IMI-Analyse 2015/011

Die Bundeswehr – der attraktive Konzern von nebenan?

von: Thomas Mickan | Veröffentlicht am: 31. März 2015

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Dieser Text erschien in der Broschüre „Deutschland: Wi(e)der die Großmacht“ (68 Seiten, DinA4), die zum Preis von 4 Euro unter imi@imi-online.de bestellt werden kann. Hier die PDF-Version.

„Die Bundeswehr ist heute nicht nur eine Armee im weltweiten Einsatz, sondern ein hochmoderner, global agierender Konzern.“[1]

Konzerne haben gemeinhin einen schlechten Ruf: sie beuten Menschen aus, scheren sich nicht um Umweltstandards, begehen Menschenrechtsverletzungen oder expandieren unentwegt auf Kosten anderer. Sie sind neben den Banken der Kristallisationspunkt jeder Kapitalismuskritik und erwecken bei manchem den Eindruck, nicht die Politik, sondern sie würden die eigentlichen Entscheidungen treffen. Es ist dabei – je nach Betrachtungsweise – verwunderlich oder nur konsequent, dass das Verteidigungsministerium die Bundeswehr gerne als „Konzern“ verstehen möchte. Ursula von der Leyen präzisierte in einer Bundestagsrede Anfang 2014, warum sie dies so verstanden wissen wolle und welche Konsequenzen sich daraus ergeben:

„Ja, die Bundeswehr hat einen besonderen Auftrag. Aber sie ist auch ein global agierender Konzern. Sie hat im Zielbetrieb round about 250 000 Beschäftigte an 400 Standorten im In- und Ausland. Sie hat ein Luftfahrtunternehmen. Sie hat eine Reederei. Sie hat einen Krankenhausverbund par excellence; das kann ich als Ärztin beurteilen, das ist vom Feinsten. Sie hat ein Logistikunternehmen, das seinesgleichen sucht. Sie hat eine Qualifizierungssparte mit Schulen, mit Ausbildungsbetrieben, mit Akademien und Hochschulen. All das erfordert eine hervorragende Verwaltung. Wir verlangen viel. Deshalb brauchen wir den fähigsten Nachwuchs, und wir brauchen die besten Bedingungen für die, die schon heute bei uns sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)“[2]

Die Attraktivitätssteigerung des deutschen Militärs für etwaigen Nachwuchs ist damit in dieser Semantik eng mit der Idee verbunden, die Bundeswehr sei ein Konzern wie jeder andere, der, mit gewissen Eigenheiten, eben auch als solcher geführt werden müsse und der gleichen Logik des Marktes unterliege wie jedes andere Unternehmen.[3] Die Zeiten jedoch, wo die Bundeswehr sich lediglich als „Unternehmen“ verstanden wissen wollte,[4] sind im Zuge der vermeintlich neuen, gewachsenen deutschen Verantwortung passé. Konzern betont eben gerade ein globales Agieren, ein Wachsen und Expandieren der verschiedenen Sparten als eine Einheit. Noch vor 25 Jahren abwegig, wurde so die Idee des „Konzerns Bundeswehr“ bereits nach dem ersten großen Kriegseinsatz der Bundesrepublik gegen das ehemalige Jugoslawien in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert.[5] Mittlerweile haben sich diese Sprachregelung und die damit einhergehenden Konsequenzen sowohl im verteidigungspolitischen Alltagsgeschäft als auch in den unteren militärischen Ebenen begonnen zu verfestigen. So argumentierte die Verteidigungsministerin etwa, als es darum ging, die körperlichen Einstellungsvorrausetzungen für die Bundeswehr zu senken: „Es stellt sich die Frage, ob jeder einzelne Soldat und jede einzelne Soldatin, gleich welche Aufgabe sie im Konzern Bundeswehr ausfüllt, tatsächlich einen langen Marsch mit schwerem Gepäck bewältigen können muss.“[6] Und der Standortälteste der Bundeswehrkaserne in der Provinzstadt Roding in der Oberpfalz begrüßt dessen Einwohner_innen:

