IMI-Standpunkt 2007/034

Teurer als geplant – Auslandseinsätze der Bundeswehr


von: Claudia Haydt | Veröffentlicht am: 19. April 2007

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Die Umwandlung der Bundeswehr zur „Armee im Einsatz“ gibt es nicht zum Nulltarif. Immer größere Teile des Bundeswehrhaushaltes werden für Vorbereitung und Durchführung von Auslandseinsätzen verwendet. Der Jahresbericht des Verteidigungsministeriums über die Kosten von internationalen Einsätzen im Jahr 2006 veranschaulicht diese Entwicklung.

Im Jahr 2006 waren im Bundeshaushalt (im Einzelplan 14) 671 Millionen Euro für so genannte „Einsatzbedingte Mehrkosten“ vorgesehen. Zusätzlich wurden im Laufe des Jahres noch 33,7 Millionen für den EUFOR RD CONGO Einsatz und 17,2 Millionen für die Präsenz vor der libanesischen Küste durch Parlamentsentscheidungen bewilligt. Weitere Kosten fielen für gemeinsam finanzierte Maßnahmen bei NATO-Operationen (ISAF und KFOR) an. Der deutsche Anteil hierfür betrug 38,6 Millionen. Es gab also für Kosten in Höhe von circa 760 Millionen formale Beschlüsse des Parlaments. Dass diese Mittel jedoch nach internen Berechnungen der Bundeswehr nicht ausreichen würden, stand bereits zu Beginn des Jahres 2006 fest. Besonders ISAF und der so genannte Antiterrorkrieg „Enduring Freedom“ erwiesen sich als Fass ohne Boden. Die Einsätze der Bundeswehr kosteten am Ende des Jahres 2006 insgesamt 893,79 Millionen. Die Kosten waren also um 18% höher als geplant. Berücksichtigt man, dass zahlreiche Einsätze günstiger waren als geplant, dann wird klar, dass neben der humanitären und der politischen Eskalation in Afghanistan auch der haushaltspolitische Aspekt ein wachsendes Dilemma darstellt. Die Einsätze im Libanon, im Kongo, in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo verschlangen zum Teil wesentlich weniger Mittel als erwartet. Der ISAF-Einsatz nahm jedoch schon in der Planung mit 417 Millionen Euro den prominentesten Rang ein und schlug am Ende des Jahres mit über 500 Millionen zu Buche. Im Verhältnis zum Vorjahr stiegen die Kosten sogar um 33%. Durch die Entsendung der Tornados sowie die personelle Aufstockung der Bundeswehr im März 2007 werden die Kosten weiter steigen. Die Teilnahme an Operation Enduring Freedom wurde um 12% teurer als geplant. Auch in Deutschland stiegen übrigens die Ausgaben der Bundeswehr. Da immer mehr Soldaten im Auslandseinsatz sind, erhöhten die Kosten für die Bewachung von Bundeswehrliegenschaften durch ziviles Personal um 5 Millionen. Der zunehmende Lufttransport, z.B. von Leipzig in die Einsatzgebiete, belastete nicht nur die Anwohner mit Lärm, sondern lies alleine die Flugsicherungskosten um 2 Millionen steigen.

Nach wie vor gibt die Bundeswehr gigantische Summen für Rüstungsprojekte aus, die auch militärisch unsinnig sind (z.B. MEADS/IRIS). Doch ganz offensichtlich sinkt der Anteil dieser „Industrieförderungsmaßnahmen“ zugunsten von Beschaffungen, die tauglich sind für Kriege und Besatzungen. Das Verteidigungsministerium berichtet deswegen stolz, „der Einzelplan 14 hat sich zum ‚Einsatzhaushalt‘ entwickelt“. Es wird berichtet, dass „einsatzbedingte Sofortbeschaffungen“ deswegen immer seltener notwendig sind und sich der Haushalt weitgehend auf „nicht planbaren Bedarf an einsatzrelevantem Material“ beschränkt. Womit auch das Verteidigungsministerium zugibt, dass die Kosten für Auslandseinsätze der Bundeswehr wesentlich mehr umfassen, als die offiziell aufgelisteten „einsatzbedingten Mehrkosten“. Auch die Beschaffung von Fregatten, von Kampf- und Transporthubschraubern, von gepanzerten Fahrzeugen oder Kommunikationsinfrastruktur für vernetzte Kriegsführung und vieles mehr ist nur deswegen nötig, weil die Bundeswehr längst keine Verteidigungsarmee mehr ist. Ebenso müssten alle Kosten für die Umstrukturierung der Bundeswehr in Eingreif-, Stationierungs- und Unterstützungstruppen sowie die dafür nötige Infrastruktur und Ausbildung den Einsatzkosten zugerechnet werden.

Die Kosten für Auslandseinsätze werden weiter zunehmen. Im Kosovo oder in Afghanistan rechnen Ministeriumsmitarbeiter für die Anwesenheit von deutschen Truppen in der Größenordnung von „Generationen“. Im Umkehrschluss heißt das, dass kaum jemand damit rechnet, in absehbarer Zeit „Erfolge“ zu erzielen. Das offensichtliche Scheitern des westlichen Interventionismus wird also teuer, für Besetzte und Besatzer. Für die Zukunft wird deswegen sowohl mit steigenden Kosten als auch mit zunehmenden Bemühungen, diese Kosten zu verschieben und zu verschleiern, zu rechnen sein. Teile der militärischen Aufgaben im Kosovo werden wohl zukünftig von EU-Gendarmerietruppen übernommen und entsprechend nicht über Militärhaushalte verbucht werden. Nicht nur aus dem Grünen Lager kommen Ideen, die Mehrkosten für Auslandseinsätze zukünftig über den Haushalt des Außenministeriums abzuwickeln. Im Rahmen der EU hat man etwa über den Athena-Mechanismus schon einige Erfahrung im Aufstellen von Schattenhaushalten und zudem existieren offensichtlich wenig Skrupel, Zuschüsse für Militäreinsätze z.B. im Rahmen der Afrikanischen Union (AU), als Entwicklungshilfe zu deklarieren. Von demokratischer Kontrolle, ganz abgesehen vom verfassungsrechtlichen Grundsatz der „Haushaltsklarheit und -wahrheit“, kann so keine Rede sein.

Tabelle: Kostenplanung für Auslandseinsätze 2006 (in Millionen Euro)

geplante Kosten (Mio. €) tatsächliche Kosten (Mio. €)
KFOR (Kosovo) 204,0 171,5
EUFOR (BiH) 77,9 65,6
Enduring Freedom (Afghanistan, Horn von Afrika …)
86,1 100,9
ISAF (Afghanistan) 417,8 500,8
UNOMIG (Georgien) 0,7 0,7
AMIS (Sudan) 1,0 1,7
UNMIS (Sudan) 0,6 1,1
EUFOR RD CONGO 53,4 33,7
UNIFIL (Libanon) 46,3 17,2
UNMEE (Äthiopien/Eritrea)
0,0 0,6