IMI-Standpunkt 2013/069 - in: Rote Fahne 50/2013

„Der Koalitionsvertrag bedeutet eine neue Stufe der Militarisierung bundesdeutscher Außenpolitik“

von: Tobias Pflüger / Rote Fahne | Veröffentlicht am: 13. Dezember 2013

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Die „Rote Fahne“ sprach mit Tobias Pflüger. Der 48-jährige Friedensforscher ist Mitgründer der Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI) und Mitglied im Parteivorstand der Linkspartei.

Sicher habt ihr schon einen Blick auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU geworfen?

Was wir dort gelesen haben, hat uns hellhörig gemacht. Offenbar will die neue Bundesregierung eine Reihe bisher noch vorhandener Bremsen im Bereich Außenpolitik lösen. „Die WELT“ schreibt davon, dass es einen Abschied gebe von der Politik der Zurückhaltung, der sogenannten Westerwelle-Doktrin. Dies ist der erste Koalitionsvertrag der jüngeren Geschichte, der einen positiven Bezug zu Atomwaffen herstellt: „Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.“ Die letzten Regierungen hatten hier zumindest deklariert, dass ein Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland angestrebt wird. Das ist kein Thema mehr.

Auch die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft bekommt eine neue Dimension, wenn es dort heißt, „Jugend­offi­ziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.“

Auch die Aussage zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist beachtenswert: „Die Bundeswehr wird auch in Zukunft in Auslandseinsätzen gefordert. Das setzt ein breites militärisches Fähigkeitsspektrum voraus.“ Dafür setzt die Bundeswehr verstärkt auf Kooperation innerhalb der NATO und der EU: „Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie die Parlamentsrechte gesichert werden können.“ Auch wenn die Formulierung täuscht, via EU- und NATO-Einsätze ist geplant, die Axt an den Parlamentsvorbehalt anzulegen. Es sollen wohl noch häufiger als bis jetzt schon, am Parlament vorbei, deutsche Truppen im Ausland eingesetzt werden.

Interessant ist vielleicht noch, dass die EU-Erweiterung in einem Kontext mit der NATO-Erweiterung behandelt wird – gerade was Osteuropa angeht: „Gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten werden wir die Heranführung der Länder des Westlichen Balkans an EU und NATO aktiv vorantreiben.“

Die SPD hat sich im Wahlkampf wiederholt gegen eine Anschaffung bewaffneter Kampfdrohnen ausgesprochen. Was sagt dazu der Koalitionsvertrag?

Was die Anschaffung von Kampfdrohnen angeht, will die Regierung mit ihren europäischen Verbündeten kooperieren und „schnell ein gemeinsames Regelwerk für ihre Zulassung und Teilnahme am europäischen Luftverkehr“ schaffen. Eine EU-Drohne genießt Priorität gegenüber dem Kauf von israelischen oder US-Drohnen. Die Positionierung ist zwar verklausuliert, aber nichtsdestotrotz eindeutig. Die Anschaffung von Killerdrohnen in der „europäischen“ Variante ist geplant. Das steht gegen die Wahlkampferklärungen der SPD.

Die Große Koalition verspricht „… die Förderung der Friedens- und Konfliktforschung in den kommenden vier Jahren aus(zu)-weiten“. Habt ihr der Bundesregierung schon die Konto-Nummer von IMI e.V. geschickt?

Wir haben keinen entsprechenden Antrag gestellt und werden es auch nicht, denn wir wollen unabhängig bleiben. Wir wissen, dass Friedens- und Konfliktforschung leider in weiten Teilen zu einer bloßen Beratung der herrschenden Politik verkommen ist. Wir wollen uns nicht daran beteiligen, wie Interventionspolitik effektiver gestaltet werden kann. Damit sind wir als Geldempfänger wohl ausgeschlossen. Im Ge­gen­teil: Es gab ja mal einen Angriff auf unsere Gemeinnützigkeit, offensichtlich, das wurde deutlich, weil es damals in Baden-Württemberg „Informationen“ des „Landesamtes für Verfassungsschutz“ an alle Finanzämter gegeben hat. Mit viel öffentlichem Druck konnten wir diesen Angriff auf die Gemeinnützigkeit damals verhindern.