IMI-Standpunkt 2007/010

Milliardengeschenke für die Rüstungsindustrie


von: Claudia Haydt | Veröffentlicht am: 8. Februar 2007

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In Zeiten angeblich knapper Kassen ist es bemerkenswert wenn in einer einzigen Sitzung Entscheidungen über Ausgaben in Höhe von mehreren Milliarden getroffen werden. Leider ging es am 31.1.2007 im Verteidigungsausschuss nicht um Investitionen in Schulen, Krankenhäuser oder Entwicklungshilfe sondern um die Ausstattung der Bundeswehr mit neuem Kriegsgerät. Die Parlamentarier der Regierungskoalition, teilweise unterstützt von Grünen und FDP, gaben grünes Licht für vier umfangreiche Rüstungsprojekte.

Innerhalb einer Sitzungswoche wurden so Rüstungsausgaben von über 1,3 Milliarden Euro beschlossen und Schachzwänge für weitere Investitionen geschaffen. Damit fiel schlussendlich die politische Entscheidung für die Verschleuderung von 2,2 Milliarden Euro in Laufe der nächsten Jahre.

Die Bundeswehr will mit der Entwicklung der Überwachungsdrohne EURO-HAWK ins Zeitalter elektronischer Kriege durchstarten. Allein für die Entwicklung dieses Gerätes werden circa 460 Mio. Euro veranschlagt. Der Bau von weiteren Systemen – nach erfolgreich abgeschlossener Entwicklung – wird zusätzlich 400 Mio. Euro kosten. Ebenfalls neu entwickelt werden soll ein Flugabwehrsystem, das allerdings aufgrund seiner hohen Feuerkraft prinzipiell auch für Angriffe tauglich ist. Die Entwicklung des so genannten Rolling Airframe Missile Block (kurz: RAM Block2) wird ca. 170 Mio. Euro kosten. Und auch hier ist nach Beendigung der Entwicklung die entsprechende Serienproduktion des Raketensystems geplant. Dafür werden dann 440 Mio Euro fällig.
Das dritte Millionenprojekt klingt fast schon ökologisch korrekt: hier wird nicht neu gebaut, sondern bereits vorhandene Hubschrauber (MTH, Mittlere Transport Hubschrauber) werden für „nur“ 566 Mio Euro aufgerüstet. Für „nur“ 14 Mio. Euro pro Stück werden insgesamt 40 Hubschrauber für zukünftige Kriege tauglich gemacht. Das letzte Rüstungsprojekt verdankt seine Entstehung dem Rüstungswahnsinn des Kalten Krieges und leistet kaum mehr als ein Sponsoring von Rüstungsfirmen. Für den „billigen“ Lenkflugkörper IRIS-T SL werden knapp 150 Mio Euro fällig.

Die hier aufgeführten Rüstungsprojekte stellen nur einen kleinen Teil der gesamten Rüstungsplanung dar, sie machen aber die Strukturen deutscher Rüstungsplanung deutlich.

