IMI-Analyse 2017/01

Strukturwandel nutzen!

Konversion von Rüstungsbetrieben ist kein Selbstläufer

von: Andreas Seifert | Veröffentlicht am: 9. Januar 2017

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Angesichts einer Debatte um Aufrüstung und die „Normalität“ von Auslandseinsätzen mag es anachronistisch wirken, eine aktive Konversionspolitik zu fordern, dennoch gibt es gute Gründe auch dieses Feld im Auge zu behalten. Konversionsdebatten können helfen, bereits gemachte Fehler nicht zu wiederholen und einen Wandel zu einer friedlichen Wirtschaft von Grund auf erfolgreich zu gestalten. Dies gilt insbesondere deshalb, da sich aktuell ein Strukturwandel in der Rüstungsindustrie vollzieht, der genutzt werden sollte, um Arbeitsplätze dauerhaft und unumkehrbar in den Bereich der zivilen Produktion zu überführen. Denn nur wenn diese Ziele verwirklicht werden, kann von einem erfolgreichen Konversionsprozess gesprochen werden.

Unter Konversion wird gemeinhin eine Umwandlung von militärischen Gütern, Flächen und Produktionen in zivile verstanden. Der Beitrag hier beschränkt sich auf die Diskussion der Konversion von Rüstungsbetrieben in zivile Betriebe und vernachlässigt die anderen beiden Bereiche.[1] Die Umwandlung eines Rüstungsbetriebes besteht, im Sinne einer Konversion, in der vollständigen Überführung der Produktion in eine zivile und grenzt sich damit von einer Diversifikation ab, die Teile der Produktion in zivile Bereiche überführt, aber andere weiter auf die Produktion militärischer Güter ausrichtet. Diversifikation, die Einführung weiterer ziviler Produkte in die Produktion, kann aber ein Schritt in die Richtung einer endgültigen Konversion darstellen.

Konversion, die Umwandlung eines Rüstungsunternehmens in einen Betrieb mit ziviler Produktion, ist keine neue Debatte – es gab sie bereits besonders ausgeprägt in zwei Phasen der jüngeren Geschichte, wobei die eine tatsächlich eine Konversion markierte, die zweite aber einen Strukturwandel, der unter dem Schlagwort Konversion versuchte, gesellschaftliche Potentiale zu wecken. Beide Phasen sind jedoch nur bedingt als erfolgreich im Sinne einer friedenspolitisch begrüßenswerten Konversion zu interpretieren, vielmehr zeigen sie beide auf, dass die massiven politischen und wirtschaftlichen Widerstände gegen eine „Zivilisierung“ der Wirtschaft nicht so leicht zu überwinden sind. Dazu lohnt es sich, eine verkürzte Bestandaufnahme zu machen.

Staatliche und wirtschaftliche Interessen

Der Staat fördert die Rüstungsindustrie auf vielfache Weise, da er deren Produkte (Waffen, Munition, etc.) als eine Grundbedingung seiner Existenz begreift, ohne die jede Form „erfolgreicher“ Machtpolitik nahezu unmöglich ist. Autarkie im Bereich von Ausrüstung für die Armee wird von vielen Staaten als unumgänglich angesehen, um im Krisen-, Verteidigungs- oder Kriegsfalle nicht auf andere angewiesen zu sein. Dabei ist das Wissen um die Technologie ebenso wichtig wie die Verfügbarkeit von Waffen selbst – auch Rüstungsforschung ist deshalb immer eng an die eigentliche Produktion gekoppelt. Staaten sind die einzigen Kunden der Rüstungsindustrie und die Debatten um Standorte sind immer auch überaus national geführte. So will diese nationale Politik sich „ihre“ Wehrtechnische Basis erhalten und ist deshalb bereit, die Unternehmensgewinne ggf. sogar künstlich hoch zu halten – mit Steuergeldern. Der Staat will Rüstung.

