IMI-Analyse 2018/10 (Update, 14.5.2018)

„Das größte Rüstungsprojekt Europas“

Die Vorentscheidung im Tauziehen um das deutsch-französische Kampfflugzeug

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 25. April 2018

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Bereits im Vorfeld war angekündigt worden, dass auf der „Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung“ (ILA) Ende April 2018 wichtige Weichen für den Bau eines deutsch-französischen Kampfflugzeugs gestellt werden sollten. Angesichts eines geschätzten Gesamtvolumens von mindestens 80 Mrd. Euro geraten Industrievertreter wie Airbus-Chef Dirk Hoke regelrecht aus dem Häuschen. Es handele sich um nicht weniger als „das größte Rüstungsprojekt Europas.“[1] Doch auch für die Politik hat das Projekt hohe Priorität, gilt es doch als Lackmustest, ob es die Europäer mit ihrem in der EU-Globalstrategie vom Juni 2016 formulierten Anspruch ernst meinen, sich „autonome“ – sprich US-unabhängige – „militärische Spitzenfähigkeiten“ zulegen zu wollen.[2] In Deutschland muss in diesem Zusammenhang bald eine Richtungsentscheidung getroffen werden, da die rund 90 Bundeswehr-Tornados ab 2025 nicht mehr in der Lage sein werden, als Träger der modernisierten US-Nuklearwaffen im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ zu fungieren. Eine mögliche Alternative wäre die Anschaffung der F-35 von Lockheed Martin, das aktuell modernste Kampfflugzeug der Welt. Da dies wohl gleichbedeutend mit dem Todesstoß für die deutsch-französischen Kampfjetpläne wäre, propagiert Airbus eine „Eurofighter-Brückenlösung“, um einstweilen die industriepolitische Stellung zu halten.

Im Kopf-an-Kopf-Rennen schien Lockheed Martin lange Zeit die Nase ein wenig vorn zu haben, zumal zwischen Airbus und Dassault hinter den Kulissen heftig um die industriepolitische Führung des geplanten Kampfjets gerungen wurde. Auf der ILA vom 25. Bis 29. April 2018 kam es dann zum Showdown. Lockheed Martin schickte die F-35 mitsamt Pentagon-Aufgebot auf Werbetour nach Berlin Schönefeld, doch es waren Airbus und Dassault, die bereits im Vorfeld für die Paukenschläge sorgten. Erst einigten sich die beiden Konzerne noch vor ILA-Beginn auf einen Packagedeal, mit dem die Streitereien um die Führungsrolle – zumindest vorläufig – beigelegt wurden. Dann unterbreitete Airbus – unterstützt von Dassault – einen Tag vor Anfang der Luftausstellung ein konkretes Angebot für die Eurofighter-Brückenlösung und schließlich wurde auf der ILA selbst von der französischen Verteidigungsministerin Florence Parly und ihrer deutschen Kollegin Ursula von der Leyen ein Memorandum unterzeichnet, in dem die grundsätzlichen militärischen Anforderungen an das neue Kampfsystem festgelegt wurden und das den Weg für den Abschluss eines Vertrags ebnen soll.

Obwohl das Projekt mit extremen Risiken behaftet ist, erfährt es von politischer Seite augenscheinlich große Unterstützung, eben weil es Signalwirkung für all die hochfliegenden Pläne zum Aufbau schlagkräftiger europäischer Militärkapazitäten hat. Die Tragweite des Vorhabens unterstrichen Claudia Major von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ und Christian Mölling von der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) mit den Worten: „Die militärische Luftfahrt ist die Schlüsselindustrie – hinsichtlich Umsatz und Innovationsleistung. Deutschland und Frankreich bewahren Europa mit dem Projekt die Möglichkeit, eine eigenständige Rüstungsindustrie zu erhalten und nicht von US-Firmen abhängig zu werden. Die Realisierung der europäischen Autonomie rückt damit ein bisschen näher.“[3]