„Die Bundesverteidigungsministerin, Frau Dr. Ursula von der Leyen, will die Bundeswehr zukünftig zu einem der attraktivsten Arbeitgebern [sic] in Deutschland entwickeln und vergleicht dabei die Bundeswehr mit einem global agierenden Konzern, mit einer hochmodernen Unternehmensführung. Allein am Standort Roding haben wir die Konzernsparten Logistik, Medizin, Sicherheitsdienst, Ausbildung/Qualifizierung und natürlich eine hervorragende Unternehmensverwaltung.“[7]

Attraktivitätsagenda – oder wer ist die Schönste im ganzen Land?

Um mit all ihren Konzernsparten auf den „Markt“ bestehen zu können, gilt es, gerade dort, wo ein Mangel an Fachkräften besteht, besondere Anstrengungen zu unternehmen. Die Engpässe der Bundeswehr liegen bei der – gerade für das Familienleben hoch unattraktiven – Marine sowie dem auch im zivilen Bereich gefragten Medizinischen und IT-Personal. Aber auch in vielen anderen Sparten tut sich die „Rumpeltruppe“ spätestens seit Aussetzung der Wehrpflicht schwer, genügend und kriegswilliges Personal zu rekrutieren. Laut Ministerin braucht die Bundeswehr mit Blick in die Zukunft bald 60.000 Bewerbungen jährlich, das heißt 10 Prozent eines Jahrganges müssten sich in absehbarer Zeit potenziell bei der Bundeswehr bewerben.[8] Vor dem Hintergrund der neuen deutschen Verantwortungsübernahme wird also die bereits heute schon in knapp 20 Ländern mandatierte Bundeswehr noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um etwa Ärztinnen/Ärzte dem zivilen Sektor zu entziehen.

Kräftige Unterstützung hat das Verteidigungsministerium auf seinem Weg zu einem der globalen Marktführer im Bereich Sicherheit durch den BundeswehrVerband bekommen. Dieser legte sich beispielsweise mit dem Lobby-Papier „Schlagkräftige Bundeswehr 2020“ mächtig ins Zeug, um eine weitere Militarisierung des öffentlichen Lebens voranzutreiben und allerhand Zuschläge und Extras für die Soldat_innen herauszuschlagen.[9] Verbandschef André Wüstner begrüßte in dem Papier eine verstärkte militärische Präsenz nach außen wie innen und versucht, die milliardenschweren Kosten auf die Gemeinschaft umzulegen: „Alle Menschen der Bundeswehr haben Anspruch auf ein gutes Einkommen. Dafür müssen alle Stellenzulagen um 40 Prozent steigen“; „Die Leistungen für die Angehörigen der Reserve müssen an das Niveau der Soldaten auf Zeit und der Berufssoldaten angeglichen werden“; „dauerhafte Regelung der Möglichkeiten vorzeitiger Zurruhesetzung“; „ohne Grenzen beim Hinzuverdienst“. Für Zeitsoldat_innen soll es eine „generelle Übernahme in die Bundeswehrverwaltung oder in den übrigen öffentlichen Dienst“[10] geben und die Bundesregierung soll Vereinbarungen mit der Wirtschaft treffen, mit dem Ziel, den Soldat_innen einen privilegierten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen (wie beispielsweise 2014 mit der Deutschen Bahn).[11] Zudem forderte Wüstner einen Staatsvertrag für die Bundeswehr mit dem Titel: „Keine Angst vor Uniformen!“ und ganz unverhohlen eine Militarisierung des öffentlichen Lebens: „Die Bundesregierung, die Bundesländer und alle Teile der deutschen Gesellschaft sollten einen Staatsvertrag abschließen, um die Soldatinnen und Soldaten im öffentlichen Leben präsent zu halten.“ […] „Der Titel ‚Keine Angst vor Uniformen‘ soll gerade diejenigen ansprechen, die nicht nur Desinteresse gegenüber der Bundeswehr hegen, sondern Streitkräfte und alles Militärische rundheraus ablehnen. Den Vertragspartnern muss zweierlei gelingen: die Scheu vor den Menschen in Soldatenuniform zu nehmen und dabei das ‚freundliche Desinteresse‘ in Anteilnahme umzuwandeln.“[12]

