IMI-Analyse 2021/32

NATO-Agenda 2030

Gipfel der Systemkonkurrenz

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 15. Juni 2021

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Am 14. Juni 2021 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der NATO zu ihrem Gipfeltreffen in Brüssel. Auf der Agenda standen eine ganze Menge Dinge, wie allein schon die mit knapp achtzig Paragrafen ungewöhnlich lange Gipfelerklärung bezeugt (das Statement des 2019er Gipfels in London brachte es auf gerade einmal 9 Absätze). Während Militäreinsätze im Globalen Süden („Krisenmanagement“) viele Jahre die Agenda des Bündnisses dominierten, rückt nun eine neue Herzensangelegenheit ganz oben auf die Agenda. Der NATO-Gipfel untermauerte einmal mehr, dass sich inzwischen fast alle Planungen auf die immer rabiater ausgetragene Großmachtkonkurrenz mit Russland und zunehmend auch China konzentrieren. Natürlich zeichnet sich diese Entwicklung schon länger ab, mit der Gipfelentscheidung, für das kommende Jahr ein neues Strategisches Konzept zu erarbeiten und dafür das Papier „NATO 2030“ als wichtige Richtschnur zu nehmen, drohen sich diese Auseinandersetzungen aber endgültig zum Dauerkonflikt zu verfestigen. Die traurige und gefährliche Botschaft des Gipfels fasste NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in seinem Pressestatement folgendermaßen zusammen: „Die Nato ist eine Allianz von Europa und Nordamerika, aber wir müssen uns an ein globales Sicherheitsumfeld, das immer kompetitiver wird, anpassen. Wir befinden uns in einem Zeitalter des globalen Systemwettbewerbs.“

Von Afghanistan zur Systemkonkurrenz

In gewisser Weise hat es Symbolwirkung, dass die NATO beschlossen hat, in diesem Jahr ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen, geht damit gleichsam doch eine Phase zu Ende, in der derlei Einsätze im Zentrum der Planungen standen. Allerdings geht das NATO-Engagement, wenn auch in deutlich anderer Form, weiter, wie auch in der Gipfelerklärung betont wird: „Der Rückzug unserer Truppen bedeutet nicht das Ende unserer Beziehungen zu Afghanistan.“ (para. 19) Vor allem werde die NATO „damit fortfahren, den Afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräften Training und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.“ (ebd.) Darüber hinaus haben die USA laut der Military Times bereits mit Militäreinsätzen und Überwachungsmaßnahmen begonnen, die ihren Ursprung außerhalb der Landesgrenzen haben. So wird der Krieg wohl auf einem deutlich anderen Niveau fortgesetzt. Dennoch ist es sicher nicht übertrieben, im westlichen Truppenabzug eine Art Signal für den endgültigen Übergang in die Phase der Systemkonkurrenz zu erblicken.  

Die diesbezüglichen Konflikte nehmen unmittelbar nach den üblichen Einleitungsfloskeln in der NATO-Gipfelerklärung gleich ab Absatz zwei den meisten Raum ein. Die inzwischen vielfach bemühte „regelbasierte internationale Ordnung“, für die sich die NATO als Garant erachtet, sei „bedroht“ (para. 2). Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, erklärte bereits vor einiger Zeit, was er – und seine NATO-Kollegen – darunter offiziell verstehen: „Noch wichtiger ist allerdings, dass sich ein Wettstreit zwischen mindestens zwei Weltordnungsmodellen abzeichnet: Da ist einerseits das westliche Modell einer regelbasierten demokratischen Ordnung, in der die Macht der Gesetze die Macht der Mächtigen einhegt und in welcher der Einzelne jenen Schutz genießt, der in der Erklärung der Menschenrechte verankert ist. Und da ist andererseits das chinesische Modell, das Präsident Xi Jingpin auf dem letzten Parteikongress als das neue Modell der Weltordnung anpries. […] Diese beiden Modelle werden miteinander konkurrieren, weil sie aus einem einfachen Grund nicht miteinander in Einklang gebracht werden können: Das westliche Modell verspricht individuelle Freiheit, das chinesische Modell tut dies nicht. Daher steht die Welt am Rande eines neuen globalen Wettstreits, der in erster Linie in Asien stattfinden wird.“