Der Enkel des Eurofighters

Aktuell produzieren nur die USA (F-35[4]) einen Kampfjet der sogenannten fünften Generation.[5] Auch wenn andere Länder wie Russland und China solche Flugzeuge ebenfalls in Entwicklung haben, ist derzeit nicht absehbar, wann diese Serienreife erreichen. Die von Deutschland (Eurofighter) und Frankreich (Rafale) genutzten Kampfjets gehören noch der vierten Generation an und verfügen beispielsweise nicht über die begehrte Tarnkappenfähigkeit. Vor diesem Hintergrund äußerte etwa André Lanata, der Chef der französischen Luftwaffe, die Sorge, rüstungstechnologisch massiv ins Hintertreffen zu geraten: „Gegner und Partner modernisieren ihre Luftwaffen zügiger. Die F-35 — ein Tarnkappenjet der neuesten Generation, der gerade in den Dienst mehrerer europäischer Luftwaffen übernommen wird, aber auch durch die australische Luftwaffe — zeigt die Gefahr, deklassiert zu werden. Die F-35 wird in weniger als fünf Jahren der neue Referenz-Standard sein, um an anspruchsvollen Militäroperationen teilzunehmen.“[6]

Um dem entgegenzuwirken, verständigten sich Berlin und Paris in der Abschlusserklärung des deutsch-französischen Ministerrates vom 13. Juli 2017 auf den Bau eines gemeinsamen Kampfjets der sechsten Generation.[7] Als Baubeginn wird das Jahr 2020 und für die Auslieferung der Zeitraum zwischen 2035 und 2040 angepeilt. Viel ist über das Vorhaben zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bekannt, allerdings scheint klar, dass das Ganze als eine Art „Verbundsystem“ geplant wird: „Airbus und die Luftwaffe wollen gleich ein ganzes Waffensystem rund um den Jet entwickeln – ‚Future Combat Air System‘ [FCAS] heißt das Projekt für den Krieg der Zukunft. Bemannt und unbemannt soll der neue Kampfjet fliegen können, begleitet von Drohnen-Schwärmen, die mithilfe von künstlicher Intelligenz ihren Weg finden. Neue Laserwaffen, vielleicht auch Raketen mit Hyperschall-Antrieb, wer weiß heute schon, was 2040 möglich ist.“[8]

Streit um die Führungsrolle

Die deutsch-französische Zusammenarbeit gilt als unerlässlich, um ein Projekt dieser Größenordnung überhaupt realisieren zu können. Nur so lassen sich große Stückzahlen und damit wettbewerbsfähige Stückpreise erreichen. So betont Volker Thum, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie: „Um im harten globalen Wettbewerb auch mit den USA und China mithalten zu können, bedarf es einer noch engeren europäischen Zusammenarbeit. Die Zeit der Kleinstaaterei ist vorbei – dies gilt für die zivile Luftfahrt ebenso wie für die Raumfahrt und die militärische Luftfahrt. Hier geht es insbesondere um die geplante Entwicklung eines europäischen Kampfflugzeuges der nächsten Generation, ein integriertes System, ein ‚System der Systeme‘, das im ‚Teaming Manned/Unmanned‘ Drohnen, Kampfflugzeuge, Satelliten sowie Kommando- und Kontrollflugzeuge miteinander vernetzt.“[9]

Als Firmen, die am Bau des Kampfjets beteiligt wären, werden Airbus, Dassault, MBDA, Thales und Safran genannt. Dem Vernehmen nach lieferten sich Dassault und Airbus  bereits seit einiger Zeit heftige Auseinandersetzungen um die Führungsrolle bei der Entwicklung der ebenfalls in Planung befindlichen Eurodrohne.[10] Ähnliches schien sich auch für die künftige Führung beim Bau eines möglichen deutsch-französischen Kampfflugzeugs abzuspielen, als Airbus Ende letzten Jahres die Spitzenposition für sich reklamierte.[11]