Dass der Einfluss der BundeswehrVerbandes, der rund 200.000 Mitglieder vertritt, nicht unterschätzt werden darf, berichtete der FAZ-Journalist Eckard Lohse in seinem Ende 2013 erschienenen äußerst lesenswerten Artikel zum Wirken der Lobbygruppe: „Kaum ein Interessenvertreter im politischen Berlin betreibt seine Arbeit derart offensiv und öffentlich wie der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Das gilt nicht nur für Kirsch [Vorgänger von Wüstner; Anmerkung T.M.], auch sein Vorgänger Bernhard Gertz verhielt sich so. Ein erfahrener Sicherheitspolitiker erinnert sich an Auftritte von Gertz, in denen die Worte fielen ‚Der Minister und ich haben beschlossen…‘“[13] Lob über die hervorragende Zusammenarbeit mit dem BundeswehrVerband für das Gesetzesvorhaben zum aktuellen Attraktivitätsgesetz gab es so auch dieses Mal sowohl von der Ministerin als auch von weiteren Abgeordneten.[14] Es bleibt jedoch zu hoffen, dass sich der BundeswehrVerband nicht mit seiner wiederholten maßlosen Forderung nach einem deutlichen Aufschlag des Verteidigungshaushaltes – anfangs um 1 Milliarde, später bis auf 2 % der Höhe des Bruttoinlandsproduktes – durchsetzt.[15] Nach den zahllosen Meldungen – wie erst jüngst (wieder einmal) beim Schützenpanzer Puma[16] oder dem Seeaufklärer Orion P-3C[17] – über das Missmanagement bei der Bundeswehr steht es außer Frage, dass eine solche Erhöhung nur weiteres Steuergeld sinnlos verschwenden würde, ganz abgesehen davon, dass jeder Euro außerhalb des Militärs besser angelegt wäre.

Zum Zeitpunkt des Verfassens des Textes wurde bereits die erste Lesung im Bundestag (30.1.2015) über das Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz abgehalten. Neben dem Dank an den BundeswehrVerband, stieß dies bei fast allen Parteien außer der Linkspartei auf große Zustimmung. Das Gesetz beinhaltet eine verbesserte Bezahlung, flexiblere Arbeitszeiten und Dienstgestaltung, bessere soziale Absicherung etwa mit Rentenregelungen, und viele Detailregelungen,[18] die im Einzelnen bewertet werden müssten. Beispielsweise ist vorgesehen, den Paragrafen 31 des Soldatengesetzes um einen Absatz 8 zu ergänzen: „In einer Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, Soldaten mit Familienpflichten […] diejenigen Kosten für eine Familien- und Haushaltshilfe zu erstatten, die durch besondere Verwendungen im Ausland […], durch die einsatzvorbereitende Ausbildung dazu, durch einsatzgleiche Verpflichtungen oder durch Dauereinsatzaufgaben entstehen.“[19] Bis zu 50 Euro sollen dann pro Tag unter bestimmten Bedingungen ersetzt werden, wenn etwa der „Soldat mit Familienpflichten“ in Afghanistan kämpft oder zur „nuklearen Teilhabe“[20] beiträgt. Auch wenn dieses Beispiel nur einen Ausnahmecharakter haben soll, werden jährlich 2,3 Millionen Euro dafür veranschlagt. Insgesamt sieht das Artikelgesetz im Gesetzentwurf für die erste Lesung 22 solcher Maßnahmen vor, die die Steuerzahlenden in den nächsten vier Jahren etwa eine Milliarde Euro kosten werden. Besonders kostenintensiv sind dabei die „Verbesserung der Nachversicherung“ (270 Millionen Euro), die „Besoldungsrechtliche Folgeänderung der Dienstzeitregelung“ (208 Millionen Euro), die „Aufhebung der Hinzuverdienstgrenzen“ bei Zurruhesetzung (101,2 Millionen Euro), die „Einführung eines Personalbindungszuschlages“ (88 Millionen Euro) sowie die Erhöhung zahlreicher Erschwerniszulagen (119,7 Millionen Euro) – jeweils für den Vierjahreszeitraum bis 2018.[21] Auch die Wehrsoldtagessätze werden um je 2 Euro pro Tag angehoben, was sowohl Reservist_innen betrifft als auch Freiwillig Wehrdienstleistende (FWDL). Dies entspricht 60 Euro mehr im Monat, bei einer Auslandsverwendung das Doppelte (Kosten voraussichtlich 28,5 Millionen Euro bis 2018).[22] Allein für diese 28,5 Millionen Euro für die 2 Euro Tagessolderhöhung könnte die Bundesregierung – nur zum Vergleich – beispielsweise vier Jahre lang über 140 Streetworker einstellen.

