Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2025/021

IMI-Reden auf der Kundgebung „Keine Grundgesetzänderung für Kriegstüchtigkeit!“

und eine Rede anlässlich des Tags der politischen Gefangenen zu Repression gegen AntikriegsaktivistInnen und für Zusammenhalt in den sozialen Bewegungen

Reza Schwarz und Pablo Flock (20.03.2025)

Wir dokumentieren hier zwei Reden, die IMI-Beiräte auf der Kundgebung „Keine Grundgesetzänderung für Kriegstüchtigkeit! Reden statt Rüsten!“ am Montag, 17.3.2025 auf dem Holzmarkt in Tübingen hielten, sowie eine weitere, die anlässlich des Tags der politischen Gefangenen am 18.3.2025 vor dem Tübinger Gericht gehalten wurde.
Unsere und einige weitere Reden von der Kundgebung am Montag können außerdem noch bis zum 26. März in der Sendung Radio Antimilitarista auf der Wüsten Welle nachgehört werden.

Rede von Reza zu Sozialabbau und gegen Aufrüstung:

Liebe Mitstreiter*innen,
wie ihr alle wisst, befinden wir uns in einer politisch hoch angespannten Lage. Ein Bundestagswahlergebnis, bei dem eine rechtsextreme Partei das erste Mal seit 1933 wieder zweitstärkste Kraft im Deutschen Bundestag wird, die Kriege in der Ukraine, in Gaza oder im Sudan bei denen bisher Hunderttausende getötet wurden oder auch der Klimawandel dessen gravierende Folgen sich schon seit Jahren immer deutlicher abzeichnen, aber vom Globalen Norden weiterhin fleißig ignoriert wird… Der Blick nach draußen in diese Welt sieht verdammt düster aus.
Es wird oft gerne davon gesprochen, wie wichtig es ist mal abzuschalten, sich abzulenken und fürsorglich mit sich selbst umzugehen, um nicht komplett zugrunde zu gehen. Aber genau das wird immer unmöglicher, vor allem wenn das Armutsrisiko für den Großteil der Menschen1 immer weiter zunimmt. Angesichts internationaler Krisenherde wie in der Ukraine, wurde die Aufrüstungsspirale wieder mit einer rasenden Geschwindigkeit in Gang gesetzt. Mehr Waffen, mehr Panzer, Rekordgewinne für Rüstungsfirmen, Wiedereinführung der Wehrpflicht und folglich die schrittweise Umstellung auf eine Kriegswirtschaft innerhalb Deutschlands und der EU2. Diese Kriegswirtschaft ist natürlich auf  großangelegte Aufrüstungsprogramme angewiesen, die aus den jeweiligen Mitgliedsstaaten mitfinanziert werden müssen. Das bedeutet konkret, dass z.B. die EU mit ihrem „ReArm Europe“ Aufrüstungsprogramm ca. 800 Milliarden Euro3 aus den Haushalten ihrer Mitgliedsstaaten innerhalb der nächsten Jahre einfordert. Aber wie soll das möglich sein in Zeiten angeblich knapper Kassen? Natürlich mit der Aufweichung von Schuldenbremsen! Staaten dürfen sich also haushoch für gigantische Aufrüstung verschulden, obwohl für die meisten essentiellen Bereiche des alltäglichen Lebens kein Geld mehr vorhanden ist:
Die Finanzierung des Gesundheitssystems wird mit immer höheren Beiträgen auf gesetzlich Versicherte abgewälzt, während sich Bund- und Länder immer weiter aus der Finanzierung wie beispielsweise von Krankenhäusern verabschieden4, bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen wird in Berichten nur noch von „der Eindämmung der Fall- und Kostendynamiken“ schwadroniert, während Betroffene mit unzureichender oder gar keiner Unterstützung dastehen5, Erzieher*innen und Pfleger*innen brennen kollektiv aus und bezahlen für ihr berufliches Engagement mit ihrer Gesundheit oder mit ihrem Leben, Erwerbslose werden öffentlich durch Spitzenpolitiker*innen gedemütigt und mit menschenunwürdigen Auflagen der Jobcenter drangsaliert, nur um am absoluten Existenzminimum dahinsiechen zu dürfen. Die die arbeiten gehen, können sich oftmals das Überleben auch kaum noch leisten und müssen andauernd wochenlang streiken um halbwegs angemessen bezahlt zu werden6. Geflüchtete werden unter anderem mit Bezahlkarten, Pushbacks und der Verhinderung von Familiennachzügen systematisch weiter entmenschlicht.
Politiker*innen wie Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz, Leider-Bald-Bundeskanzler Friedrich Merz, Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius oder der FDP-Sozialdarwinist Christian Lindner appellierten in den letzten Jahren an die Kriegstüchtigkeit der Bevölkerung und schürten aktiv Angst vor einer militärischen Unterlegenheit Deutschlandands gegenüber Russland. Da Angst eine starke und überlebenswichtige Grundemotion ist, kann diese nun als ideologische Grundlage und Rechtfertigung für diesen Aufrüstungsexzess missbraucht werden. Deutschland und die EU senden mit diesen angedrohten Maßnahmen deutliche Signale an alle von uns: Aufrüstung wird als unverzichtbare Sicherung der Lebensgrundlage stilisiert und alle die nicht mitmachen können oder wollen werden unter Druck gesetzt und letztendlich ausgesiebt. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, soziale Sicherheit und die gelebte Inklusion von Minderheiten werden aktiv bekämpft. Rüstung rettet keine Menschenleben, sondern nur die Geldbeutel von Lobbyisten und Rüstungskonzernen!