Diese Ansage ließ Dassault aber reichlich kalt und der Konzern pochte ebenfalls darauf, die Leitung des Projektes zu übernehmen – zuletzt Mitte April 2018 nur wenige Tage vor der ILA: „Beim geplanten deutsch-französischen Kampflugzeugprogramm beansprucht der französische Luftfahrtkonzern Dassault die Verantwortung und will Airbus nur eine Juniorrolle zugestehen. ‚Wir können die Führungsrolle übernehmen‘, erklärte Dassault-Aviation-Chef Éric Trappier gegenüber der WirtschaftsWoche seinen Anspruch. Von einer gleichberechtigten Partnerschaft hält er wenig: ‚Die Erfahrung zeigt: Wenn ein Rüstungsprojekt erfolgreich sein soll, braucht es einen klaren Verantwortlichen, einen Leader‘, erklärte er der Wirtschaftswoche. Nur wenn sein Unternehmen diese Rolle innehabe, könne Europa ein Flugzeug bauen, das sich mit denen aus den USA messen könne.“[12]

Ohne Export kein Kampfjet

Der französische und der deutsche Markt reicht allerdings nicht einmal zusammen aus, um halbwegs „kostengünstig“ produzieren zu können. Aus diesem Grund sollen zunächst weitere europäische Partner für den Kauf des Kampfjets gewonnen werden.[13] Anschließend will man so aus einer Position der relativen Stärke die globalen Exportmärkte angreifen, was die Stückzahlen zusätzlich senken, einen aber gleichzeitig automatisch in eine direkte Konkurrenz mit den USA bringen würde.

Klar ist jedenfalls, dass europäische Rüstungsgroßprojekte aufgrund der überschaubaren heimischen Auftragslage ohne Exporte heutzutage kaum mehr zu realisieren sind, wie auch der französische Präsident Emmanuel Macron betonte: „Unser Wunsch ist es, eine neue Generation von Kampfflugzeugen zu entwickeln. Warum? Weil diese Projekte sehr aufwendig sind, somit schwer sind für die Streitkräfte unserer Länder, für unsere beiden Regierungen – und weil der Kampfjet exportierbar sein muss. Bis jetzt gibt es zu viele europäische Standards und Qualifikationen. Und manchmal gibt es eine europäische Konkurrenz auf dem internationalen Markt.“[14] Noch direkter wusste schon vor einigen Jahren der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Problem und Interesse auf einen Nenner zu bringen: „Die europäische Rüstungsindustrie wird nur gedeihen, wenn wir sie zusammenfügen. Nur so entfliehen wir einer Lage, in der auf dem indischen oder chinesischen Markt die Franzosen gegen die Deutschen und die Schweden um Aufträge kämpfen. Am Schluss siegt womöglich der amerikanische Konkurrent.“[15]

Ein Dorn im Auge sind hier die – vergleichsweise – scharfen deutschen Exportrichtlinien, die aus Sicht der Industrie das Projekt gefährden. Aus diesem Grund wird gerade auch mit Blick auf den künftigen deutsch-französischen Kampfjet massiv dafür geworben, die Exportrichtlinien – nach unten hin – zu harmonisieren: „Ohne große Stückzahlen wird sich der neue Kampfjet nicht rechnen. ‚Die Unsicherheit in der Frage der Rüstungsexporte ist ein großes Hindernis‘, sagt Sicherheitspolitikexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik. ‚Das Thema Rüstungsexporte kann ein Show-Stopper sein.‘“[16]