Kriegs- und Eskalationsgefahr

Bei allen Rüstungsprojekten liegen Szenarien für einen möglichen Einsatz der Waffen zugrunde. Die meisten deutschen Soldaten sind zur Zeit in Regionen tätig, in denen Bedrohungen meist asymmetrischer Natur sind. Improvisierte Sprengfallen, Selbstmordattentate oder Angriffe mit leichten Waffen, das sind etwa in Afghanistan, die typischen Risiken. Dennoch soll mit Waffen wie dem Raketensystem Rolling Airframe Missile Block (kurz: RAM Block2) ein fiktiver hochtechnisierter Gegner militärisch beherrschbar gemacht werden. Als mögliche Gegner die „moderne hochagile Seezielflugkörper“ besitzen, gegen die RAM Block2 dann erfolgreich eingesetzt werden könnte, kommen zur Zeit eigentlich nur Staaten wie Iran und Nordkorea in Frage. In beiden Fällen kann eine Lösung jedoch nur auf diplomatischem und nicht auf militärischem Wege erfolgen.
Die Drohne EURO HAWKS unterscheidet sich von ihrem us-amerikanischen Schwesterprojekt Global Hawk unter anderem dadurch, dass sie eine doppelt so hohe Nutzlast transportieren kann. Dadurch wird es mittelfristig möglich auf solchen unbemannten Flugkörper mehr als „nur“ Aufklärungselektronik zu transportieren. Drohnen können dann mit Paketen für die elektronische Kriegsführung, u.a. zum Blockierung von Handykommunikation der Gegner bestückt werden. Auch eine leichte Bewaffnung der Drohnen mit Angriffswaffen ist denkbar.
High-Tech-Waffensysteme suggerieren militärische Allmacht, lassen Kriege ohne eigene Verluste führbar und gewinnbar erscheinen und blenden die Gefahr der regionalen und globalen Eskalation aus.

Globale Intervention

Keines der geplanten Rüstungsprojekte dient der Territorialverteidigung. Gegen wen sollte die Bundeswehr auch in einem Umkreis von 20 km kämpfen (das ist die Reichweite von MEADS/IRIS)? Die Aufklärung mit unbemannten Flugzeugen in großer Höhe ist nur über feindlichem Territorium eine immanent logische Option. In der Nachbarschaft der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine entsprechende Bedrohung nicht. Militärische Auslandseinsätze in Afghanistan oder am Horn von Afrika kämen wohl als mögliche Einsatzgebiete für den EURO HAWK in Frage. Solche Auslandseinsätze dienen jedoch nicht den erklärten Zielen wie der „Kampf gegen den Terror“, „Demokratieexport“ oder der „Schutz von Menschenrechten“. Verteidigt werden Interessen wie Ressourcen und freie Handelsrouten, wie unter anderem im Weißbuch der Bundeswehr nachgelesen werden kann.
Militäreinsätze produzieren häufig Widerstand und tragen nicht zur Verbesserung der Situationen der betroffenen Menschen bei. Krieg ist kein taugliches Mittel zum Demokratieexport und somit (sicherheits-)politisch falsch und kontraproduktiv. Wenn Einsätze jedoch einmal begonnen haben, dann erzeugen sie auch rüstungspolitische Eigendynamiken. Es erscheint dann nötig Panzer (z.B. GTK Boxer) zu bauen, die einen besseren Schutz für Soldaten versprechen, Hubschrauber die schnellere Evakuierung ermöglichen (MTH) oder die Aufklärungsmöglichkeiten (EUROHAWK) zu verbessern, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Keine dieser Maßnahmen löst das Problem, wie im Irak deutlich zu sehen ist, aber eine hohe Zahl von toten Soldaten macht es für die Rüstungslobbyisten leichter, den „nötigen Schutz“ für Soldaten an die politischen Entscheidungsträger zu verkaufen.

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Deutsch-amerikanische Rüstungskooperation