Der Gesetzentwurf lehnt sich so insgesamt stark an die Forderungen des BundeswehrVerband an oder übernimmt diese zum Teil. Auch wenn das Artikelgesetz keinen Staatsvertrag „Keine Angst vor Uniformen!“ beinhaltet, setzt Ursula von der Leyen ihren Militarisierungskurs weiter fort:

„Natürlich ist Soldat oder Soldatin zu sein kein Beruf wie jeder andere; denn diese Menschen sind bereit, im Ernstfall im Auslandseinsatz ihr Leben für Freiheit und Demokratie einzusetzen, weil die Parlamentsarmee diesen Auftrag bekommen hat. Ist das denn ein Grund, weil sie mehr einzusetzen bereit sind als jeder andere und das eben kein Beruf wie jeder andere ist, sie hier zu Hause schlechter zu behandeln als andere? Nein, im Gegenteil, wir müssen sie besser behandeln, und deshalb ist es jetzt auch allerhöchste Zeit, aufzuholen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)“[23]

Zusätzlich zu dem Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz existiert eine zweite Säule zur Attraktivitätssteigerung des Konzerns Bundeswehr mit 29 Maßnahmen, bei der jedoch keine Gesetze geändert werden müssen: die sogenannte Agenda „Bundeswehr in Führung. Aktiv. Attraktiv. Anders.“[24] In bester Marketing-Sprache wird dort beispielsweise das „Coaching des Spitzenpersonals“, die Balance von Arbeit und Dienst oder das „Mobilisieren von Potenzialen“ gefordert. Inwiefern dies mit der Verpflichtung von McKinsey-Beraterin Katrin Suder als neuer Staatssekretärin zu tun hat,[25] die in Interviews immer wieder den Managementaspekt der Bundeswehr betont,[26] sei hier einmal dahingestellt. Die Agenda der 29 Maßnahmen sieht auch weitere Kita-Belegrechte für die Bundeswehr,[27] einen „Tag der Bundeswehr“ sowie einen Preis „Bundeswehr und Gesellschaft“ vor. Der erste „Tag der Bundeswehr“ wird im Jahr des 60-jährigen Bundeswehrbestehens am 13. Juni 2015 an zahlreichen Standorten stattfinden.