Doch hier zeichnet sich eine Lösung ab, indem ein uraltes Abkommen aus dem Jahr 1972 aus der Mottenkiste geholt werden soll[17]: „Eine Bedingung für den Erfolg des Kampfflugzeug-Programms nennt [Dassault-Chef Eric Trappier] aber: Regierungen und Parlamente müssten von Anfang an klare Regeln für den Export schaffen. Der heimische Markt sei zu klein. ‚Wir können nicht in zehn oder 15 Jahren, wenn das Flugzeug existiert, feststellen: Oh, da gibt es ja ein Problem mit den Exportvorschriften‘, warnte Trappier. Er plädiert für ein Abkommen, wie Helmut Schmidt es als Verteidigungsminister mit Michel Debré einst aushandelte: Die Regierung, die exportieren will, übernimmt die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit, die andere Regierung darf nicht blockieren. Eine solche Vereinbarung wäre wohl Voraussetzung, damit das Europa der Verteidigung tatsächlich fliegen kann.“[18]

Konkurrenz aus den USA

Dass die USA von der potenziellen Konkurrenz aus Übersee nicht sonderlich begeistert sind, liegt auf der Hand: „Wir wollen, dass die Europäer militärische Fähigkeiten und Stärke entwickeln. Aber nicht so, dass sie amerikanische Produkte aus ihrem Markt drängen“, so Nato-Botschafterin der USA, Kay Bailey Hutchison.[19]

In dieser Auseinandersetzung können die USA mit der F-35 allein schon aufgrund des riesigen Auftragsvolumens mit einem mächtigen Pfund wuchern: „Für Lockheed ist die Kalkulation eindeutig. Zwar lege bei dem Angebot auf Regierungsebene nicht der Konzern selbst den Preis fest, betont Lockheed-Martin-Manager Steve Over bei der Präsentation in Berlin. Der Preis pro Stück gehe mit immer höheren Stückzahlen ständig zurück. ‚Wir konzentrieren uns darauf, bis 2020 das F-35-A-Modell zu einem 80 Millionen Dollar-Flugzeug zu machen‘, sagt der Manager. ‚Wir bieten ein Modell der 5. Generation zum gleichen Preis oder weniger an als für ein Modell der 4. Generation.‘ Lockheed kann nämlich mit einem weltweiten Absatz seines Modells kalkulieren – alleine die US-Streitkräfte wollen rund 2500 Exemplare bestellen. In Europa gelang den Amerikanern sogar, mit Italien und Großbritannien Länder zu finden, die auf der einen Seite eine Endmontage für den Eurofighter haben, aber gleichzeitig auch die F-35 bestellen. Inzwischen gibt es erste F-35 aus italienischer Produktion und sogar aus japanischer Endmontage.“[20]

In der Debatte, durch welches Flugzeug die veralteten Tornados ersetzt werden sollen, meldete sich Ende letzten Jahres der damalige Luftwaffenchef Karl Müllner, sehr zum Ärger seiner Vorgesetzten im Bundesverteidigungsministerium (BMVg), lautstark zu Wort. Er ließ wenig Zweifel an seinen Präferenzen aufkommen: „Die Luftwaffe erwägt, die Fähigkeiten der F-35 als Richtschnur für den Auswahlprozess des Tornado-Nachfolgers zu verwenden“, so Müllner im November 2017. „Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt, welches Flugzeug der Favorit der Luftwaffe wäre.“[21]

Wie bereits erwähnt, würde sich eine Entscheidung für die F-35 extrem negativ auf die ohnehin recht wacklige Wirtschaftlichkeit des deutsch-französischen Kampfjetvorhabens auswirken. Dementsprechend sauer schaltete sich Airbus-Chef Dirk Hoke im Vorfeld der ILA noch einmal in die Debatte ein und betonte unmissverständlich: „Sobald Deutschland F-35-Nation wird, ist die Zusammenarbeit bei allen Kampfflugzeugthemen mit Frankreich gestorben. […] Europa muss seine Souveränität klarer definieren und eindeutig dazu stehen, dass wir in der Verteidigung und Raumfahrt eine Unabhängigkeit bewahren müssen.“[22]