Rede von Pablo für die Finanzierung von Klimawandeladaption und gegen die Kriegslügen der Rüstungsfanatiker

Liebe Tübingerinnen und Tübinger, Friedensfreunde und Kriegsgegnerinnen,
liebe Menschen, die an ihrem Leben und das ihrer Liebsten hängen und diese weder in einem Atomkrieg noch in einem vermeidbaren Krieg an der Front verlieren möchten.
Auch liebe Kulturfreunde, Menschen die vielleicht durch Krankheit oder Beeinträchtigungen auf das soziale Netz angewiesen sind; All jene, die für ein solidarisches Miteinander stehen,

Was die Herrschenden sich da morgen erdreisten wollen – diese Grundgesetzänderung für ungezügelte Rüstungskredite und das sogenannte Sondervermögen, ebenso ein Kredit, der mit 500 Milliarden in der Größenordnung eines gesamten Jahreshaushalts liegt – das ist ein skandalöser, historischer Diebstahl an der Bevölkerung!
Sie beklauen damit uns alle, um das Geld der Rüstungsindustrie in den Rachen zu werfen, und besonders die Jüngsten unter uns, die diese enormen Summen ihr Leben lang abzahlen werden – und dabei ist noch nicht einmal bekannt, wie viel Kredite für Rüstungsprojekte die kommende Regierung dann noch aufnehmen wird – zusätzlich zu den 500 Milliarden die wohlklingend für „Infrastruktur“ aufgenommen werden.
Und das Geld kommt nicht von nirgendwo. Was man daran sieht, dass sich der Anteil der Zinsbelastung am Bundeshaushalt – also wie viel von den jährlichen Gesamtausgaben des Staates verwendet wird, um die Zinsen der aufgenommenen Kredite zurück zu zahlen – das hat sich von 0,7% im Jahr 2021 auf 8 und 7% in den Jahren 2023 und 2024 erhöht.1
Das wird auch sicherlich was mit dem 100 Milliardenkredit des Sondervermögens für Rüstungsprojekte zu tun haben– aber das hat ihnen offensichtlich immer noch nicht gereicht.

Bevor ich zu meiner eigentlichen Stoßrichtung für die Rede komme – wofür es sich wirklich lohnen würde Schulden aufzunehmen, nämlich im Sinne der Klima- und Generationengerechtigkeit,
lasst mich bitte zuerst mit zwei Mythen aufräumen:

Das Erste ist der von der „kaputtgesparten Bundeswehr“. Wer es noch nicht hat, holt euch mal so ein Fact-Sheet Rüstung bei uns hier vorne am IMI-Stand.
Da seht ihr eine Grafik aus offiziellen Zahlen, von der sich ablesen lässt, dass der Etat der Bundeswehr zwischen dem Jahr 2000 und 2022 von 24 Milliarden auf 50 Milliarden angestiegen ist – das ist eine Verdopplung in 20 Jahren.
Eine „kaputtgesparte Bundeswehr“ sieht anders aus. Aber seit 2022 streuen die Rüstungslobbyisten und ihre Hofjournaille in der Springerpresse und Co. dieses Gerücht.
Damit schafften sie es, die Bevölkerung dazu zu bringen, es zu akzeptieren, dass die Gesamtausgaben fürs Militär, inklusive den NATO-Kriterien und dem Sondervermögen, zwischen 2022 und 2024 nochmal von 59 auf 86 Milliarden anstiegen. Das war ein weiterer Anstieg um fast 30% in nur zwei Jahren – aber die Unverschämten wollen noch mehr!

Und das alles wird mit einer anderen Erzählung begründet womit wir zum zweiten Mythos kommen: Dass Putins angeblich in ein paar Jahren die Kapazitäten hätte, einen Angriff auf NATO-Verbündete im Baltikum zu starten.2
Worin sie diese Kapazitätsentwicklung sehen, die von allen möglichen NATO-Außen- und Kriegsministerinnen bis hin zu Pistorius nachgeplappert wurde, bleiben allerdings auch die sogenannten Experten des dänischen Geheimdiensts und des rüstungsnahen Institutes for the Study of War schuldig. Die Daten, auf denen die Beurteilung beruht, sind scheinbar geheim. Eigentlich sagen sie nur, dass Europa massiv aufrüsten müsse um dieser angeblichen Bedrohung zu begegnen. Ein Schelm wer böses dabei denkt: Hoffen wir nur nicht, dass hier die andere Seite einen Angriff plant.

Wer allerdings eine transparente Studie zum militärischen Kräftevergleich zwischen Russland und den NATO-Ländern in der EU gemacht hat, ist die Umweltorganisation Greenpeace.3
Hier zeigte sie auf, dass nicht nur die europäischen NATO-Staaten, also ohne die USA, schon weit mehr fürs Militär ausgeben als Russland – welches seine derzeitigen Ausgaben mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht aufrechterhalten können wird.
Die europäischen NATO-Staaten haben auch viel mehr Großwaffensysteme als Russland, doppelt so viele Kampfjets, einen enormen technologischen Vorsprung und eine weit größere rüstungsindustrielle Basis.

Der einzige Bereich für den die Europäer die USA bräuchten um Russland die Stirn zu bieten, wären Atomwaffen. Dabei wissen wir, wären wir alle schnell Asche, wenn es wirklich zum Atomkrieg käme. Ich glaube es ist wichtig, das wir das allen verständlich machen.

Das Einzige was uns vor so etwas beschützen könnte, wären Abrüstungsverträge wie sie bis vor zehn Jahren bestanden, um ein erneutes Wettrüsten zu verhindern – und genau das wollen die Kriegstreiber nun aber.

Dabei gibt es wirklich eine Bedrohung, die es rechtfertigen würde, immense Schulden aufzunehmen, die selbst noch unsere Kinder abbezahlen müssen – weil sie wirklich davon profitieren würden.
Diese Bedrohung, liebe Freunde und Freundinnen des guten und sicheren Lebens, ist der Klimawandel!
Das im Pariser Abkommen festgehaltene 1,5°C Ziel, welches uns vor den sogenannten Kippunkten schützte, haben wir nun wahrscheinlich verfehlt.
Was uns nun erwartet, ist eine Welt, in der in 75 Jahren nicht nur knapp 20% der Weltbevölkerung ihren Lebensraum verlassen werden muss, wie es bei 1,5° prognostiziert ist, sondern zwischen 30-40%. Ein Drittel bis die Hälfte der Weltbevölkerung wird in ihrer Heimat nicht mehr überleben können.

Die Vertreter der sogenannten politischen Mitte blinken rechts und kopieren die Hetze der extremen Rechte gegen MigrantInnen. Aber anstatt die Gründe für Migration zu bekämpfen, bekämpfen sie nur die Menschen selbst, die ihren Lebensraum verlassen müssen.
Unter den Ländern, von denen die meisten Menschen im letzten Jahr einen Asylantrag in Deutschland stellen mussten, gehören die meisten zu den vom Klimawandel heute schon besonders getroffenen Ländern: Syrien, Afghanistan, Irak, Somalia.
In all diesen Ländern haben extreme Dürren, sowie die schlimmste seit Aufzeichnung in Syrien zwischen 2007 und 2009, zu einer extremen Verarmung und mittelbar, wie in Studien nachgewiesen wurde, zu den Bürgerkriegen beigetragen, vor denen die Menschen nun fliehen.