Aus Sicht Russlands und Chinas umfasst diese „regelbasierte Ordnung“ aber vor allem Regeln und Prinzipien, die helfen sollen, die westliche Vormachtstellung zu bewahren, weshalb sie vom Westen auch mit Klauen und Zähnen verteidigt werden soll. „Peking teilt unsere Werte nicht“ verkündete beispielsweise NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kurz vor Gipfelbeginn und begründete dies mit der Unterdrückung der Uiguren und der Proteste in Hongkong sowie mit Drohungen gegenüber Taiwan. Sicher ist vieles davon nicht von der Hand zu weisen, andererseits wäre es angebracht, wenn sich der Westen auch zuallererst einmal an die eigene Nase fassen würde, etwa was die Zusammenarbeit mit so lupenreinen Demokraten wie in Saudi-Arabien oder der Türkei oder mit den Putschisten in Mali wie auch mit Islamisten in Syrien anbelangt, um nur einige Beispiele zu nennen. Ganz unabhängig davon dürften ohnehin nicht irgendwelche abstrakten „Werte“ ursächlich für die sich immer weiter verschärfenden Konflikte sein, sondern unterschiedliche sehr handfeste Interessen. Jedenfalls durchzieht die gesamte Abschlusserklärung ein auffällig alarmistischer Ton, wenn es etwa ebenfalls gleich zu Beginn heißt: „Wir sehen uns vielfacher Gefahren und systemischer Konkurrenz von energisch auftretenden Mächten gegenüber.“ (para. 3)

Russland: Gegner und Bedrohung

Endgültig vorbei sind die Zeiten, in denen gegenüber Russland noch halbwegs freundliche Töne angeschlagen wurden: „Unser Verhältnis zu Russland ist so schlecht wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr“, machte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schon kurz vor Gipfelbeginn klar. Und obwohl das Bündnis hierfür maßgeblich verantwortlich ist, betonte Stoltenberg selbstredend, dies liege ausschließlich an Russlands „aggressiven Handlungen“. Auch in der Gipfelerklärung selbst wird Russland als Gegner identifiziert: „Russlands aggressives Verhalten stellt eine Bedrohung für die Sicherheit der euro-atlantischen Region dar.“ (para. 3)

Es folgen dann Absatz um Absatz lange Aufzählungen, in welchen Bereichen Russland massiv aufgerüstet und ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt hätte, weshalb es ein Zurück zur Normalität nicht geben könne (para. 8-12). Besonders wird auf eine Aufrüstung der russischen taktischen und strategischen Atomwaffen abgehoben – hier gelangt man an eine ganz typische Stelle: nicht alle Kritikpunkte sind aus der Luft gegriffen, aber das, was Russland vorgeworfen wird, sieht gegenüber dem, was der Westen veranstaltet, bei näherer Betrachtung vergleichsweise harmlos aus. So verblasst alles was Russland im Atomwaffenbereich unternimmt gegenüber der laufenden „Modernisierung“ der US-Atomwaffen, durch die sie für potenzielle Erstschlagszenarien treffsicherer und durchschlagskräftiger und damit „besser“ einsetzbar werden (siehe IMI-Analyse 2019/25). Der Kostenpunkt für die nukleare US-Aufrüstung für die Jahre 2021 bis 2030 wurde jüngst vom Congressional Budget Office, einer Art US-Rechnungshof, noch einmal auf nunmehr 634 Mrd. Dollar nach oben korrigiert – allein bei dieser Summe handelt es sich um mehr als das Zehnfache des gesamten russischen Militärhaushaltes.