ILA: Showdown & Package Deal

Hatten die Aussagen Müllners noch nahegelegt, die F-35 könne am Ende das Rennen machen, wurde Anfang des Jahres klar, dass die Präferenzen der Bundesregierung auf dem – potenziell enorm viel teureren – Erhalt der industriepolitischen Fähigkeiten liegt. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage schrieb der damalige BMVg-Staatssekretär Ralf Brauksiepe im Februar 2018: „Durch das Bundesministerium der Verteidigung werden derzeit verschiedene Optionen für einen bruchfreien Übertrag der gegenwärtig durch das Waffensystem Tornado abgebildeten Einsatzrollen beginnend vom Jahr 2025 an geprüft. […] Mit einer möglichen Beschaffung des Eurofighter würde der Erhalt der militärischen Luftfahrtexpertise in Deutschland und Europa weiter gesichert und eine Wertschöpfung im eigenen Land erfolgen können. Das Waffensystem ist bereits in der Bundeswehr eingeführt und wird erfolgreich betrieben. Dies wird bei der Bewertung der verschiedenen Flugzeugtypen zu berücksichtigen sein.“[23] Kurz darauf wurde diese Position sozusagen personalpolitisch untermauert, indem Müllner Mitte März 2018 – mutmaßlich für seine F-35-Äußerungen – kurzerhand in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde: „Verteidigungsministerin von der Leyen wechselt überraschend auch den Chef der deutschen Luftstreitkräfte aus. Generalleutnant Müllner stürzt dem Vernehmen nach über seine Aussagen zum US-Kampfjet F-35. […] Durch seine angedeutete Präferenz für den US-Jet soll sich Müllner in einer zentralen Rüstungsfrage öffentlich gegen die Linie der Ministerin gestellt haben, heißt es aus dem Umfeld des Ministeriums.“[24]

Um das Ruder noch einmal herumzureißen, kündigte Lockheed Martin daraufhin eine massive Präsenz bei der ILA an, doch allem Anschein nach vergeblich. Stattdessen einigten sich Airbus und Dassault schon im Vorfeld der Ausstellung auf einen umfassenden Package Deal. „Vor ein paar Monaten hätten wir nicht gedacht, dass wir so zusammenkommen, betonte Airbus-Chef Hoke.[25] Man sei bereit, den Franzosen den Vortritt zu überlassen, so Hoke weiter, zentral sei, dass das Projekt überhaupt realisiert werde: „Beide Seiten sind bereit, Kompromisse zu finden und Themen zu beschleunigen. […] Das Projekt an sich ist auf jeden Fall wichtiger als die Führung.“[26] Im Gegenzug deutete Dassault-Chef Trappier an, dafür sei es denkbar, dass Airbus die Führungsrolle bei der Eurodrohne und den dem Kampfjet angegliederten Verbundsystemen übernehme: „Wenn er von Führerschaft spreche, dann betreffe das allein das Flugzeug, nicht das gesamte System eines künftigen Kampfflugzeugs, zu dem auch Satelliten, Drohnen und mehr zählten: ‚Gebiete, auf denen Airbus Kompetenzen vorweisen kann, wie bei der MALE- Drohne‘ ergänzt Trappier.“[27]

Auch in der Frage einer Eurofighter-Brückenlösung sprach sich Dassault nachvollziehbarerweise für Airbus aus: „Wir sind nicht Kandidat dafür, den Tornado in Deutschland durch die Rafale zu ersetzen, ich sehe nicht, dass der Eurofighter Typhoon das nicht könnte“, betonte Dassault-Chef Trappier.[28] Diesen Rückenwind nutzte Airbus dann, um der Bundesregierung am Vortag des Ila-Beginns ein Angebot für den aufgebohrten Eurofighter zu übergeben, für den explizit unter Verweis auf das künftige deutsch-französische Großvorhaben geworben wurde. In der entsprechenden Airbus-Pressemitteilung heißt es: „Am Vortag der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) in Berlin, hat Airbus zusammen mit der Eurofighter GmbH sein Angebot für den Ersatz der deutschen Tornado-Kampfflugzeuge an das Verteidigungsministerium übergeben und den Eurofighter als ideale Lösung für die Nachfolge der in den 1960er Jahren entwickelten Flugzeuge in Stellung gebracht. […] Mittelfristig wird durch die Weiterentwicklung des Eurofighters die technologische Basis für die nächste Generation europäischer Kampflugzeuge gelegt werden, zu der sich Frankreich und Deutschland im Juli 2017 verständigt haben und deren Verfügbarkeit derzeit für 2040 erwartet wird.“[29]

