Der Ostermarsch in der Presse – Saarbrücken

Gegen schleichende Politik der Militarisierung in: Saarbrücker Zeitung 14.04.1998

von: 14. April 1998

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Rund 150 Ostermarschierer in Saarbrücken unterwegs – Auch sonst nur
geringer Zulauf

Saarbrücken / Frankfurt (sm/ap). Die Zeiten, als Zigtausende am
Oster-Friedensmarsch teilnahmen, sind lange vorbei. Nur eine kleine Schar
von 150 Pazifisten und Atomkraftgegnern aus dem Saarland und der Pfalz
zogen am Ostersamstag durch die Saarbrücker Innenstadt, um für
Abrüstung und einen grundlegenden Wandel in der Aussen- und
Verteidigungspolitik zu demonstrieren.

„Die wachsende Militarisierung wird von der breiten Bevölkerung nicht
wahrgenommen“, glaubt Thomas Hagenhofer, Mitorganisator des
Ostermarschs in der Landeshauptstadt.

Dabei gehe die Militarisierung der Politik trotz des Endes des
Ost-West-Konflikts weiter. Als Beispiele nannte er die unverminderte Zahl
von Rüstungsexporten, die Legitimation von Auslandseinsätzen der
Bundeswehr sowie das Ausbleiben weiterer internationaler
Abrüstungsabkommen.

Berthold Schmitt aus Klarenthal läuft schon seit 1968 beim Ostermarsch
mit. Seine Motivation ist ungebrochen: „Wenn wir nur einen
Tornado-Kampfjet einsparen, könnten der Staat mit dem Geld viele neue
Kindergärten bauen.“ Er wird auch in den nächsten Jahren beim
Ostermarsch mitlaufen. „Die Friedensbewegung ist nicht tot. Sie geht aber
nur noch wenig an die Öffentlichkeit.“

Tobias Pflüger von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung, die sich
kritisch mit der Bundeswehr auseinandersetzt, forderte auf der
Abschlußkundgebung auf dem St. Johanner Markt einen sofortigen Stopp
aller Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie die Auflösung der
Krisenreaktionskräfte. „Die Bundeswehr wird von der Regierung
kriegsfertig gemacht. Die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands sollen
militärisch abgesichert werden.“ Die Krisenreaktionskräfte, zu denen auch
die Luftlandebrigade in Saarlouis zähle, habe sich, so Pflüger, zu einer
Eliteeinheit innerhalb der Bundeswehr entwickelt und müsse deshalb
aufgelöst werden.

Die zunehmenden rechtsradikalen Vorfälle in der Bundeswehr seien eine
Konsequenz der Auslandseinsätze. Pflüger verurteilte die Bundeswehr
nicht pauschal. „Aber es gibt in der Armee eine militärische Braunzone von
Generälen rechter Gesinnung, die viel gefährlicher ist als die einzelnen
Vorfälle der Wehrpflichtigen.“ Pflüger forderte die Friedensbewegung auf,
im Wahljahr verstärkt Druck auf die Politiker auszuüben. „Wir brauchen
eine andere Politik, das Auswechseln von Köpfen allein genügt nicht.“

Mit Kundgebungen unter anderem in Hamburg, Berlin, und München
gingen gestern die Ostermärsche zu Ende. Die Koordinierungsstelle in
Frankfurt sprach von einer „lebendigen Protestbewegung gegen Rüstung
und Krieg“. Die Friedensbewegung habe sich in ihrer Vielfalt als eine
aktive Basisbewegung gezeigt. Bei der bislang größten Aktion hatten am
Sonntag 3000 Ostermarschierer in der Wittstocker Heide nördlich von
Berlin gegen den geplanten Ausbau des Militärgeländes zum modernsten
Gefechtsübungsfeld der Welt protestiert. Die übrigen Kundgebungen hatten
nur geringen Zulauf.