Eine weitsichtige Politik, die die Sicherheit der Menschen im Land und weltweit im Blick hätte, würde 500 Milliarden Kredit aufnehmen, um die Emissionen zu reduzieren und den Klimawandel und die Zerstörung des Lebensraums zu limitieren.
Sie würde mit dem Geld aus den reichen Ländern die Klimafolgen-Anpassung für diese gebeutelten Ländern finanzieren, um das menschliche Leben in so vielen Gegenden wie möglich weiter zu ermöglichen.

Tatsächlich wurden eigentlich einmal 100 Milliarden jährlich von den Industrienationen, besonders aus der EU und Nordamerika, versprochen zu diesem Zweck. Zehn Jahre später fließt das Geld einfach nicht. Es werden weiterhin Kredite gegeben, es wird keinerlei Verantwortung übernommen, nicht nur für die Emissionen seit der Industrialisierung, die uns in diesen Ländern reich gemacht hat, auch nicht für die Jahrhunderte der Ausbeutung durch Kolonialismus.

Nein, die Industrienationen wollen lieber einen Rüstungswettlauf führen, der wieder zu einem enormen Anstieg an Emissionen führen wird. Panzer, Flieger all der Scheiß – das ist ja alles Schwerindustrie.
Das Militär generell und mehr noch jeder Krieg sind absolute Klimakatastrophen!

Übrigens: was die Grünen da scheinbar herausgehandelt haben, dass 100 der 500 Milliarden aus dem Infrastruktur-Kredit in den sogenannten Klimatransformationsfonds eingezahlt werden, ist auch nur vielleicht Klimaschutz. Aus diesem Fonds werden auch die Entwicklung vieler sogenannter Schlüsseltechnologien gefördert, die wie die Halbleiterproduktion, militärisch und in der Blockkonfrontation genutzt werden.

Diese 100 Milliarden werden den Schaden am Klima, den die restlichen 400 Milliarden und die noch unbekannten hunderte Milliarden für Rüstung machen werden, kaum wieder gerade bügeln.

Deswegen, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, lasst uns zusammen den Herrschenden klar machen, dass es so nicht geht! Lasst uns zusammen laut hörbar machen:

Für das Klima tun sie nichts – bei der Rüstung sind sie fix!

Verweise:
1 Bundesfinanzministerium: Gesamtübersicht über die Entwicklung des Bundeshaushalts 1969 bis 2024 bundesfinanzministerium.de 30.1.1992, 2. Tabelle (2015-2024) Spalte Zinsausgaben – Anteil am Bundeshaushalt
2 Spontaner Einwurf hier war: „Hier möchte ich auch nochmal auf die Rede des Genossen vom VVN-BDA verweisen, der auch schon durch Zitate zweier Bundeswehr-Strategen die unerhörte Übertreibung der Stärke des russischen Militärs nach drei Jahren Krieg belegte.“ Quellen, auf die sich der Redner berufen haben könnte, wären:
Johannes Varwick: Ukrainekrieg: Russland pfeift nicht aus dem letzten Loch, allen Erwartungen zum Trotz. freitag.de 18.1.2025, und:
Emeritierter Bundeswehr-Professor sieht russische Armee in „katastrophalem Zustand“ deutschlandfunk.de 19.3.2025
3 Christopher Steinmetz und Dr. Alexander Lurz:Wann ist genug genug? Ein Vergleich der militärischen Potenziale der Nato und Russland. greenpeace.de 11.11.2024

Rede von Pablo zur Repression gegen Kriegsgegner:innen und Zusammenhalt in den sozialen Bewegungen

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die freiere Welt von morgen – mit Rechten, Entfaltungs-möglichkeiten und bestenfalls auch Wohlstand für alle.