Viel Schatten und etwas Licht gibt es bei den landgestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen, die seit der US-Aufkündigung des INF-Vertrages 2019 ja nicht mehr grundsätzlich verboten sind. Hier wird in der Abschlusserklärung des NATO-Gipfels Russland einmal mehr vorgeworfen, mit der Stationierung von Raketen des Typs 9M729 (SSC-8) den Vertrag bereits vor Aufkündigung verletzt zu haben und deshalb für sein Ende verantwortlich zu sein (para. 46). Das ist aber zumindest umstritten: Russland bestreitet die Vorwürfe – Angebote zur Inspektion wurden vom Westen nicht wahrgenommen (siehe IMI-Analyse 2019/25). Das außerdem kurz vor Gipfelbeginn einmal mehr unterbreitete russische Angebot für ein Moratorium für die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa wurde in der Abschlusserklärung erneut mit den Worten, dies sei „nicht glaubwürdig und nicht akzeptabel“ abgelehnt (para. 46). Einer der wenigen Lichtblicke ist die klare Absage an die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen, für die es „keinen Plan“ gäbe (para. 26). Allerdings lässt man mit diesem schon länger verwendeten Sprachgebrauch vermutlich bewusst die Türe offen, konventionelle Mittelstreckenraketen aufzustellen.

Ein letzter Punkt ist überaus auffällig, nämlich dass nun auch sogenannte Hybride Angriffe unterhalb der Schwelle klassischer Kriegshandlungen als mögliche Auslöser eines Bündnisfalles eingestuft werden (para. 31). Vor allem Russland wird häufig solcherlei hybrider Kriegsführung beschuldigt. Der Begriff selbst ist allerdings überaus schwammig und häufig dazugezählte Elemente lassen sich nur schwer bis überhaupt nicht eindeutig einem Staat zuordnen, was es umso problematischer macht, sie in den Bereich zwischenstaatlicher Kriegshandlungen zu rücken (siehe IMI-Studie 2017/13). Doch genau dies geschieht in der Abschlusserklärung des NATO-Gipfels, wie Augengeradeaus schreibt: „Sowohl ein hybrider Angriff als auch ein massiver Angriff auf IT- und Kommunikationssysteme, also ein Cyberangriff, wird von den NATO-Mitgliedern als möglicher Bündnisfall gesehen – der dann auch mit konventionellen Waffen beantwortet werden könnte“.

Ohne dass man jede Aktion Russlands schönreden muss, der Alarmismus, den die NATO auf ihrem Gipfeltreffen an den Tag legte, ist fast schon lächerlich – oder ein Fall für den Rechnungshof. Die kurz vor dem Gipfeltreffen noch einmal aktualisierten hauseigenen Schätzungen gehen für das Jahr 2021 von Militärausgaben der NATO-Mitgliedsstaaten von zusammengenommen 1.174 Mrd. Dollar aus – Russland brachte es 2020 gerade einmal auf 61,7 Mrd. Dollar!

China: Geografisch-technologische Systemkonkurrenz

Auch China wird in der Abschlusserklärung Beachtung geschenkt – allerdings nimmt es deutlich weniger Raum ein als Russland. Andererseits spielte das Land im bislang letzten Strategischen Konzept von 2010 noch überhaupt keine Rolle und auch in früheren Gipfelerklärungen fand es allenfalls am Rande Erwähnung – das jedenfalls ist nun auch vorbei: „Die selbsterklärten Ambitionen Chinas und sein bestimmtes Auftreten stellen systemische Herausforderungen der regelbasierten internationalen Ordnung und in Gegenden dar, die für die Sicherheit der Allianz wichtig sind.“ (para. 55)

