IMI-Standpunkt 2024/028
Drohnen im Deutschlandfunk
Ein Beispiel von Journalismus im Zeitgeist der Zeitenwende
Christoph Marischka (11.10.2024)
Die Ausgabe der Sendung „Hintergrund“ des Deutschlandfunks vom 10. Oktober befasste sich mit dem Thema „Drohnen als Waffe – Deutschland und die moderne Kriegsführung“. Der knapp 20-minütige Beitrag mit vielen O-Tönen gibt in seiner Knappheit einen ganz brauchbaren Überblick über die Rolle von Drohnen in aktuellen Kriegen, die Beschaffungspläne der Bundeswehr und die damit verbundenen Diskussionen in Parlament und Rüstung. Leider bleiben dabei kritische Perspektiven nahezu vollständig ausgeblendet und wird über weite Strecken suggeriert, dass sich Deutschland im Krieg befände oder zumindest unmittelbar davor. Es geht darum, wie Deutschland mithalten kann beim weltweiten Rüstungstrend.
Vorbild: Krieg!
Der Beitrag beginnt in den ersten zwei Minuten eigentlich mit der empathischen Darstellung eines Opfers der Drohnenkriegführung im Krieg um Bergkarabach 2020. Für den Autor Florian Guckelsberger „drängt sich“ daran anschließend jedoch „die Frage auf“: „Wäre die Bundeswehr auf einen solchen Krieg vorbereitet?“. Im weiteren Verlauf kommen dann ausschließlich Stimmen zu Wort, die eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr mit unbemannten Systemen fordern und dabei insbesondere die Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg zum Referenzpunkt nehmen.
Die Grundausrichtung des Beitrags kommt in einer Passage zum Ausdruck, die man auch als unfreiwillig komisch lesen könnte: „Über wie viele Drohnen die Bundeswehr genau verfügt, unterliegt der Geheimhaltung – so teilt es das Bundesministerium der Verteidigung auf eine Anfrage des Deutschlandfunk mit. Ulrike Franke ist überzeugt, dass es nicht genügend Drohnen sind“.
Franke von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) hat bereits mehrere Beiträge darüber verfasst, was Deutschland und andere westliche Staaten aus der Kriegführung in der Ukraine lernen könnten und kommt in dem Beitrag mehrfach zu Wort, u.a. mit dieser Aussage: „Also ich würde sagen, wir haben im Bereich von Drohnentechnologie noch ganz schöne Lücken […]. In der Ukraine reden wir von hunderttausenden Drohnen, Selenskyi spricht davon, eine Millionen Drohnen produzieren zu wollen, das sind Größenordnungen, da bewegen wir uns überhaupt nicht mit der Bundeswehr.“
Auch Marc Wietfeld, ehemaliger Soldat der Bundeswehr und heute CEO von Arx Robotics, einem von ihm gegründeten Startup zur Entwicklung von Landrobotern, wird in dem Beitrag vorgestellt und bekommt einen entsprechenden O-Ton: „Die Drohnenkriegsführung, die wir gerade im Ukrainekonflikt sehen, ist eine Herausforderung für unsere Rüstung.“ An zentraler Stelle zitiert und diskutiert wird auch ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag „zum Aufbau einer Drohnenarmee“ und zwar mit dieser Passage: Die Drohnenarmee soll sich „in Personalstärke und Struktur an den Erfahrungen der ukrainischen Streitkräfte orientieren, jederzeit über ausreichend Drohnen zur Aufklärung und Wirkung sowie über Spezialisten für die Abwehr von Drohnen und Drohnenschwärmen verfügen.“ Leider verpasst es der Beitrag, darauf hinzuweisen, dass sich Deutschland entgegen der Ukraine nicht im Kriegszustand befindet seine Streitkräfte auch nicht, wie in der Ukraine, innerhalb der letzten Dekade von knapp 200.000 auf fast eine Mio. aktive Soldaten aufgewachsen sind.
Es bleibt am Ende dem Oberst des österreichischen Bundesheeres Markus Reisner überlassen, eher subtil auf den im Beitrag zwischenzeitlich aus dem Blick geratenen Unterschied zwischen Kriegs- und Friedenszustand hinzuweisen: „Aus einer Friedenssituation heraus ist [der schnelle Umbau von Streitkräften] aus meiner Sicht nicht möglich. Das ist nur möglich dann, wenn diese Armee tatsächlich betroffen ist.“ Dass der Autor Guckelsberger diese Einschätzung als „wenig optimistisch“ klassifiziert, unterstreicht die unterschwellige, eigentlich aber radikale Ausrichtung seiner Darstellung.