Krieg ist so ziemlich das Schlimmste, was einer Gemeinschaft oder Gesellschaft passieren kann, besonders wenn er direkt vor dem eigenen Haus statt findet.
Freunde und Verwandte verlieren ihr Leben und fehlen dann, und vielleicht auch man selbst.
Das eigene Haus und die anderen in der Straße werden vielleicht zerstört. Die jungen Männer der Familie vom eigenen Staat gezwungen, die Ordnung und die Regierung mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

Ob man hier nun eine Klassenanalyse verwendet, nach der stets die Armen das Kanonenfutter liefern und die Ordnung der Reichen verteidigen, die selbst vielleicht mit Aktien von Rüstungsunternehmen Geld verdienen, oder eine herrschaftskritische Analyse anlegt, nach der niemand zum Töten und Herhalten des eigenen Lebens verpflichtet werden darf, oder ob man den Krieg einfach als Negierung eines Haufens von Menschenrechten sieht – es gibt allen Grund gegen Krieg zu sein und sich dagegen zu engagieren.

Doch der Staat – auch wenn selbsterklärte „progressive“ Parteien an der Macht sind – mag es allzu oft nicht, wenn sich Menschen gegen Krieg engagieren – gerade auch in einem Land wie Deutschland, das zu den fünf größten Waffenexporteuren der Welt gehört.

Die Faustregel, ob man von Behörden, Regierungsparteien und deren Sprachorganen als ein gute Bewegung gegen einen schrecklichen Krieg Lob erntet, oder aber Diffamierung, Gängelung und Repression ist einfach:
Kritisiert man die Gegner der Verbündeten des Staats, ist man gerecht und gegen die Bösen, kritisiert man aber die Verbündeten oder die eigene Regierung, beispielsweise für Waffenlieferungen, Aufrüstung etc., wird einem Kooperation mit Autokratien, Terroristen oder Ähnlichem vorgeworfen.
Dabei ist es oft völlig losgelöst von der Realität, wie demokratisch oder völkerrechtskonform die eigenen Verbündeten wirklich handeln.

Viele, ich würde sogar sagen: die wirklichen Antikriegsaktivisten, sehen es gerade deshalb als Aufgabe, dezidiert den eigenen Staat für Aufrüstung, Waffenlieferungen und das Aufbauen von Feindbildern zu kritisieren und eben nicht in das Gebrüll einzustimmen, dass die Verbündeten den gerechten Krieg führen würden.
Da es heute um Repression geht, wird es aus gerade erklärter Dynamik genau um solche Leute gehen. Hier ein paar Personalien:

Eine der längsten Traditionen der Antikriegsbewegungen, für die immer wieder Menschen in Haft sitzen, sind gewaltfreie Proteste gegen die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland, die oft vor den Lagerstätten dieser Sprengköpfe besonders im pfälzischen Büchel stattfinden.
Rund 15 Mal seit 1998 gingen Menschen hierfür ins Gefängnis – und zwar freiwillig, indem sie sich weigerten die Strafen zu zahlen, die ihnen für den Betritt von Militärgeländen verhängt wurden.
Sie nennen dies „Mahnwache hinter Gittern“.
Erst vor zwei Monaten kam die letzte, eine 82 jährige Oma aus den USA, die für das Betreten des Militärgeländes in Büchel verurteilt war, nach 230 Tagen Haft in Koblenz frei.

Andere nennenswerte antimilitaristische Aktionen sind die Blockierungen von Waffenlieferungen.
Besonders geübt hierin sind die italienischen HafenarbeiterInnen, die sich in der Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) sowie im Kollektiv autonomer Hafenarbeiter (CALP) organisieren. Besonders in Genua, aber auch an anderen Häfen in Italien und sogar Flughäfen, blockierten sie in den letzten fünf Jahren verschiedene Waffenlieferungen an Saudi Arabien, an die Türkei, die Ukraine und Israel. Obwohl sie dabei stets mit einer Vielzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen wie Amnesty International u.ä. kooperieren, erfahren besonders die ArbeiterInnen Repression in Form von Betätigungsverboten, Hausdurchsuchungen und Haft.