Rüstungsunternehmen haben ein zentrales Interesse, das sie mit vielen anderen Unternehmen eint: Profit. Rüstung ist dabei in besonderer Weise „lukrativ“. Lange Laufzeiten von Verträgen und damit gut planbare Auslastung der Betriebsstätten, kaum Hemmnisse, Kosten an den Auftraggeber (den Staat) weiterzuleiten und weitgehende Monopolstellungen (auf bestimmten Märkten) machen Rüstung zu einem lukrativen Geschäft. Staatliche Exportförderung, Beihilfen zur Forschung etc. sind weitere Anreize, in diesem Feld wirtschaftlich aktiv zu sein. In den Mechanismen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung spielen Arbeitsplätze nur eine Rolle, indem sie für die Realisierung dieser Profite sorgen – sinkende Gewinne führen zu Rationalisierungen und Stellenabbau, nicht zwangsläufig zu neuen Produkten oder Diversifikationsstrategien. Ethische Bedenken spielen keine Rolle bei wirtschaftlichen Entscheidungen.

Rüstungsunternehmen und der Staat haben kein aktives Interesse an einer Konversion.

Blick zurück – Konversion bisher

Der Blick in die Geschichte der Konversion in Deutschland und weltweit ergibt ein sehr durchmischtes Bild von unterschiedlichen Ansätzen. Man kann nach 1945 zwei große Phasen differenzieren, in denen Konversion und auch die Debatte darüber eine wesentliche Rolle gespielt haben – einmal unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und einmal ab ca. Mitte der 1970er Jahre bis hinein in die 1990er Jahre. Beide Phasen haben zwar das Thema gemein, sind aber durch unterschiedliche Strukturen gekennzeichnet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann weltweit eine Welle, die auf Krieg ausgerichtete Industrie zurückzufahren. Einige der nur zeitweise auf dieses Feld fixierten Firmen konnten auf Produkte zurückgreifen, die sie schon vor dem Krieg herstellten – es waren sozusagen „zivile“ Firmen, die zur Kriegsproduktion verpflichtet wurden – andere wurden durch den Wegfall der staatlichen Aufträge gezwungen, sich einer zivilen Produktion zuzuwenden und haben diese Konversion im Rahmen einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung geschafft. Dabei gab es auch den Zwang zur Konversion durch die Siegermächte bei den Verlierern des Krieges, allen voran in Deutschland und Japan. In Japan, wo die Fixierung auf das Zivile auch über die Verfassung abgesichert wurde, konnte dies die erneute Ausbildung einer nennenswerten Kriegsindustrie lange verzögern, und die Unterminierung (also die Ausweitung des Rüstungssektors) greift erst jetzt in großem Stil unter der Regierung Abe um sich.[2]

Es ist historisch interessant, dass die „erzwungene“ Konversion in Deutschland nach dem Krieg nur in Teilen gefruchtet hat. Mit Blick auf die Unternehmen zeigt sich, dass sich so manche „verdienten Köpfe“ der deutschen wehrtechnischen Industrie weggeduckt, bzw. munter weiter an ihren Produkten gearbeitet haben. Zerstörung, Demontage und Auflagen haben den Zeitpunkt verzögert, bis die deutsche Waffenindustrie die Produktion wieder aufgenommen hat. Einzelne Ingenieure haben Deutschland verlassen, um woanders an ihren Produkten zu arbeiten – im Dienste der Siegermächte, aber auch auf eigene Rechnung z.B. im faschistischen Spanien Francos. Im Zuge der Verfestigung des Kalten Krieges holte man sie zurück und ließ die Wiederbewaffnung zu einer Materialschlacht für die Hersteller werden. Lukrative, lang laufende Verträge haben auch deutsche Hersteller wieder nach vorn gebracht – sie konnten an die Produktionserfahrungen des Krieges anknüpfen.

Unternehmen, wie Heckler&Koch, deren Chefingenieur in Spanien an der Entwicklung des (späteren) G3 arbeitete, oder Claude Dornier, der in Spanien seine Flugzeuge montieren und weiter entwickeln ließ, kehrten an ihre alten Produktionsorte zurück, sobald die politischen Bedingungen dafür wieder gegeben waren. Die z.T. als Zwischenlösung hergestellten Güter –  wie im Falle von Heckler&Koch die Produktion von Werkzeug- und Nähmaschinen sowie von Fahrrädern – wurden alsbald eingestellt. Hieraus kann man lernen, dass Diversifikation und Konversion umkehrbare Prozesse sein können.