Diese Systemkonkurrenz wird inzwischen auf allen möglichen Ebenen ausgetragen, militärisch legt die NATO vor allem Wert auf den Erhalt ihrer technologischen Vorherrschaft: „Wir sind entschlossen, unseren technologischen Vorsprung zu bewahren“ (para. 37). Hier geht es vor allem darum, Forschung in Bereichen neuer Technologien, insbesondere der Künstlichen Intelligenz, zu fördern und für das Militär nutzbar zu machen. Hierfür habe man sich auf einen NATO Innovation Fund verständigt, mit dem Start-ups, die an dual-use und disruptiven Technologien arbeiten, unterstützt werden sollen (para. 6d). Die immense Abhängigkeit neuer Technologien von Satelliten dürfte dabei mit ein Grund sein, weshalb die NATO auf dem Gipfeltreffen auch den Weltraum zum Beistandsgebiet erklärte (para. 33). Ein Beispiel dafür, wie dies in den Medien berichtet wurde, findet sich bei tagesschau.de: „Darüber hinaus beschloss der Gipfel, dass auch Angriffe im Weltraum die Beistandsklausel nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages auslösen können. Hier ist das Bündnis schon länger besorgt, dass China und Russland, aber auch andere Länder Möglichkeiten zur Beeinträchtigung oder gar Zerstörung von Satelliten getestet haben.“ Der Artikel „versäumt“ es zu erwähnen, dass es Russland und China sind, die seit Jahren den Westen vergeblich auffordern, den Vertrag zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum (PAROS, „Prevention of an Arms Race in Outer Space“) zu unterzeichnen, der eine Stationierung von Waffen im All kategorisch verbieten würde (siehe IMI-Analyse 2019/22). Insofern ist dieses Beispiel tatsächlich typisch für die Einseitigkeit, mit der die erklärten Systemkonkurrenten in den deutschen Medien zumeist beschrieben werden.

Geografisch liegt der Schwerpunkt auf der sogenannten indopazifischen Region. Dort haben vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich ihre Militärpräsenz mit dem Ziel einer Eindämmung Chinas deutlich ausgebaut – und auch Deutschland will im August eine Fregatte dorthin entsenden (siehe IMI-Analyse 2020/19). Interessanterweise wurde im Abschlussdokument des Gipfels der Begriff Indo-Pazifik vermieden, der gemeinhin im Zusammenhang westlicher Eindämmungsversuche gegen China Verwendung findet (siehe dazu etwa SWP-Studie 2020/S09). Stattdessen ist die Rede davon, man werde künftig enger mit den „asiatisch-pazifischen Partnern“ bei der „Förderung kooperativer Sicherheit und der Unterstützung der regelbasierten Ordnung“ zusammenarbeiten (para. 73).

Was das genau bedeuten soll, bleibt aber im Dunkeln bzw. dürfte wohl erst im nächsten Strategischen Konzept klarer werden. Damit folgt die NATO aber in etwa einem Weg, den zum Beispiel vom ehemaligen Leiter der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Karl-Heinz Kamp, mit seiner Forderung nach einem größeren Militärengagement der NATO in Ostasien bereits vor einiger Zeit skizziert hatte. In Sirius – Zeitschrift für Strategische Analysen schrieb er: „Will die NATO nicht einen großen Teil ihrer Existenzberechtigung verlieren, wird sie ihre geografische Orientierung ebenfalls deutlich ändern und ausweiten müssen. […] Eine Hinwendung der Nordatlantischen Allianz in Richtung Asien könnte sich in mehreren Stufen und Intensitäten gestalten. Der erste Schritt wäre, dass die NATO mehr Interesse an der Region zeigen und auch als Allianz die Entwicklungen im asiatisch-pazifischen Raum zur Kenntnis nehmen würde. […] Ein zweiter Schritt würde eine deutlich größere Bereitschaft Europas zu einer fairen Lastenteilung mit den USA hinsichtlich Asien erfordern. […] Langfristig werden die großen europäischen Staaten allerdings, sofern sich der chinesisch-amerikanische Bilateralismus realisiert, nicht umhinkommen, in einem dritten Schritt ihrerseits Fähigkeiten zur weitreichenden Machtprojektion vor allem im maritimen Bereich aufzubauen. Das gilt nicht nur aus der Perspektive der NATO, sondern auch aus der Sicht der EU, wenn diese ihrem eigenen Anspruch des ‚global Player‘ gerecht werden will.“

Schritt eins ist nun mit dem Gipfeltreffen getan, die Schritte zwei und drei sind in Bearbeitung.

