Dokumentation / Pressebericht - in: DER STANDARD, 6.2.2004
Genua-Prozess: Polizei unterschob Beweise
Ermittlungen gegen 93 Globalisierungskritiker eingestellt - Ausweisung für Österreicher aufgehoben
von: Standard / Gerhard Mumelter / Pressebericht / Dokumentation | Veröffentlicht am: 6. Februar 2004
Gerhard Mumelter aus Rom
Das Vorgehen der Polizei bei den Globalisierungskritischen Demonstrationen anlässlich des G8-Gipfels in Genua wurde in Folge stark kritisiert. Viele Demonstranten berichteten von Schlägen und Misshandlungen.
Zweieinhalb Jahre nach der Razzia der Polizei in der Diaz- Schule hat ein Gericht in Genua die Ermittlungen gegen die 93 betroffenen Globalisierungskritiker eingestellt. Die Untersuchungsrichterin Anna Ivaldi sah „keine Beweise für eine Beteiligung der verhafteten Jugendlichen an gewalttätigen Aktionen“. Nach den Ausschreitungen beim G-8- Gipfel im Juli 2001 hatte die Polizei die Schule, die den Jugendlichen als Nachtquartier diente, gewaltsam geräumt und viele der Globalisierungsgegner verletzt.
Die Untersuchungsrichterin sah es als erwiesen an, dass die in der Schule gefundenen Molotowcocktails, Messer und Knüppel als Beweismittel von der Polizei selbst mitgebracht wurden. Das Genueser „Komitee für Legalität und Wahrheit“ forderte Regierungschef Silvio Berlusconi und den damaligen Innenminister Claudio Scajola auf, sich für die „ungesetzliche und brutale Aktion“ offiziell zu entschuldigen, und forderte die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission.
Prozess gegen Polizei
In Kürze beginnt in Genua der Prozess gegen 73 Polizisten, die in der Diaz-Schule und in der Bolzaneto-Kaserne verhaftete Jugendliche teilweise massiv misshandelten. Die Rede war sogar von einer „Exekutionssituation“: „Wir mussten uns in einer Linie aufstellen, und die haben erst mal ein paar Minuten auf Erschießungskommando gemacht und mit den Waffen auf uns gezielt“, berichteten die Verhafteten später. Gegen 26 Randalierer läuft ein Verfahren wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung.
Im Fall der 16 verhafteten österreichischen Jugendlichen ist nach Auskunft der Anwälte mit einer baldigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu rechnen. Die Ausweisungsbefehle gegen die Mitglieder der Volxtheater-Karawane wurden bereits aufgehoben.
Die jungen österreichischen Globalisierungsgegner saßen im Sommer 2001 für drei Wochen in italienischer Untersuchungshaft. Erst nach anfänglichem Zögern – Außenministerin Benita Ferrero- Waldner bezeichnete die Verhafteten als „vorgemerkte Subjekte“ – wurde das Wiener Außenamt aktiv und setzte sich für die Freilassung der Aktivisten ein.