Flankiert werden die Attraktivitätsagenda der Bundeswehr und das Artikelgesetz mit einer sehr stark auf persönliche und private Geschichten von Bundeswehrbeschäftigten zugeschnittenen Werbekampagne,[28] die neben dem globalen Einsatz auch ein „menschliches“ Militär darstellen will, eben den netten Konzern von nebenan, bei dem jede und jeder einen Platz findet. Dies unterscheidet sich von der vorangegangenen Werbekampagne „Wir.Dienen.Deutschland.“ (ab 2011) unter Thomas de Mazière, die gerade eingestellt wird.[29] Sie betonte stark das Wir der Kameradschaft und das Dienen im Arbeitsalltag, jedoch nie das Private.[30] In der neuen Kampagnen-Werbewebsite „Karriere beim Bund“ unter Ursula von der Leyen hingegen „[gewähren d]rei Mitarbeiter einen Einblick in ihr Leben als Bundeswehrangehörige. Eine Ingenieurin (zivil), eine Personaloffizierin (militärisch) und ein Hauptmann (militärisch) erzählen über Privates wie Berufliches und was das Besondere am Job bei der Bundeswehr ist.“[31] Ganz im neoliberalen Marketing-Zeitgeist gefangen, verschmelzen dann Arbeit und Privatleben, die Arbeit durchdringt das Private, das Private wird kapitalisiert. Allen voran steht nur der Gewinn des Konzerns an „Humankapital“, für das sich bereits vorhandenes Personal entsubjektiviert und zur Werbeplattform wird. Schmutziger und tödlicher Krieg, gähnende Langeweile sowie Drill und Gehorsam kommen darin nicht mehr vor. Im offiziellen Werbespot zu „Aktiv. Attraktiv. Anders.“ werden vielmehr die Generaltugenden des Neoliberalismus beschrieben: Individualität, Kreativität, Verschmelzung von Privatem und Arbeit, fit, jung, verfügbar und mobil, optimiertes Leben, das an Leistungsgrenzen geht und dabei genießt – für Schwäche und Zweifel ist sowohl im Neoliberalismus als auch beim Militär kein Platz.[32]

Der Kunde, das empfindsame Wesen

Die zur Ware und Werbeartikel gewordenen Soldat_innen locken dann im attraktiven Konzern Bundeswehr die Kundschaft, allen voran neue Bewerber_innen, in den Kriegseinsatz. Treffliches Beispiel für die Kundenwerbung ist der neue „Showroom“ der Bundeswehr am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. Seit Eröffnung am 18. November 2014 sind nach Angaben des Leiters, Hauptmann Jürgen Klau, täglich 50-60 Leute „hineingeströmt“ – was in Anbetracht der 14.705,89 Euro monatliche Gesamtmiete, der Personal- und Materialkosten und der einmaligen Einrichtungskosten in Höhe von 68.115,16 Euro keine überragende Zahl darstellt.[33] Der indirekte Werbeeffekt dürfte jedoch ungleich höher ausfallen. Der Showroom erfüllt nach Leiter Klau eine weitere Aufgabe: „Viele Passanten laufen vorbei und können sich auf Wunsch direkt über die Marke Bundeswehr informieren – ein Aushängeschild in zentraler Lage in Berlin.“[34] Ausgebaut wurde dabei die Marke Bundeswehr bereits unter de Maizière mit einem neuen Corporate Design,[35] dem Claim „Wir.Dienen.Deutschland.“ und einem eigenen Audiologo durch den Komponisten Simon Theisen.[36] Die Kosten für die Bundeswehr sind nicht bekannt, laut FAZ kostet aber allein ein solches Audiologo marktüblich zwischen 60.000-200.000 Euro.[37] Fabian Hartjes schreibt so in der Zeitung Die Welt ganz zu Recht „Von ‚Wir. Dienen. Deutschland.‘, wie es über dem Eingang der neuen Militärfiliale heißt, ist es nicht allzu weit zu ‚Wir lieben Lebensmittel‘.“[38] Und selbst die Bundeswehr wird im Etablierungskonzept des Showrooms über dessen am „Kunden“ orientierten Zugang eindeutig: „Die Geschäftszeiten richten sich an den Gewohnheiten der Kunden aus. […] Im Showroom findet der Kunde Ansprechpartner und Informationsmaterial zu allgemeinen Bundeswehrthemen.“[39]