Nun kann natürlich mit Repression rechnen, wer solche Aktionen wie Blockaden oder Go-Ins macht. Anders ist das mit den sogenannten „Prisoners of Conscience“, die tatsächlich nur für ihre Meinung eingesperrt werden.
Beispielsweise war der spanische Journalist Pablo Gonzalez Yague nun zwei Jahre in Polen im Knast, weil ihm – zumindest medial – vorgeworfen wurde, ein russischer Agent zu sein. Eine Anklage gab es jedoch nie. Aber die Ausrichtung der Berichterstattung passte wohl nicht.
Direkt davor berichtete er über in der Ukraine wohnende Menschen aus dem Globalen Süden, die von ukrainischen Staatsdienern an der Ausreise gehindert wurden.

In Deutschland sind besonders zwei Gruppen von solcher Repression betroffen, die beide in ihren Heimatländern von mit Deutschland verbündeten Staaten unterdrückt werden: KurdInnen und PalästinenserInnen. Ihnen wird besonders schnell und oft auf fadenscheinigen Argumentationen eine Zusammenarbeit mit als terroristisch geführten Gruppen angehängt, ihre Symbole und Sprüche werden illegalisiert, sie werden nach §129b verhaftet.

Erst am 28. Februar wurde beispielsweise der kurdischer Aktivist Haci Atlı zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er PKK-Mitglied sein soll.
Vorgeworfen wurden ihm – ich zitiere hier Peter Nowak aus der Tageszeitung nD:
wie bei 129a-Verfahren üblich, eigentlich vollkommen legale Tätigkeiten wie das Sammeln von Spenden, das Organisieren von Veranstaltungen oder Fahrten zu diesen. Zur Liste der »Delikte« gehören eine Rede bei der Trauerfeier für seine vom türkischen Militär getötete Cousine und die Teilnahme an einer Kundgebung für die Freilassung eines anderen vor dem OLG München angeklagten Kurden.“

Am selben Tag begann ein weiteres Verfahren gegen Mehmet Ali Yilmaz, und heute wird eine Haftstrafe für Selahattin K. im Hochsicherheitsgebäude des OLG Düsseldorfs verhandelt. Die Rote Hilfe ruft zu Protesten auf.

Ähnlich geht es vielen sich mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisierenden Menschen in Deutschland, deren Vereine teilweise verboten werden, weil sie für eine Ein-Staaten-Lösung in Nahost plädieren oder eine Sanktionierung Israels für die Art ihrer Kriegsführung fordern.
Da haben hier auch sicher viele verschiedene Meinungen zu. Aber die unglaubliche Repression die viele für alleine so eine Meinung bekommen, steht in keinem Verhältnis und ist Ausdruck eines zunehmend autoritären Staats.

Rechtsruck, hunderte Milliarden Schulden für Aufrüstung, die heute beschlossenen Aushebelung der Schuldenbremse, enorme Sozialkürzungen – Ich glaube wir haben eine heiße Protestzeit vor uns. Und auf Nachsicht, was Repression angeht, können wir von einer von Merz geführten Regierung nicht hoffen.

Auch deswegen liebe Genossinnen und Genossen, MitstreiterInnen und Mitstreiter, müssen wir innerhalb der Bewegungen für soziale Gerechtigkeit und gleiche Rechte für Alle etwas zusammen rücken, uns mehr zuhören und versuchen zu verstehen, uns solidarisch kritisieren, aber nicht zerfleischen.

(Natürlich gibt es auf den Demos, die für einen Waffenstillstand in der Ukraine sind, auch vereinzelt Menschen die Putins Autoritarismus etwas verharmlosen, einige wenige Menschen, die nach dem Verlust ganzer Familien in Palästina Zuflucht in komischen Islaminterpretationen suchen oder gar antisemitische Meinungen haben und zu palästinasolidarischen Kundgebungen kommen, und auch unter Menschen, die unter einem Antifa-Logo hantieren oder in der Linkspartei aktiv sind, Leute die mir ethnische Säuberungen und Ethnonationalismus zu verteidigen scheinen.
Mit diesen Menschen und Gruppen müssen wir nicht zusammenarbeiten.
Aber wir sollten nicht ganze Bewegungen wegen einzelnen Leuten oder Gruppen canceln.

Wir haben einiges an Arbeit wenn wir der extremen Rechten, den religiösen Fundamentalisten und der neoliberalen sogenannten Mitte die Stirn bieten wollen.

Freiheit für alle AntikriegsaktivistInnen und alle politischen Gefangenen. Hier und überall. Danke.

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de