Andererseits gab es natürlich auch positive Beispiele wie die 1950 von Claude Dorniers Sohn Peter auf einem Gelände des Flugzeugbauers gegründete Lindauer Dornier GmbH, die auch heute noch erfolgreich Webmaschinen produziert.[3] Wenn man so will, eine überaus geglückte Konversionsgeschichte.

Die Wiederbewaffnung der Bundeswehr hat das ökonomische Fundament für ein neuerliches Engagement in der Rüstung in Deutschland gelegt und die Gedanken an Konversion aus den Köpfen der Unternehmer verdrängt. Tendenzen der deutschen Verteidigungsminister, vor allem von Franz Josef Strauß, auch deutsche Rüstungsunternehmen besonders mit der Bewaffnung zu betrauen, verschafften der Industrie erneut die erhofften Gewinnmargen. Auch der Export war bald nach dem Krieg wieder ein Thema – unter dem Aspekt von Gewinnen aber auch oft, wie im Falle Israels, politisch motiviert. Hier zeigt sich, dass neben dem unternehmerischen Streben nach satten Gewinnen auch ein staatliches Interesse existiert, über eine eigene Rüstungsindustrie zu verfügen. Es ist der Staat, der hier auf Autonomie drängt und die nachteiligen Effekte auszugleichen bereit ist.

Erst die allgemein schrumpfenden Staatskassen der späteren 1970er Jahre haben die jüngeren  Ansätze von Konversion hervorgebracht. Unternehmen der Rüstungsindustrie, die in mehreren Runden zu immer größeren Einheiten verschmolzen, versuchten Überkapazitäten abzubauen, bzw. wurden auch oft (von Gewerkschaftlern) zu Diversifikationsstrategien gedrängt, die eine totale Fixierung auf den Waffenmarkt lockern sollten. Rationalisierungen in der Produktion, Reduktion der Abnahme durch die staatlichen Auftraggeber, „bürokratische Hemmnisse“ beim Export und internationale Konkurrenz auf bestimmten Märkten, wie z.B. dem Schiffbau, ließen die Rüstungsindustrie schon vor dem Fall der  Mauer schrumpfen. Strukturwandel ist hierfür ein passender Begriff. Diese zweite Phase, die sich also mit dem abzeichnenden Ende der Ost-West-Konfrontation (also Bedarfsreduktion nach dem Ende des Kalten Krieges) und neuen Kriegstechnologien (höhere Spezialisierung, kleinere Waffen, weniger militärisches Personal) charakterisieren lässt, bedeutete für die betroffenen Firmen, neue Wege gehen zu müssen, um das Überleben zu sichern.

Den tiefen Einschnitt in die Rüstungsindustrie hat die Zeit der Wiedervereinigung erbracht. Der massive Abbau von Militärkapazitäten – die Reduktion der wiedervereinigten Armee auf 185.000 Mann und die damit verbundene drastische Reduktion von Panzern und anderem schweren Gerät in beiden deutschen Teilen hat ganz unmittelbar eine Reduktion der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie gebracht.

Der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) hat in einer Studie von 2013 die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie auf 81.000 und die im engeren Bereich der Wehrindustrie auf rund 18.000 beziffert.[4] Das ist, gemessen an einer beliebigen Zahl aus den 1970er Jahren, noch gerade mal ein Viertel der ursprünglichen Arbeitsplätze.