NATO 2030: Geldagenda & Strategisches Konzept

Ungeachtet der riesigen Summen, die die Einzelstaaten in ihre Haushalte pumpen, stehen der NATO selber nur vergleichsweise überschaubare Beträge zur Verfügung: 1,55 Mrd. Euro (Militärhaushalt 2020) und 211 Mio. Euro (Zivilhaushalt 2020). Schon im Vorfeld des Gipfels hieß es, man habe sich auf eine Aufstockung der Eigenmittel verständigt, was dann auch in der Abschlusserklärung bestätigt wurde. Allerdings ist unklar, um welche Beträge es hier gehen soll, das soll erst 2022 festgelegt werden und ab 2023 in Kraft treten (para. 7).

Um riesige Summen dürfte es dabei aber ohnehin nicht gehen, wirklich an die Substanz geht es nämlich nicht bei den Eigenmitteln, sondern bei den Ausgaben der Mitgliedsstaaten. Zankapfel ist hier seit Jahren das sog. „Verteidigungsinvestitionsversprechen“ (Defence Invstment Pledge) aus dem Jahr 2014. Aus US-Sicht haben sich die Verbündeten darin darauf verpflichtet, ihre Ausgaben bis 2024 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben. Zufrieden notiert hier die Abschlusserklärung des NATO-Gipfels, seit 2014 seien die Militärausgaben der US-Verbündeten jedes Jahr real angestiegen, 10 Staaten würden bereits in diesem Jahr über dem 2%-Ziel liegen, voraussichtlich zwei Drittel dürften es 2024 sein (para. 35). Deutschland liegt mit Ausgaben von 1,53 Prozent (nach NATO-Kriterien) aktuell auf Platz 19, wie interessierte Kreise vor und nach dem Gipfeltreffen nicht müde wurden zu betonen. Um die Auswirkungen zu verdeutlichen: der offizielle Haushalt belief sich im Jahr 2020 auf 45,2 Mrd. Euro, bei Umsetzung des 2%-Ziels wären es 66,8 Mrd. Euro gewesen. Obwohl dieses Geld dringend für allerlei andere Dinge benötigt wird, schmiss sich nun auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet kurz vor dem Gipfel hinter das 2%-Ziel. Bei tagesschau.de hieß es dazu: „Laschet bekräftigte zudem seine Unterstützung für das Zwei-Prozent-Ziel, mit dem sich die NATO-Staaten verpflichtet haben, darauf hinzuarbeiten, dass sie zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. ‚Wenn wir international etwas verabredet haben, sollte man sich auch daran halten‘.“

Eine letzte wichtige Entscheidung auf dem Gipfeltreffen betrifft das Strategische Konzept der NATO, mit dessen Aktualisierung der Generalsekretär beauftragt wurde. Es soll auf dem nächsten NATO-Gipfel voraussichtlich 2022 angenommen werden und dürfte viele Aspekte der Systemkonkurrenz vertiefen und verschärfen. Das zumindest steht zu befürchten, nachdem auf dem Gipfeltreffen zugestimmt wurde, dass das Papier „NATO 2030: United for a New Era“ hierfür als Vorlage dienen soll, in dem der erklärten Systemkonkurrenz große Bedeutung beigemessen wird (para. 5). Dabei handelt es sich um ein von einer vom NATO-Generalsekretär handverlesenen ExpertInnengruppe verfasstes Dokument, an dem unter anderem auch Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière federführend beteiligt war (siehe IMI-Analyse 2020/44). Schon bei seiner Erstellung war es als Vorlage für eine künftige NATO-Strategie gedacht, da das alte Konzept von 2010 noch unter dem Eindruck halbwegs freundschaftlicher Beziehungen zu Russland und ganz ohne Erwähnung Chinas abgefasst worden war. Indem das NATO-2030-Papier zur Richtschnur erklärt wurde, dürfte sichergestellt sein, dass sich dies in der Neuauflage ändern dürfte: „Die Welt der NATO wird in den nächsten 10 Jahren anders sein als die, die sie sowohl während des Kalten Krieges als auch in den Jahrzehnten unmittelbar danach bewohnte. Sie wird eine Welt konkurrierender Großmächte sein, in der aggressive autoritäre Staaten mit revisionistischen außenpolitischen Agenden darauf abzielen, ihre Macht und ihren Einfluss auszuweiten.“