Mehrheit der bereits im PESCO-Boot sitzenden Staaten benötigte. Und das bedeutete wiederum, sich auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen Deutschlands und Frankreichs auszuliefern, die bei qualifizierten Mehrheitsentscheidungen gemeinsam de facto über eine Sperrminorität und damit über immense Einflussmöglichkeiten verfügen. Die Gefahr vor Augen, an den Katzentisch der EU-Militärpolitik verbannt zu werden, entschieden sich schlussendlich 25 EU-Staaten ungeachtet aller Skepsis auf den PESCO-Zug aufzuspringen – außen vor sind jetzt nur noch Großbritannien, Dänemark und Malta.
Allerdings hat dies buchstäblich einen Preis, der darin besteht, dass sich alle PESCO-Staaten auf die Einhaltung von 20 Kriterien verpflichtet haben. Im Kern soll damit ein Ausbau der EU-Militärkooperation einhergehen, von der man sich einen erheblichen Zuwachs an militärischer Schlagkraft verspricht. Deshalb wird zunächst einmal jeder Staat dazu verpflichtet, an der „Koordinierten Jährlichen Verteidigungsüberprüfung“ (CARD) teilzunehmen. Hierüber sollen künftig Militärprojekte von einem europaweiten strategischen Interesse identifiziert und vorangetrieben werden, indem PESCO die Teilnehmer gleichzeitig darauf festnagelt, sich „an mindestens einem Projekt“ dieser Art zu beteiligen. Weiter enthalten ist etwa die „Verpflichtung zur Ausarbeitung harmonisierter Anforderungen“ und die „Zusage, sich auf gemeinsame technische und operative Standards der Streitkräfte zu einigen“ sowie die „Verpflichtung, die gemeinsame Nutzung bestehender Fähigkeiten zu erwägen“. Außerdem sagen die Staaten zu, „einen wesentlichen Beitrag zu EU-Gefechtsverbänden zu leisten“ und „im Rahmen ihrer Mittel und Fähigkeiten […] zu GSVP-Operationen […] substanzielle Unterstützung zu leisten“.
Weitgehend sind auch die Kriterien im finanziellen Bereich: Sie beinhalten eine stärkere „gemeinsame Finanzierung militärischer GSVP-Operationen“, eine „schrittweise Aufstockung der Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter auf 20 Prozent der Gesamtausgaben im Verteidigungsbereich“ sowie die Festlegung auf eine „regelmäßige reale Aufstockung der Verteidigungshaushalte.“ Dem Wortlaut nach ist dies wohl als eine jährliche Anhebung über der Inflationsrate zu verstehen – eine Reduzierung des Rüstungshaushaltes wird damit (abseits einer schweren Wirtschaftskrise) per PESCO-Kriterium unmöglich gemacht!
Weiter gelte auch eine „Verpflichtung zur intensiven Einbeziehung eines künftigen Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF). Über den EVF sollen im nächsten EU-Haushalt 2021 bis 2027 bis zu 48,6 Mrd. Euro für die Erforschung und Entwicklung von Rüstungsgütern aus dem EU-Haushalt ausgeschüttet werden. Bevorzugt werden sollen bei der Vergabe jene im CARD-Prozess identifizierten transeuropäischen – de facto aber deutsch-französischen – strategischen Großprojekte, die dann im PESCO-Rahmen umgesetzt werden.
Die ersten 17 PESCO-Projekte wurden im März 2018 vereinbart, sie reichen von eher unscheinbaren Vorhaben wie dem Aufbau eines EU-Sanitätskommandos bis hin zur Entwicklung eines neuen Infanteriefahrzeuges. Weitere PESCO-Projekte sollen noch in diesem Jahr verabschiedet werden, diskutiert wird etwa, ob der Bau eines deutsch-französischen Kampfflugzuges und eines gemeinsam gebauten Kampfpanzers in den PESCO-Rahmen überführt werden soll. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die milliardenschwere Euro-Kampfdrohe als PESCO-Projekt durchgeführt werden, da sich die Mitgliedsstaaten bereits darauf geeinigt haben, das Vorhaben künftig aus dem EVF mit zu finanzieren.
So nimmt also eine Europäische Rüstungsunion Gestalt an – strategische Projekte werden künftig von CARD identifiziert, von PESCO umgesetzt und vom EVF finanziert: „Sie ist erwacht, die schlafende Schönheit des Lissabon-Vertrags“, wie Kommissionschef Juncker mit kaum zu überbietendem Pathos die Aktivierung von PESCO abfeierte. Die Freude dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass es nun erstmals möglich ist, rüstungsunwillige Staaten zu sanktionieren. Der Weg hierfür wird über ein letztes Kriterium frei, das die Staaten zur „Einführung einer regelmäßigen Überprüfung dieser Verpflichtungen“ verdonnert. Damit schnappt dann die Rüstungsfalle endgültig zu, denn künftig wird die EU-Verteidigungsagentur eine jährliche Evaluation durchführen und sollte sie zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Staat die eine oder andere Militarisierungshürde gerissen hat, dann ist es – zumindest theoretisch – möglich, ihn auf dieser Grundlage mit einer qualifizierten Mehrheit aus PESCO hinauszuwerfen!