Um bei der bereits erwähnten Firma Heckler&Koch zu bleiben, versuchte man auch dort dem drohenden Verfall entgegenzuwirken, indem man neue Felder erschloss: Der Werkzeugmaschinen- und Anlagenbau war ein solcher Versuch. Der Anlagenbauer, der sich natürlich auch auf die Schaffung und Ausrüstung von Waffenfabriken im Ausland stützen sollte, erschloss als Maschinenbauer auch neue Märkte mit zivilen Produkten. Wiederum auch ein Konversionsprojekt, das, nachdem Heckler&Koch von einem Investor gekauft wurde, 1993 schlicht abgestoßen wurde und heute unter dem Namen HK Präzisionstechnik eigenständig ist. Hier ist es gelungen, zumindest einen kleinen Teil der Belegschaft in einen zivilen Arbeitsbereich überzusiedeln. Die Hauptfirma ist als 100prozentiges Rüstungsunternehmen verblieben – eine durchaus auch mit dem Argument einer Bereinigung des Portfolios begründete Maßnahme. Im Laufe des Prozesses wurden mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze ersatzlos abgebaut.

Es war eine Zeit der Zunahme von Konversionsdebatten – unter dem Aspekt, wie die Arbeitsplätze erhalten werden können. Hier könnte man mit den Diskussionen Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er in Ulm um die „Konversion“ der AEG-Telefunken und deren spätere Teil-Integration in die DASA/Airbus bzw. Matra verfolgen, wie man mit vielen guten neuen Produktideen ein Überleben des Standortes sichern wollte. Man sollte dann aber auch einräumen, dass dies nur zu kleinen zivilen Produktlinien führte und weder den massiven Stellenabbau verhinderte, noch damit dauerhafte Lösungen geschaffen wurden. Auch solche Sparten sind längst eingestellt oder verlagert.

Vorbild Lucas-Plan

Zum Vorbild haben sich viele die bereits Ende der 1970er Jahre im Vereinigten Königreich geführte Debatten um den sogenannten Lucas-Plan genommen.[5] Hier wurde erstmals der Versuch unternommen, ein von Stellenabbau bedrohtes Unternehmen mit einem von der Arbeiterschaft initiierten Konversionsplan zur nachhaltigen und friedlichen Produktion zu bewegen. Die Firma Lucas Aerospace sah sich damals dem technologischen und ökonomischen Druck ausgesetzt, fast die Hälfte seiner Arbeitsplätze abzubauen. Lucas ist dabei keineswegs ein reines Rüstungsunternehmen gewesen. Die Arbeiterschaft initiierte einen Prozess, bei dem sie eine ganze Latte neuer Produkte vorschlug, die in Zukunft das Überleben der Firma sichern sollten – sogar mit entsprechenden Kostenrechnungen etc. Das Besondere an diesen Produkten war, dass man sie von vornherein am Nutzen für die Bevölkerung orientieren wollte – also „Nachhaltigkeit“ als zentrales Stichwort einführte. Der Plan wurde von der Unternehmensführung ignoriert, erregte aber international einige Aufmerksamkeit und befeuerte Debatten in der Friedens- und Gewerkschaftsbewegung auch in Deutschland über die realistischen Chancen von Konversion.

Er scheiterte letztlich an der Ablehnung durch das Management und der mangelnden Bereitschaft der Regierung, Geld für die notwendige Produktentwicklung zur Verfügung zu stellen. Der Vorwurf, die Regierung zahle viel Geld für Rüstungsforschung und für entlassene Arbeiter, steuere aber keinen Cent zur Entwicklung nachhaltiger Produkte bei, ist dabei durchaus spannend. Die Initiatoren des Planes gingen letztlich davon aus, dass ein Unternehmen, das so sehr von staatlichen Aufträgen abhängt wie ein Rüstungsunternehmen, im Rahmen des Strukturwandels besondere Berücksichtigung auch in der Vergabe staatlicher Gelder finden müsse. Diese Grundannahme prägt auch die Debatten an anderen Orten und wirkt heute bis tief in die Gewerkschaftsbewegung hinein.