Auf der ILA selbst wurde dann mit der Unterzeichnung des Memorandums durch die Verteidigungsministerinnen beider Länder die Absicht untermauert, eine weitere wichtige Weiche in Richtung autonomer Militärmacht stellen zu wollen – und das, obwohl das Projekt extrem risikobehaftet ist: „Der Bedarf von Frankreich und Deutschland und einiger kleinerer europäischer Partner kann die Entwicklung eines eigenen Jets nicht rechtfertigen. Dafür sind die Stückzahlen zu gering. Die Entwicklung eines Fighters der fünften Generation ist ein schwieriger Weg, wie man an der Entwicklung der F-35 verfolgen konnte. Aber auch der langsame Fortschritt der russischen und chinesischen Projekte spricht Bände, wenn auch aus diesen Ländern keine Details über Pannen durchsickern. Weder Frankreich noch Deutschland haben nennenswerte Erfahrungen auf dem Gebiet – dass ihnen die USA partnerschaftlich zur Seite springen, ist angesichts der wirtschaftlichen Konkurrenzsituation nicht zu erwarten. Politisch ist der Wunsch der europäischen Leit-Mächte verständlich, sich militärtechnisch nicht in die Abhängigkeit einer Großmacht zu begeben. Doch ob dieser Wunsch am Ende zu einem leistungsfähigen und bezahlbaren Fighter führt, bleibt fraglich.“[30]

Der Traum von der autonomen Militärmacht Europa könnte also auch wie eine Seifenblase zerplatzen, die Politik scheint aber so scharf darauf zu sein, hier „Fortschritte“ zu erzielen, dass sie offensichtlich sehendes Auges die Gefahr in Kauf nimmt, das nächste Rüstungsmilliardengrab zu schaufeln.

Anmerkungen

[1] Der neue Kampfjet ist nur der Anfang des „Future Combat Air System“, Die Welt, 24.4.2018.

[2] Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Brüssel, 28.6.2016.

[3] Major, Claudia/Mölling, Christian: Warum ein deutsch-französisches Rüstungsprojekt so wichtig ist, Tagesspiegel Causa, 13.7.2017.

[4] „Die F-35 ist quasi ein Roboter mit Pilot an Bord. Die Computertechnologie des Kampfflugzeuges kann feindliche Objekte über weite Entfernungen erkennen und den Waffeneinsatz über ein Netzwerk mit anderen Einheiten zu Luft, Land und Wasser abstimmen.“ (Geplantes deutsch-französisches Kampfflugzeug – Rüstungsvorhaben mit großem Risiko? Streitkräfte und Strategien, 23.9.2017)

[5] Laut Wikipedia: „Liste strahlgetriebener Kampfflugzeuge“: Erste Generation (1940–1953); Zweite Generation (1953–1960); Dritte Generation (1960–1975); Vierte Generation (1975–1995); Generation „4+“ (ab 1995); Fünfte Generation (ab 2005); Sechste Generation (ab 2030).

[6] Streitkräfte und Strategien, 23.9.2017.

[7] „Frankreich und Deutschland kommen überein, gemeinsam ein künftiges Kampfflugzeug zu entwickeln, um langfristig ihre aktuellen Kampfflugzeugflotten zu ersetzen. Beide Partner haben das Ziel, bis Mitte 2018 einen gemeinsamen Fahrplan zu erarbeiten.“ (Deutsch-Französischer Ministerrat, 13. Juli 2017)

[8] Der neue Kampfjet ist nur der Anfang des „Future Combat Air System“, Die Welt, 24.4.2018.