Falls der Nachwuchs dann doch als Kunde bei der Bundeswehr anbeißt, ändern sich für die Jugendlichen die Perspektive bei der militärischen Konzernphilosophie wahrscheinlich spätestens dann, wenn sie in Afghanistan oder anderswo eingesetzt werden. Ein spannendes Beispiel dafür, wie sich dabei militärische Praxis mit Marktmechanismen verschränken, lieferte ein Anfang 2015 in der Zeit geführtes Interview mit zwei Heron I-Drohnenoperatoren der Bundeswehr in Afghanistan:

„ZEIT ONLINE: Herr Wegmann, Herr Kühl, bitte erklären Sie einmal einem Nichtsoldaten: Was machen Sie da eigentlich? Was ist ein typischer Missionsauftrag für eine Heron-I-Drohne?

Moritz Wegmann, Pilot: Es gibt verschiedene Einsatzarten. Grob umrissen würde ich sagen: reine Überwachung, sei es von Gebäuden, Straßen, Komplexen. Es gibt verschiedene Anforderungsprofile, was auch immer der Kunde von uns möchte.

ZEIT ONLINE: Der Kunde – wer ist das?

Wegmann, Pilot: Das sind die Einheiten, die uns angefordert haben. Die sagen: Wir müssen wissen, wie viele Personen halten sich in diesem Gebäude auf, wo sind Zufahrtswege und Zufahrtsräume? Oft überwachen beziehungsweise kontrollieren wir Straßen oder Streckenabschnitte auf Gangbarkeit.“[40]

Dass die Sicherheit, die die Bundeswehr meint, in Afghanistan auch noch andere „Kunden“ mit tödlicher Ware versorgt,[41] wird im Interview nur oberflächlich besprochen, „geheim“ sei es sogar, so ein Operator. Vielmehr scheinen sich die Journalisten dafür zu interessieren, ob „die Aufgabe Spaß mache“, oder „ob es nicht mal langweilig werde“ oder ob es „nicht ein komischer Beruf [sei], den ganzen Tag Leuten aus der Luft zuzugucken?“[42] Sie verkennen dabei leider den entscheidenden Punkt: Soldat_in ist kein Beruf, die Bundeswehr auch kein Konzern, sondern institutionalisierte militärische Gewalt und Soldat_innen deren Befehlsempfangende und Ausführende. Selbst eine politisch konservative Kritik muss zudem erkennen, dass der Staat eben kein fairer Konkurrent sein kann im Konkurrenzkampf mit Konzernen, die er zwar selbst versucht zu regulieren, aber bei seiner eigenen Wettbewerbsfähigkeit keine Abstriche in Kauf zu nehmen bereit ist.

Die dunkle Seite vom Hochglanz: Nachts sind alle Katzen grau, selbst die Hunde

Abseits vom Hochglanz der Bundeswehrwerbung, Geld- und Karriereversprechungen und mit Pathos aufgeladenen Parolen vom Dienen, ist es sehr bedenklich, welchen Weg eine nicht nur sprachlich immer weiter vorangetriebene Marketingmaschine Bundeswehr, die die Kategorien von Markt und Kundschaft, von Konzern und Kommerz immer stärker in ihre Strukturen einfließen lässt, sowohl für die demokratische Kontrolle als auch für den Frieden bedeutet. Vermarktet sich etwa immer weiter der Mensch im Soldaten für das Militär wie in der aktuellen Werbekampagne, oder muss der Staat über Show und Effekt, über Laptops und Geldversprechungen und millionenschwere Werbeetats auf Nachwuchssuche gehen, kann das Ergebnis nur eine fortschreitende Militarisierung nach innen wie nach außen bedeuten. Vermengt mit dem jedem staatlichen Militär eigenen übersteigerten Nationalbewusstsein bei dessen Angehörigen, die ja im Zweifel ihr Leben für den Staat zu geben bereit sein sollen, entsteht eine Dynamik, die dem Militär immer größeren Einfluss, immer mehr Ressourcen und darin eine immer weitreichendere Privilegierung gegenüber dem zivilen Leben zukommen lassen wird. Verbindet und dynamisiert sich so eine Marktlogik mit einer Militärlogik in der Institution Bundeswehr, ist einer weiteren zur-Ware-Werdung von „Sicherheit/Gewalt“ Tür und Tor geöffnet. Im Zuge der Münchner Sicherheitskonferenz darf es so dann auch nicht mehr verwundern, wenn Ursula von der Leyen in vertraulichen Gesprächen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesagt haben soll: „It’s payback time“,[43] und damit darauf anspielte, dass Deutschland als angeblicher Kreditschuldiger des „Friedens dank der NATO“ sich nun stärker militärisch engagieren werde.