Es gäbe noch eine andere, nicht weniger entmutigende Geschichte einer aktiven Konversionspolitik. Das Land Bremen war noch in den 1970er Jahren geprägt von einer großen Werftindustrie und seinem Hafen, und der Strukturwandel in diesen Bereichen hat Bremen hart getroffen. Da hiervon auch die militärisch orientierte Werftindustrie betroffen war, hat sich Bremen auf den Weg gemacht, diese Entwicklung als Konversionsprozess zu moderieren und auch als „nachhaltig“ zu gestalten. Geholfen hat dabei unter anderem ab 1990 die Bremer Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung, die – getragen von Kirchen, Parteien, Gewerkschaftlern und der Wissenschaft – versucht hat, auf die Firmen einzuwirken, in ihren Restrukturierungsprojekten Kriterien wie ökologische Nachhaltigkeit und Friedlichkeit zu berücksichtigen. Unternehmen bekamen in der Folge Geld aus einem staatlichen Fond (EU- und Bundesmittel), wenn ihre Umstrukturierungen die Umwandlung von Rüstungsarbeitsplätzen in zivile vorsahen. 25 Jahre und etliche Millionen Euro für notleidende Unternehmer später muss man allerdings festhalten, dass sich die Zahl der Rüstungsarbeitsplätze nicht wesentlich verändert hat – sie sind nur in anderen Bereichen als früher. Mit Atlas-Elektronik, Lürssen, Rheinmetall Defense Electronics, OHB-Systems und vor allem Airbus und anderen ist der Rüstungsbereich nach wie vor in Bremen vertreten.[6] Auch hier lässt sich also schwerlich von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Man kann aber aus ihr lernen, dass staatliche Fördertöpfe kein Garant für das Gelingen von Konversion sind. Vielmehr zeigt sich, dass die unternehmerische Freiheit dazu führt, dass sehr wohl Fördertöpfe, wie in Bremen in Anspruch genommen werden, um kurzfristige Härten abzumildern, aber wenn sich dauerhaft keine entsprechenden Gewinne erzielen lassen, der Verkauf von Firmenteilen oder die Rückkehr zur ehemaligen Rüstungsproduktion das Mittel der Wahl sind. Selbst wenn man die Unternehmer dazu verpflichtet hat, in dem besagten Betrieb keine Rüstung mehr zu betreiben, so gilt das eben für diesen Betrieb und diesen Unternehmer – der nächste Investor oder ein anderes Gelände und schon sind diese Verpflichtungen vergessen.

Zusammenfassend:

– Konversion scheitert in erster Linie am unternehmerischen Selbstverständnis: nur wenn Unternehmer und Management Willens sind, einen Schritt in Richtung Konversion zu tun, hat diese Aussicht auf Erfolg.

– Konversion scheitert an politischen Rahmenbedingungen: höhere, sich stetig steigernde Budgets und eine Politik, die in militärischem Engagement den einzig wahren Ausdruck ihres Willens zur Verantwortung erblickt, sind Gift für jeden Konversionsprozess.

– Konversion scheitert an den dadurch geschaffenen ökonomischen Rahmenbedingungen: sie machen es den Unternehmen leichter, am „Rüstungsmarkt“ zu bestehen als an anderen Märkten.

– Konversion scheitert an der Politik auch auf lokalem Level: Politiker setzen sich, zum Teil blind, für den Erhalt von Arbeitsplätzen ein, ohne Alternativen und langfristige Veränderungen zu prüfen.

– Nachhaltige Konversion bedeutet die Abkehr von Rüstungsproduktion: Diversifikation und Teilumstellung sind keine Garantie für eine dauerhaft reduzierte Rüstungsproduktion.

Blick nach Vorn – Rüstungsmarkt der Zukunft

Die neuen Rüstungsmilliarden der Verteidigungsministerin werden auch unter deutschen Herstellern heiß begehrt sein. Allerdings ist in der „Agenda Rüstung“ durchaus vorgesehen, dass nicht alle Kapazitäten (Stichwort wehrtechnische Basis) in Deutschland als erhaltenswert gesehen werden und man sich vielleicht auch billiger im Ausland eindecken wird. Dies bedeutet, dass nicht der gesamte Etat hierzulande verteilt wird. Hinzu kommen die Pläne zur Konsolidierung des europäischen Rüstungsmarktes – durch Fusionen und Unternehmenszusammenschlüsse soll künftig „effizienter“, also günstiger und wettbewerbsfähiger (sprich: exportfähiger) produziert werden.

