IMI-Standpunkt 2023/019
Klimaschutz heißt Abrüsten! Klimaschutz heißt „Nein“ zu Air Defender 2023!
Redebeitrag bei der Demonstration "Jetzt ist Zeit für Frieden" anlässlich des Kirchentags 2023 in Nürnberg, 10.6.2023
Jacqueline Andres (12.06.2023)
Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,
liebe Mitstreiterinnen und liebe Mitstreiter,
ich freue mich, heute hier mit Euch auf der Straße zu stehen und gemeinsam dem Wind des Militarismus zu trotzen, der durch die EU fegt und u.a. Carsten Breuer, den Generalinspekteur der Bundeswehr, den ranghöchsten Soldaten, auf den Kirchentag gehievt hat.
Wie es schon im Aufruf unserer Demo heißt:
„Jetzt ist die Zeit für Frieden und Klimawende
Jetzt ist die Zeit Klima und Umwelt zu schützen statt durch Krieg noch mehr zu zerstören
Jetzt ist die Zeit!“
Und ja, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, jetzt ist die Zeit, sie drängt!
Die Klimakrise ist da. Schauen wir nach Kanada, wo hunderte Waldbrände eine Fläche in der Größe von Dänemark oder Brandenburg und Berlin niedergebrannt haben, Menschen in New York tragen Masken, um sich vor dem gesundheitsschädlichen Rauch aus Kanada zu schützen, der die Region in gelb-gräuliche Luft einhüllt. Selbst in Norwegen können die Menschen den Rauch nun riechen.
Waldbrandexperte Ibisch, Professor für Naturschutz, sieht en Beginn einer neuen Zeitrechnung. Es ist schlicht zu lange trocken und zu warm – „Wir treten ein ins Zeitalter des Pyrozäns, ins Zeitalter des Feuers.“
Die Klimakrise ist neben dem Massenartensterben und einem drohenden Atomkrieg eines der größten Probleme unserer Zeit, die den ganzen Planeten betreffen. Der aufflammende Militarismus und die globale Aufrüstungswelle verschlimmern alle drei Krisen!
Doch liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,
das Bundesministerium der Verteidigung und die NATO wollen uns glauben machen,
dass wir mehr Militär brauchen gegen die Klimakrise,
dass das Militär grün werden kann – und sie meinen nicht die Uniformen.
So behauptete Jens Stoltenberg, der NATO-Generalsekretär, die NATO wolle bis 2050 CO2-neutral sein und bis 2030, also in sieben Jahren, 45% ihrer Treibhausgasemissionen senken.
Liebe Mitstreiterinnen und liebe Mitstreiter,
wir wissen, dass das unmöglich ist, das ist eine infame Augenwischerei, eine Lüge! Die globalen Militärapparate – vorne dran die NATO – sind Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen. Ganze 5,5% der globalen Emissionen machen sie schätzungsweise aus – nicht miteingerechnet sind die Emissionen, die durch das Austreten von Unmengen an Methan vom Nord-Stream-Leck entstanden, die durch die Zerstörungen von Städten in Syrien oder in der Ukraine entstehen, die Emissionen, die durch den Wiederaufbau benötigt werden. All solche Emissionen sind dabei nicht eingeschlossen!
Da machen Solarpanels auf Kasernendächern und E-Panzer, die entwickelt werden, auch keinen Unterschied. Es sind die militärischen Großgeräte, die einen Großteil der Emissionen vom Militär verursachen, und sie werden mit fossilen Brennstoffen betrieben – daran wird sich auch in den kommenden Jahren erstmal nichts groß ändern. Selbst in der Loyal, der Zeitschrift vom Reservistenverband, hieß es, es sei unrealistisch in absehbarer Zeit in Einsatzgebieten von fossilen Energieträgern loszukommen. Wo soll auch ein E-Panzer, der nur kurze Strecken am Stück schaffen kann, in den Weiten der Sahara im Norden Malis Strom tanken?
Der Treibstoffverbrauch ist enorm. Ein Leoparpd 2 Panzer verbraucht für 100 km im Gelände mehr als 500l Treibstoff. Noch mehr verbrauchen die Kampfjets: Ein Eurofighter verbraucht 3.500kg Treibstoff pro Flugstunde und ein F35 ganze 8.500kg. Pro Tankladung setzt ein F35-Kampfjet rund 28.000 Tonnen CO2-Äquivalent frei.
Die militärischen Großgeräte sind nicht nur in Kriegsgebieten im Einsatz, sondern ständig bei Militärübungen und in der Kriegslogistik.