[9] Volker Thum, Volker: Deutschland – die Luft- und Raumfahrtrepublik, euractiv.de, 18.4.2018.

[10] „Einem Bericht des Handelsblattes von gestern zufolge kommen der europäische Flugzeugbauer Airbus und der französische Dassault-Konzern beim Thema Eurodrohne nicht ins Gespräch. […] Dassault beanspruche  auf der Industrieseite die Führungsrolle, während Airbus diesen Anspruch ablehne, will das Handelsblatt aus Industriekreisen erfahren haben.“ (Unstimmigkeiten zwischen Airbus und Dassault, hartpunkt.de, 20.10.2017)

[11] Airbus, Dassault vie for leadership of Franco-German fighter, Reuters, 3.1.2017.

[12] Dassault-Chef reklamiert Führungsrolle bei deutsch-französischem Rüstungsprojekt, Wirtschaftswoche, 13.4.2018.

[13] Hier scheint der Plan aktuell vorzusehen, dass sich Deutschland und Frankreich zunächst auf die Spezifika des Kampfjets verständigen, bevor andere Länder bzw. Bestellungen ins Boot geholt werden sollen.

[14] Streitkräfte und Strategien, 23.9.2017.

[15] Chef der Sicherheitskonferenz: „Rüstungsindustrie braucht Fusionen“, Die Welt, 21.9.2012.

[16] Der neue Kampfjet ist nur der Anfang des „Future Combat Air System“, Die Welt, 24.4.2018.

[17] Auf dasselbe Verfahren wurde sich bereits in den Verhandlungen um den Bau eines deutsch-französischen Kampfpanzers geeinigt: „Darum sagt der Leiter der für den Einkauf der französischen Armee zuständigen Agentur DGA, Laurent Collet-Billon: ‚Uns ist bei Nexter KMW ein Kompromiss über die Exportregeln gelungen.‘ Basis ist eine deutsch-französische Einigung der damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt und Michel Debré aus dem Jahr 1972. ‚Keine der beiden Regierungen wird die andere hindern, Rüstungsgüter aus gemeinsamer Entwicklung oder Fertigung auszuführen‘, zitieren Insider das aus politischen Gründen nie veröffentlichte Papier. ‚Das ist für Frankreich zentral‘, sagt die Vorsitzende des französischen Verteidigungsausschusses, Patricia Adam.“ (Das Ende der rein deutschen Waffenbranche, Wirtschaftswoche, 7.7.2015)

[18] Neues Kampfflugzeug? Airbus und Dassault schmieden Pläne gegen US-Konkurrenz, Handelsblatt, 24.4.2018.

[19] Die gemeinsame Armee der EU entsteht nur langsam, Handelsblatt, 14.2.2018.

[20] Luftwaffe liebäugelt mit US-Kampfjet F-35, Die Welt, 14.11.2017.

[21] Inspekteur der Luftwaffe muss gehen, n-tv, 16.3.2018.

[22] Airbus-Manager warnt Bundesregierung vor Kauf von US-Kampfjets, Die Welt, 22.4.2018.

[23] ParlSts bei der Bundesministerinder Verteidigung Dr. Brauksiepe, 22.2.2018.

[24] Inspekteur der Luftwaffe muss gehen, n-tv, 16.3.2018.

[25] Berlin und Paris gehen in die Rüstungsoffensive, WirtschaftsWoche, 26.04.2018.

[26] Der neue Kampfjet ist nur der Anfang des „Future Combat Air System“, Die Welt, 24.4.2018.

[27] Neues Kampfflugzeug? Airbus und Dassault schmieden Pläne gegen US-Konkurrenz, Handelsblatt, 24.4.2018.

[28] Ebd.

[29] ILA-Sammler: Die große US-Verkaufsshow (Nachtrag: Airbus), Augengeradeaus.net, 24.4.2018.

[30] Ambitioniert oder übergeschnappt? Merkel und Macron planen neuen Kampfjet, Stern, 14.7.2017.