Beides wird trotz insgesamt höherer Gelder zu einer weiteren Reduktion der Stellen im Bereich der wehrtechnischen Industrie in Deutschland führen. Der bisher von der Branche angepeilte, sich ebenfalls vergrößernde, Markt der Sicherheitstechnik wird nicht alle diese wegfallenden Arbeitsplätze kompensieren. Je nach Standort, je nach Produkt wird es also auf dem bekannten Wege der „Marktbereinigung“ zum Abbau von Arbeitsplätzen kommen – das ist dann keine Konversion.

Neue Technologien werden Firmen auf den (wehrtechnischen) Markt spülen, die heute noch nicht als Rüstungsfirmen wahrgenommen werden. Auch bisher zivile Unternehmen werden in ihrer Diversifikation durchaus auch für die Rüstung oder die Bundeswehr produzieren. Es sind vorerst vielleicht kleine innovative Unternehmen mit sehr eingeschränkten Produktpaletten, die „nur“ die großen Systemhersteller beliefern. Ihre Innovationen verändern die Kriegs- und Waffentechnologien und tragen mit dazu bei, dass sich die uns bekannten Rüstungsarbeitsplätze von einer Branche in die nächste verschieben.

Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, jungen Startups ethische Kriterien mit auf den Weg zu geben, die das Abdriften in den Rüstungsbereich verhindern. Selbstverpflichtungen von jungen UnternehmerInnen und die Beschränkung von (staatlichen) Starthilfen für zivil ausgerichtete Geschäftsideen sind adäquate Mittel hierzu. Nur wenn es gelingt, ein friedliches Selbstverständnis neuer Unternehmen zu fördern und zu etablieren, gelingt es auch, Rüstung zu begegnen. Angesichts vieler Ausgründungen aus Universitäten und Fachhochschulen sollte auch der Bereich der Forschung immer im Blick friedlicher Strategien sein.[7] Wettbewerbe, die darauf abzielen, neue technologische Potentiale zu wecken und ihre militärische Verwertbarkeit abzuschätzen, sind mit Skepsis zu begegnen.

Konversion muss gefordert werden um darauf hinzuweisen, dass die Verschwendung von Steuergeldern für eine Rüstungsindustrie in Deutschland doppelter Natur ist: Sowohl im Hinblick auf ihre ungeheuerliche Ineffektivität und die Unternehmensgewinne als auch, weil fähige und innovative Mitarbeiter in den Firmen gebunden werden, die an anderer Stelle der Gesellschaft etwas Positiveres bewirken können, als in maroden Firmenstrukturen auf die nächste Marktbereinigung zu warten. Lieber viele gut bezahlte Stellen in zivilen Betrieben, als wenige hochbezahlte in der Rüstungsindustrie. Konversion muss gefordert werden, weil sie eine Alternative zum schlichten Abbau von Arbeitsplätzen darstellt und die Auseinandersetzung mit zukunftsweisenden Unternehmenskonzepten bedeutet.

Produktdiversifikation ist ein probates Mittel, dem Abbau von Arbeitsplätzen aktiv zu begegnen – aber vielleicht aus friedenspolitischer Perspektive ein zweischneidiges Schwert. Die starke gewerkschaftliche Forderung nach solchen Strategien[8], immer begleitet von der Forderung nach staatlicher Förderung, übersieht dabei die grundlegenden Mechanismen der Unternehmen, sich am lukrativsten Markt zu orientieren. Werden z.B. mehr Motoren für Traktoren nachgefragt, werden diese produziert, werden erneut mehr Motoren für Panzer nachgefragt, werden diese produziert.

Diversifikation ist dennoch eines der wenigen Mittel, das den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften zur Verfügung steht, in ihren Betrieben der ethisch bedenklichen Rüstungsproduktion zu begegnen. Es ist der erste Schritt, der hin zu einer „Zivilisierung“ des Unternehmens führen kann. Dabei sollte darauf geachtet werden, möglichst viele Arbeitsplätze in einen solchen Prozess mit einzubeziehen und diesen so dauerhaft wie möglich zu gestalten.