Anmerkungen

[1] BMVg (2014): Aktiv. Attraktiv. Anders., Broschüre, S. 3.

[2] von der Leyen, Ursula (16.1.2014): Eine zukunftsfähige Bundeswehr im umfassenden Sinne. Rede im Bundestag zum Bericht des Wehrbeauftragten, via CDU/CSU. Vgl. auch BMVg (2014): Aktiv. Attraktiv. Anders., Broschüre, S. 3: „Durch die neutrale Brille betrachtet, ist sie [die Bundeswehr; T.M.] ein Sicherheitsunternehmen, eine Reederei, eine Fluglinie, ein Logistikkonzern, ein medizinischer Dienstleister – alles auf Top-Niveau und weltweit vernetzt: mehr als 240.000 Menschen, mehr als 1.000 Berufe an mehr als 300 Standorten.“

[3] BMVg (2014): Aktiv. Attraktiv. Anders., Broschüre, S. 4.

[4] Bericht des Wehrbeauftragten 2012, Bundestagsdrucksache 17/12050, S. 26.

[5] Weiss, Heinz-Jürgen (Welt, 13.12.2000): Defense Value Added – Die Bundeswehr als effizienter Konzern.

[6] Von der Leyen zitiert in Tagesschau (25.3.2014): Auf die inneren Werte kommt es an.

[7] Grußwort des Standortältesten des Standortes Roding Oberstleutnant Andreas Schramm 2014, via Onlineauftritt der Stadt Roding. Hervorhebung T.M.

[8] von der Leyen, Ursula (30.1.2015): Ohne moderne Ausrüstung ist die Bundeswehr weder attraktiv noch einsatzfähig. Rede zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr, via CDU/CSU.

[9] Mickan, Thomas (8.5.2014): „Schlagkräftige Uniform!“ Zum Papier des BundeswehrVerbandes zur weiteren Militarisierung des öffentlichen Lebens, in: AUSDRUCK 6/2014, S. 1f.

[10] Hervorhebung im Original.

[11] Deutsche Bahn (9.6.2014): Presseinformation Deutsche Bahn und Bundeswehr verstärken Kooperation.

[12] BundeswehrVerband (5/2014): Tiefenagenda „Bundeswehr 2020“ – „Schlagkräftige Bundeswehr 2020“, S. 62.

[13] Lohse, Eckard (FAZ, 5.11.2013): „Der Minister und ich haben beschlossen…“.

[14] Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 18/83, S. 7897, 7908, 7912

[15] Etwa in „Schlagkräftige Bundeswehr 2020“, S. 75 oder FAZ, 8.2.2015: Bundeswehrverband: „Deutschland muss auf Krieg vorbereitet sein“.

[16] Friese, Ulrich (FAZ, 6.2.2015): Schwangerenschutz beim Panzerfahren.

[17] Böcking, David (SPON, 14.2.2015): Deutsche Seeaufklärer kosten viel und fliegen wenig.

[18] Stache, Christian (W&F, 4/2014): Die Bundeswehr in Führung. Die Reklamekampagne der Bundeswehr, S. 17f.

