Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

Dokumentation - in: Schwäbisches Tagblatt, Reutlinger Generalanzeiger, junge Welt

Berichterstattung zum IMI-Kongress

(22.11.2022)

Am vergangenen Wochenende fand der mittlerweile 26. Kongress der Informationsstelle Militarisierung unter dem Titel „Zeitenwenden: Ukraine-Krieg und Aufrüstung“ in Tübingen statt. Wir dokumentieren hier die Berichterstattung in den Medien:

Am Tag des Kongress-Auftaktes veröffentlichte die junge Welt ein zuvor geführtes Interview zum Kongress: https://www.jungewelt.de/artikel/439043.friedensbewegung-die-propaganda-verf%C3%A4ngt-leider-immer-wieder.html


Diplomatische Bemühungen gefordert – in: Schwäbisches Tagblatt vom 21.11.2022

Die Informationsstelle Militarisierung diskutierte bei ihrem Jahreskongress in Tübingen mit Gästen aus der ganzen Republik über die Folgen des Krieges – und über Alternativen zur Aufrüstung.
Von: Sophie Holzäpfel

„Russland trägt einen Großteil der Schuld an der katastrophalen Situation. Ich sage aber bewusst, einen Großteil.“ Mit diesen Worten begann Jürgen Wagner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IMI (Informationsstelle Militarisierung), den Kongress am Samstag in Tübingen. Einen nicht unerheblichen Teil der Verantwortung trage aber auch die Politik der Nato. Für die Betrachtung des Krieges sei es daher wichtig, die Rolle der Nato im Krieg zu beleuchten, betonte er.

Über hundert Zuhörer aus ganz Deutschland hatten sich am Wochenende in der Hermann-Hepper-Halle eingefunden, um an der zweitägigen Veranstaltung teilzunehmen. In deren Mittelpunkt standen die Vorgeschichte und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und das „Sondervermögen Bundeswehr“. Die Anwesenden diskutierten auch über Alternativen zu Waffenlieferungen.

Über die Rolle der Nato innerhalb des Krieges werde kaum kritisch berichtet, findet Wagner: „Diese Lücken müssen wir füllen.“ Die erste Nato-Osterweiterung 1999 sei ein „fundamentaler Bruch der Zusagen, die Nato nicht über die Elbe hinaus auszudehnen“, gewesen. Die zweite Nato-Osterweiterung um die baltischen Staaten im Jahr 2004 sieht er als „endgültigen Kipppunkt“. Wagner erinnerte an Putins Rede im Bundestag 2001, in der dieser angemahnt hatte, man solle sich wieder an das gemeinsame Haus Europa und eine Sicherheitsarchitektur erinnern. Sechs Jahre später ging der russische Präsident bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich schärfer mit der Nato ins Gericht. „2008 kam dann der erste Eskalationshöhepunkt: der Georgienkrieg“, so Wagner.

Der Konfrontationskurs zwischen Nato und Russland habe sich lange angebahnt, so Wagner. „Die Ukraine wurde dann relativ schnell zum Spielfeld und inzwischen zum Kampffeld dieser zwei antagonistischen Blöcke.“ In seiner Rede thematisierte der Militarisierungskritiker auch die Übergangsregierung der Ukraine im Jahr 2014, im Zuge derer sich ein Ost-West-Konflikt zwischen russischen Separatisten und der ukrainischen Regierung entwickelt hatte. Im Mittelpunkt der Konflikte standen die Krim und das Referendum, bei dem die Bevölkerung mehrheitlich für den Anschluss an Russland gestimmt hatte.

Wagner ging auf die unterschiedlichen Argumentationsansätze der russischen Regierung ein. So sprach er die „Entnazifizierung der Ukraine“ an, die von russischer Seite immer wieder zur Sprache gebracht wird. Die Übergangsregierung 2014 sei gespickt mit rechten Akteuren gewesen, sagte er. Man müsse jedoch auch bedenken, dass bei anschließenden Wahlen rechte Parteien nie große Wahlerfolge erzielt hätten.

„Aufrüstung gegen Sozialabbau“

Norbert Heckel von der Gewerkschaft Verdi betonte bei der Podiumsdiskussion, obgleich man sich einig sei, dass der russische Angriffskrieg ein Verbrechen sei, dürfe man nicht vergessen, die Ursachen auf beiden Seiten zu suchen. Neben der Untersuchung der russischen Argumentation ging Wagner auch auf eine Aussage von SPD-Politiker Michael Roth gegenüber dem Deutschlandfunk ein, er halte von Friedensverhandlungen erst einmal nichts. Diese Haltung sei zum Grundsatz der westlichen Politik geworden, bedauert Wagner. Die zwölf Redner einte die Position, dass es Optionen gebe, sich mit gewaltfreien Mitteln zur Wehr zu setzen, und man sich um diplomatische Lösungen bemühen müsse.