Mithalten im Rüstungstrend
Durchaus zutreffend beschreibt die Sendung des Deutschlandfunks, dass der Trend bei Drohnen weg von großen und teuren Systemen hin zum massenhaften Einsatz kleiner und billiger Geräte mit kurzer Lebensdauer geht. „Billige Waffen also mit großem Zerstörungspotential“ fasst der Autor eigentlich ganz treffend zusammen, ohne das zu problematisieren. In der Ukraine sei „ein Netz aus rund 200 Firmen entstanden, die zehntausende Drohnen produzieren oder handelsübliche Geräte mit Sprengladungen nachrüsten“. Daran beteiligt sind, das erwähnt der Beitrag nicht, bereits jetzt auch Unternehmen und Startups aus Deutschland, viele davon mit Standorten um den Großraum München herum. Dass solche „Ökosysteme“ und Startups auch in Deutschland besser unterstützt werden sollen, fordert u.a. der zitierte Antrag zum Aufbau einer Drohnenarmee, ähnliche Forderungen erheben auch die Expert*innen, die im Beitrag zu Wort kommen. Man hofft auf „unbürokratische“ Beschaffung, „pragmatische Vereinfachungsprozesse“ seien „essentiell“. Wie gesagt geht es hier zumindest potentiell um „billige Waffen mit großem Zerstörungspotential“.
Deutschland folge mit der – zu langsamen? – Aufrüstung im Bereich der Drohnen „einem weltweiten Rüstungstrend“. Auch das ist im Prinzip natürlich richtig. Bei dieser Feststellung aber stehenzubleiben bzw. davon ausgehend Lösungen zu diskutieren, wie dieser Prozess beschleunigt werden kann, ist allerdings kritikwürdig. Hier wäre die Frage zu stellen, ob der handwerklich gut gemachte Beitrag nicht auch journalistisch eine Schwäche aufweist: Die verschiedenen internationalen Stellungnahmen, Bemühungen und Kampagnen, die diesen Trend problematisieren und ihm entgegenwirken wollen – vom UN-Generalsekretär, der UN-Generalversammlung, der internationalen Kampagne „Stop Killer Robots“, dem International Committee for Robot Arms Control bis hin zu kritischen Wissenschaftler*innen und Initiativen in Deutschland – kommen nicht zu Wort. Genannt wird lediglich die „britische NGO Dronewars – die Drohnen gegenüber kritisch eingestellt ist“ und zwar als Quelle für die Zahl der Staaten, die aktuell über „größere bewaffnete Drohnen“ verfügen. Auf die Recherchen der kritischen Organisation greift man zurück, ihre Position auf einen nichtssagenden Halbsatz heruntergebrochen.
Hinderliche Debatten
Dabei wird zumindest indirekt über diese Initativen gesprochen, ihnen sogar eine Wirksamkeit unterstellt. Die von ihnen vorangetriebene „politische und gesellschaftliche Debatte um Fragen von Moral und Ethik beim Einsatz bewaffneter Drohnen“ wird mehrfach genannt. Ulrike Franke beispielsweise hören wir sagen, „die Tatsache, dass wir uns über zehn Jahre in Deutschland diese sog. Drohnen-Debatte geleistet haben […] das hat die ganze Drohnen-Thematik innerhalb der Bundeswehr zurückgeworfen…“. Später stellt der Autor selbst fest, dass „mehr als zehn Jahre nach Beginn der Debatte […] die Bundeswehr bis heute keine bewaffneten Drohnen einsetzen“ darf. Das kann man im gegebenen Kontext nur als Kritik verstehen.
Im Grunde bringt der Beitrag den Zeitgeist der Zeitenwende ganz gut auf den Punkt: Es wird ein Wettrüsten konstatiert und ausschließlich darauf fokussiert wie „wir“, Deutschland, dabei mithalten können. Auch wenn es in diesem Fall um die Proliferation „billiger Waffen mit großem Zerstörungspotential“ geht.