[19] Gesetzentwurf der Bundesregierung (7.1.2015): Entwurf eines Gesetzes zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz – BwAttraktStG), Drucksache 18/3697, S. 18, 55.

[20] Ebd., S. 55

[21] Ebd., S. 35.

[22] Ebd.

[23] von der Leyen, Ursula (30.1.2015): Ohne moderne Ausrüstung ist die Bundeswehr weder attraktiv noch einsatzfähig. Rede zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr, via CDU/CSU. Hervorhebung T.M.

[24] Bundesministerium der Verteidigung Presse- und Informationsstab (2014): Handout Agenda „Bundeswehr in Führung. Aktiv. Attraktiv. Anders.“

[25] Dausend, Peter (Zeit, 19.5.2014): Die Ursula von McKinsey.

[26] Bundeswehr (2.2.2015): Interview mit Staatssekretärin Suder: Die Truppe ist der zentrale Kompass.

[27] Mickan, Thomas (2013): Motivationsfaktor Kita. Über Belegrechte und die Privilegierung der Bundeswehr, in: AUSDRUCK 6/2013, S. 11f. Ders./Fuchslocher, Kolja (2014): Bundeswehr und Kita: Militarisierung im Kleinen, in: AUSDRUCK 8/2014, S. 23f.

[28] Beispielsweise die Oberfähnrich Inga-Britt Gläßmann wird als ehrliche Haut und Flutretterin porträtiert. Siehe: YouTubeKanal der Bundeswehr (21.10.2014): Ein Tag mit Oberfähnrich Inga-Britt Gläßmann.

[29] Website Wir.Dienen.Deutschland: Selbstverständnis (in der Einstellung begriffen).

[30] U.a. YouTubeKanal der Bundeswehr: Mit Drill zur Perfektion (6.10.2011); Brothers in arms (28.8.2013); Teamwork auf hoher See – Spezialisten der Fregatte Brandenburg im Einsatz (10.10.2014).

[31] Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) (2014): Bundeswehr startet neue Werbewebsite der Bundeswehr: www.Karriere-beim-Bund.de

[32] YouTubeKanal der Bundeswehr (26.6.2014): Bundeswehr in Führung – Aktiv. Attraktiv. Anders.

[33] Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (12.12.2014), via fragdenstaat.de.

[34] Bundeswehr/Sebastian Wanninger (5.12.2014): Als Leiter des Showrooms der Bundeswehr mitten in Berlin. Interview mit Jürgen Klau. Hervorhebung T.M.

[35] BMVg (2011):Wir. Dienen.Deutschland. Ergänzung zum Corporate Design: Gestaltungsrichtlinien und Anwendungsbeispiele

[36] Bundeswehr/Frank Bötel (2.10.2014):Musik und Morse-Code: Neues Markenzeichen der Bundeswehr.

[37] Lenz, Natascha/Thielen, Johannes (FAZ, 29.7.2013): Klang-Marken. Wie klingt Fairness?

[38] Hartjes, Fabian (Zeit, 2.12.2014): Machen wir uns nichts vor.

[39] Karrierecenter der Bundeswehr Berlin, Ulrich Karsch: Konzept zur Etablierung eines Showrooms in Berlin, S. 3, via fragdenstaat.de.

[40] Zeit (9.1.2015): Drohnen-Piloten: „Ich bin kein Computerspieler“, Interview von Kai Biermann und Thomas Wiegold mit zwei Bundeswehrdrohnenoperatoren.

[41] Mickan, Thomas (AUSDRUCK, 1/2015): Wie viele Menschen hat die Bundeswehr in Afghanistan getötet?, S. 12f.

[42] Zeit (9.1.2015): Drohnen-Piloten: „Ich bin kein Computerspieler“, Interview von Kai Biermann und Thomas Wiegold mit zwei Bundeswehrdrohnenoperatoren. Hervorhebung T.M.

[43] Gutschker, Thomas (FAZ, 5.2.2015): Die Deutschen an die Front!