Franz Nadler, Mitbegründer und Vorsitzender des Vereins „Connection“, der sich für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure einsetzt, betonte in seinem Beitrag, dass auch Militärdienstflüchtlinge aus Russland dringend einen eigenen Status bräuchten, so wie er auch den Menschen zuerkannt wird, die aus der Ukraine fliehen.

Am gestrigen Sonntag stand dann das „Sondervermögen Bundeswehr“ in Zentrum der Debatte. Verteidigungsexperte und IMI-Vorstandsmitglied Tobias Pflüger von der Partei Die Linke referierte über die Entscheidung des Bundestags. „Sondervermögen heißt Sonderschulden, die die Schuldenbremse umgehen“, sagte er. Der durch die Bundesregierung genehmigte Sonderfond für die Bundeswehr und die Erhöhung des jährlichen Militärhaushalts katapultiere Deutschland auf den dritten Platz, was den Betrag für Militärausgaben weltweit angehe.

Mit der Anpassung des Militäretats auf mehr als zwei Prozent des BIP werde sich dieser künftig auf rund 75 Milliarden Euro jährlich belaufen. Ein historischer Höchstwert seit Ende des Kalten Krieges. „Aufrüstung gegen Sozialabbau ist der zentrale Punkt, den wir herausarbeiten müssen“, betonte er. In den Sozialbereichen, Klima und im Verkehrsbereich werde also auf Kosten von Aufrüstung gespart: „Das ist eine völlig falsche Prioritätensetzung“, kritisierte Pflüger. IMI-Beiratsmitglied Thomas Hascke ging in seinem Beitrag auf die Werbemaßnahmen der Bundeswehr und die aktuelle Situation ein: „Mit Werbefilmen will sich die Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft reinspielen.“ Insbesondere die massive Werbung auf Bildungsmessen, um junge Menschen zu rekrutieren, kritisierte er scharf.
Appell an die Regierung

Der rege Andrang habe gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war, den Ukraine-Krieg zum Themenschwerpunkt zu machen, sagte Jürgen Wagner. „Das Ziel der Veranstaltung ist es, kontroverse Standpunkte zu diskutieren“, bemerkte er vor Veranstaltungsbeginn.

Der klare Appell an die Bundesregierung: „Das absolute Minimum, das wir fordern, sind Verhandlungslösungen von der Bundesregierung.“ Man dürfe die Diplomatie nicht außen vorlassen, betonte Wagner im Gespräch mit dem TAGBLATT. Man müsse Druck auf die Bundesregierung ausüben und Verhandlungen herbeizuführen. „Die Waffenlieferungen tragen dazu bei, dass sich der Krieg noch länger hinzieht“, sagte auch Norbert Hackel von Verdi.


Auch zur Kundgebung im Vorfeld sind einige Berichte erschienen:

Wider die westliche Ukraine-Politik – in: Schwäbisches Tagblatt vom 21.11.2022

Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, keine Sanktionen gegenüber Russland – das waren die Kernforderungen auf einer Kundgebung am Samstag auf dem Marktplatz. Von: alb

Dies begründeten Heike Hänsel (Gesellschaft Kultur des Friedens), Gisela Kehrer-Bleicher (Tübinger Friedensplenum), Jacqueline Andres und Pablo Flock (beide Informationsstelle Militarisierung) mit dem Leid der Soldaten und der Zivilbevölkerung, gerade auch der russischen, mit Auswirkungen auf das Klima und dem wirtschaftlichen Überleben afrikanischer und asiatischer Menschen.

Die Vorwürfe gegen die Nato und die Bundesregierung waren vielfältig, nicht thematisiert wurden Erwartungen an die russische Seite außer einer Forderung nach Waffenstillstand von Heike Hänsel: „Gerade auch an die russische Führung, die den Krieg begonnen hat.“

Auf der Kundgebung sprach auch Susanne Büttner, Gefängnisdekanin der Evangelischen Kirche. Sie sprach für die Minderheit in der Landeskirche, die aus christlichen Gründen gegen Waffenlieferungen ist, räumte aber auch ein: „Da setzen wir uns vielleicht ins Unrecht. Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Die Befreiung von Cherson war eine gute Nachricht – dafür hat es Waffen gebraucht.“

Die gut 250 Zuhörenden, die vielfach Beifall spendeten während der Kundgebung, quittierten dies mit Schweigen.