Übermorgen, am 12. Juni, startet so eine NATO-Kriegseinübung – Air Defender 2023. Es ist die größte Luftkriegsübung seit Bestehen der NATO. Geplant und geleitet wird das Manöver von der Bundeswehr – US-Streitkräfte und weitere 23 sogenannte Partnernationen machen mit. Es ist ein gefährliches Megamanöver!
Bis zum 23. Juni sollen in den zentralen Luftübungsräumen über Nord- und Ostsee, im Nordwesten und im Südwesten Deutschlands insgesamt täglich 250 Luftbewegungen stattfinden. Hauptdrehkreuze sind Wunstorf in Niedersachsen, Jagel und Hohn in Schleswig-Holstein und Lechfeld in Bayern. Trainiert wird ein möglicher NATo-Bündnisfall – das heißt, ein Krieg der NATO mit Russland in Europa. Dafür wird geübt, die Luftstreitkräfte so schnell wie möglich zu velegen. So werden rund 100 US-Militärflugzeuge von den USA innerhalb weniger Stunden über den Atlantik nach Deutschland und angrenzende Staaten geflogen. 100 Flugzeuge – Militärflugzeuge mit enormen Treibstoffverbrauch – werden zu einer Übung nach Europa geflogen. Da kann man nur hoffen, der mahnende Rauch aus Kanada verhindert ihren Abflug! Und unzählige Friedenstaube, Friedensluftballons und Friedensdrachen ihre Ankunft und weiteren Abflüge hier in der BRD und der EU!
Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,
das wird ein Desaster für das Klima und das Manöver wird die Lage drastisch eskalieren. Täglich werden NATO-Jets nach Estland und Rumänien fliegen, d.h. Richtung Russland. Nicht nur das – entgegen der sonst gängigen Praxis, dass NATO-Staaten ihre Übungen ankündigen, auch gegenüber Russland, wurde dieses Mal stolz darauf verzichtet. So sagte der duetsche Luftwaffeninspekteur Gerhartz: „Wir werden ihnen (Russland) keinen Brief schicken, sie werden die Nachricht schon verstehen/erhalten, wenn unsere Flugzeuge ausströmen!“
Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,
das ist Wahnsinn! Diplomatie und Verhandlungen sind das Gebot der Stunde! Reduzieren der Treibhausgasemissionen sind das Gebot der Stunde!
Die gute Nachricht ist, dass zahlreiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter bundesweit Proteste gegen das Manöver organisieren, die Liste mit Protesten wird täglich länger. Das Manöver wird uns nur horrende Emissionen, Lärmbelästigung, Tiefflüge, umgeleiteten zivilen Luftverkehr und eine gefährliche Eskalation der aktuellen Lage bringen.
Lasst uns gemeinsam gegen diese klimaschädliche und gefährliche Idiotie auf die Straßen gehen!
Liebe Mitstreiterinnen und liebe Mitstreiter,
eine andere Welt ist möglich – wenn die globalen mehr als 2 Billionen US$ nicht mehr in Rüstungs und Militär gesteckt werden würden, sondern in Bildung, in Klimaschutzmaßnahmen, in soziales Wohnen, ins Gesundheitswesen! Menchen weltweit entwickeln Visionen, wie wir eine Welt schaffen können, in der alle Menschen ein würdevolles Leben haben können und wie wir unseren Planeten retten können. Wie wir wegkommen von einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, dass auf die gnadenlosen Ausbeutung von Mensch und Natur beruht. Lasst uns gemeinsam aufstehen für Frieden und für Klimagerechtigkeit – es wird keine Klimagerechtigkeit geben ohne Frieden und Abrüstung und keinen Frieden ohne Klimagerechtigkeit.
Liebe Mitstreiterinnen und liebe Mitstreiter,
ich habe noch einen persönlichen Nachtrag an Gedanken, die mich angesichts dieses Kirchentages auf dem Weg hierher plagten, die mit Euch teilen möchte.
Von der Friedensbewegung habe ich gelernt, dass es wichtig ist, zu erinnern, zu mahnen, um zu versöhnen und dem Frieden näher zu kommen. Umso bestürzter bin ich, dass es im Rahmen des Kirchentages verboten wurde, die Nakba-Ausstellung zu zeigen, die an die Vertreibung von rund 850.000 Palästinenser*innen erinnert.
Bestürzt war ich auch, weil der Aachener Polizeipräsident Weinspach zum Kirchentag eingeladen wurde. Ich möchte an diesem Punkt meine linke Faust heben und meine Solidarität aussprechen mit allen Menschen, die sich im Hambi und in Lützi engegagiert haben, denn Weinspach war mitverantwortlich für die menschenverachenden Räumungsmethoden vom Hambi und von Lützi. Die Klimagerechtigkeits- und die Friedensbewegung gehören zusammen!