Viele der beschlossenen Projekte stärken die deutsch-amerikanische Rüstungskooperation. Die Überwachungsdrohne wird von der Firma EURO HAWK (Sitz in Immenstaad) entwickelt und gebaut an der je zur Hälfte EADS und Northrop Grumman (USA) beteiligt sind. Die transatlantische Freundschaft kennt aber auch Grenzen. Es existiert bereits die US-amerikanische Drohne Global Hawk. Die USA sind jedoch nicht bereit ihre Überwachungstechnologie mit ihren deutschen Verbündeten zu teilen. Deswegen wird nun von EADS der Sensorik-Bereich neu entwickelt. Lediglich der Flugzeugrumpf wird vom GlobalHawk übernommen. Ob die von EADS neu zu entwickelnde Spionagetechnik dann wirklich problemlos in die Trägerplattform integriert werden kann ist keineswegs klar. Es kann also sein, dass hunderte von Millionen ausgegeben werden und am Ende bleibt ein Haufen teurer Schrott übrig. Und EADS und Northrop werden dennoch für ihre Bemühungen bezahlt. Wahrscheinlich wird in so einem Fall dann ein weiterer Vertrag für einen weiteren Versuch der Systemintegration abgeschlossen werden – da ja bereits so viel investiert wurde. Wie bei anderen Großprojekten ist auch hier mit einer unkontrollierbaren Kostenexplosion zu rechnen.
Beim Raketensystem RAM Block2 wird der Vertrag mit der Firma RAMSYS (in Ottobrunn) und den USA abgeschlossen. Die deutsche Seite bezahlt eine Hälfte der Entwicklung von RAM 2 die andere Hälfte wird von den USA bezahlt. Subunternehmer ist unter anderem EADS. Washingtons Gelder gehen überwiegend an die Firma Raytheon in den USA. Jede Seite sponsert also ihre Rüstungsunternehmen. Auch die Aufrüstung des MTH Hubschraubers ist ein transatlantisches Kooperationsprojekt. Der Auftrag geht an die Firma Eurocopter in Donauwörth. Unterauftragsnehmer sind u.a. Rockwell Collins, EADS, CAE und Diehl.

Rüstungssponsoring – Deutsche Standortpolitik

Bei einem Teil von Rüstungsprojekten handelt es sich um ganz offensichtliche Geldverschwendung. Auch aus militärischer Sicht ist das Projekt IRIS-T SL ein weitgehend sinnloses Unterfangen. Das Projekt ist Teil des Taktischen Luftverteidigungssystems MEADS, das nur in einem Radius von höchstens 20km funktioniert. Es könnte theoretisch auch zum Schutz deutscher Truppen (oder der Truppen von Verbündeten) im Auslandseinsatz eingesetzt werden. Die Verlegemöglichkeiten von MEADS sind allerdings sehr schwerfällig. Wer vier Module in ein Einsatzgebiet transportieren will, braucht dafür 24 Airbus400M Großraumtransporter. Zu dem funktioniert MEADS nur dann gut, wenn vorher klar ist aus welcher Richtung Angriffe zu erwarten sind. Eine rundum Abwehr ist mit dem System nicht möglich.
Bei solchen Projekten geht es also in erster Linie um „nationale Industrieförderung“. Offensichtlich soll das deutsche Rüstungsunternehmen Diehl gestützt werden. Gerne wird in diesem Kontext auch damit argumentiert, dass durch Rüstungsprojekte Arbeitsplätze gesichert werden. Es handelt sich hierbei jedoch um sehr unproduktive und teure Arbeitsplätze. Bei der Aufrüstung der MTH Hubschrauber kostet ein Arbeitsplatz ca. 300.000 Euro pro Jahr. Bei der Herstellung des Ende 2006 beschlossenen GTK Boxer kostet jeder Arbeitsplatz „nur“ 180.000 Euro. Mit solchen Summen lassen sich mehr und sinnvollere Arbeitsplätze zum Beispiel im Bereich von Bildung oder im Gesundheitswesen schaffen.

Rüstungsprojekte bergen die Gefahr ihres Einsatzes und möglicher Eskalation in sich, sie ermöglichen globale Interventionen und verschleudern Steuergelder. Statt Milliardengeschenke für die Rüstungsindustrie benötigen wir Investitionen in den Kampf gegen Armut – national und international.

Tabelle: Beschlossenene Rüstungsinvestitionen KW 5
Projekt Kosten Folgekosten Gesamtkosten/€
IRIS-T SL 150.000.000 150.000.000
MTH-Aufrüstung 566.000.000 566.000.000
RAM Block 2 169.000.000 440.000.000 609.000.000

EURO-HAWK 460.000.000 400.000.000 860.000.000

Gesamtkosten/€ 1.345.000.000 840.000.000 2.185.000.000

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