Kundgebung für den Frieden auf dem Tübinger Marktplatz – in: Reutlinger Generalanzeiger vom 21.11.2022

Von: Michael Sturm

TÜBINGEN. Für Frieden demonstrierten am Samstag rund 250 Menschen auf dem Tübinger Marktplatz. Aufgerufen hatte die Informationsstelle Militarisierung (IMI) im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages. Die ehemalige Tübinger Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel (Linke) forderte einen sofortigen Stopp des Kriegs in der Ukraine und friedliche Mittel der Konfliktlösung. Susanne Büttner, Dekanin im Justizvollzug für die evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg, sagte, die Botschaft Jesu sei nicht mit der Politik der Aufrüstung zu verbinden. Vom Krieg profitiere allein die Rüstungsindustrie – mit Milliardengewinnen. Pablo Flock vom Netzwerk Friedensinitiative wies darauf hin, dass nicht nur Menschen in den Industriestaaten negativ von der Energiekrise betroffen seien. Auch Menschen in Dörfern der Dritten Welt litten durch steigende Preise: »Im globalen Süden gehen Existenzen zugrunde.« Jacqueline Andres (IMI) betonte, dass der Krieg die Klimakrise noch verschärfe. Schließlich bezeichnete Gisela Kehrer-Bleicher vom Antikriegsbündnis Tübingen die hundert Milliarden Sondervermögen, die der Bundeswehr von der Bundesregierung zugestanden worden war, als »Verschwendungsprogramm«. Es gab ein Theaterstück der OTKM-Theatergruppe aus Stuttgart und Musik von Liedermacher Hans Eitle. Auf seine Feststellung, dass »relativ wenige Junge« bei der Kundgebung dabei seien, forderte er: »Bringt Eure Kinder und Enkel mit!« Eine Stimme aus dem Publikum antwortete: »Die sind bei den Grünen.« (mac)

Kundgebung in Tübingen gegen Ukraine-Krieg und Aufrüstung – in: SWR4 am Morgen (21.11.2022)

Etwa 200 Menschen haben sich am Samstag in Tübingen versammelt und gegen Aufrüstung und Krieg demonstriert. Danach begann ein Kongress der Informationsstelle Militarisierung.

Unter dem Motto „Für den Frieden und ein gutes Leben für alle“ riefen in Tübingen mehrere Gruppen zum Aktionstag auf. Der fand in mehreren Städten bundesweit statt. Die Teilnehmenden der Kundgebung forderten einen Stopp der Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine.

Keine deutschen Waffen mehr für die Ukraine

Man müsse endlich zu einer Logik des Friedens kommen und aus der Eskalations- und Aufrüstungsspirale aussteigen, sagte die ehemalige Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Heike Hänsel aus Tübingen. Es gehe darum, den Frieden zu gewinnen, nicht den Krieg.

Forderung nach Friedensverhandlungen

Genau deshalb sei auch er zur Kundgebung gekommen, meinte ein Demonstrant, der sich auch für den anschließenden Kongress der Informationsstelle Militarisierung in der Hermann-Hepper-Halle interessierte. Es brauche ernsthafte Verhandlungen, damit der Krieg so schnell wie möglich beendet werden könne. „Ich glaube, wenn ich in der Ukraine leben würde und mein Haus und meine Familie von Bomben zerstört wird, sind Fragen von Gebietsverlusten zweitrangig“, erklärte er.
Kritik an Erhöhung des Bundeswehr-Budgets

Ein anderer Teilnehmer findet es problematisch, dass man das Budget für die Bundeswehr so massiv erhöhe. Das Geld solle lieber in andere Dinge investiert werden: „Wir können Windkraftwerke bauen, die Schulen aufrüsten – das ist wichtig und nicht das Militär.“ Mehr Geld in die Bewältigung des Klimawandels zu investieren, das findet auch Pablo Flock von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen wichtig.

Die Bundesregierung solle die ukrainische Regierung zu Friedensverhandlungen drängen, fordert auch Flock. Was das Ergebnis solcher Friedensverhandlungen sein könne? Laut Flock ein „Stopp der Kämpfe und Referenden unter UN-Aufsicht“. Dann, so stellt er es sich vor, könnten die Menschen in den Kriegsregionen selbst entscheiden, ob sie eigene Staaten sein, zur Ukraine oder zu Russland gehören wollen.

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de