Konversion beginnt mit einer friedlichen Politik

Bei all dem sollte aber zudem nicht vergessen werden, dass die Bedingungen geschaffen werden müssen, damit Konversion funktionieren kann. Das heißt der Frieden und auch friedliche Konfliktlösungen müssen oben auf die politische Agenda gesetzt werden – mit dem Ziel der Verringerung des Wehretats und nicht seiner Ausweitung. Politisch brauchen wir eine Abrüstungsdebatte.

Der anstehende Strukturwandel in der Rüstungsbranche sollte genutzt werden, Kapazitäten in den großen Rüstungsfirmen abzubauen und die zivilen Unternehmen zu stärken. Staatliche Fördergelder sollten Strukturen vorbehalten bleiben, bei denen zivile Unternehmen entstehen und nicht dazu verwendet werden, Gewinnausfälle zu kompensieren und umkehrbare Konversionsprozesse zu finanzieren.

Anmerkungen

[1] Die Flächenkonversion im Nachgang der Reduktion der Standorte der Bundeswehr konnte teils durchaus erfolgreich gestaltet werden, siehe hierzu beispielhaft: Claudia Haydt, Konversion: Was kommt nach der Bundeswehr?, in: Ausdruck 6/2011, S.11-12. Die Konversion von Rüstungsgütern hat unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rolle gespielt, als z.B. der Mangel an Töpfen und anderen Küchengeräten mit einer Umwandlung nun überflüssig gewordener Stahlhelme abgefangen werden konnte – die Konversion von Panzern hat sich dagegen als weniger erfolgreich entpuppt, siehe hierzu mit einigen Bildbeispielen den kuriosen Eintrag bei Wikipedia zu „Rüstungskonversion“ vom Stand 9.12.2016.

[2] Der Premier Shinzō Abe arbeitet seit Jahren an der Aufweichung des Artikels 9 der japanischen Verfassung, der die zivile Ausrichtung Japans regelt und die Aufstellung einer Armee unterbindet. Die japanischen Selbstverteidigungskräfte unterliegen vielfältigen Limitierungen. Als einen möglichen Weg, Einsatzfähigkeit und technologische Standards der Armee zu erhöhen, befördert Abe den bewussten Ausbau des Rüstungssektors unter anderem mit der Lockerung bestehender Exportverbote. Es ist dies ein Aspekt der Militarisierung Japans. Siehe hierzu auch Eiichi Kido, Wird Japan zum Kriegsstaat?, in Ausdruck 6/2016, S.22-27 und ders. Japan: 70 Jahre nach Kriegsende, in: Ausdruck 5/2015, S.29-33.

[3] Die Firma war noch bis zur Fusion mit der DASA in den 1980ern formal Bestandteil des Familienbesitzes und damit auch Bestandteil des militärisch ausgerichteten Dornier-Konzerns und wurde erst dann durch einen Aktientausch vollständig eigenständig.

[4] Die Studie wurde inzwischen von der Homepage des BDSV (bdsv.eu) entfernt. Siehe den IMI-Bericht hierzu in Ausdruck 1/2013.

[5] Der Plan aus dem Jahr 1976 wird noch heute als Vorbild benannt und mit einer Konferenz wurde ihm ehrenvoll gedacht. Die Webseite http://lucasplan.org.uk/ hält neben dem Plan selbst weitere Informationen zum Thema Konversion bereit.

[6] Einen erschreckenden Blick auf die nun vorhandene Industrielandschaft und über den bremischen Konversionsprozess bietet der Reader „Rüstungsstandort an der Weser – Produktion, Forschung und Perspektiven“ aus dem Jahr 2012 (http://www.bremerfriedensforum.de/pdf/Broschuere_gesamt.pdf)

[7] Die Durchsetzung von Zivilklauseln an allen Hochschulen ist hier ein erster und notwendiger Schritt.

[8] Z.B. als gutes Beispiel die Zusammenfassung von Anne Rieger, Weniger Rüstung durch Konversion, in: Friedensjournal 2/2015, S.12-13.