Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2022/48

1.300 km Grenze zu Russland – Finnlands wehrhafte Gesellschaft setzt auf die NATO

Ben Müller (30.08.2022)

Am 18.5.2022 hat Finnland zusammen mit Schweden die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Zwar konnten beide Staaten auch schon vor dieser Entscheidung nicht als neutral bezeichnet werden; durch ihre Mitgliedschaft in der EU und durch ihren Status als NATO-Partnerländer mit enger militärischer Zusammenarbeit und Informationsaustausch sind sie schon lange klar dem nordatlantischen Lager zuzurechnen.

Dennoch stellt dieser Schritt eine deutliche Zäsur dar. Im Ostsee-Raum etwa werden sich die Kräfteverhältnisse durch zwei weitere NATO-Staaten stark verschieben, und auch in der Arktis werden dann unter acht arktischen Staaten sieben NATO-Mitglieder sein. Das kann bestehende Spannungen, Drohungen und Konflikte leicht verschärfen. Und auch das Verhältnis von Schweden und Finnland zu Russland dürfte sich grundlegend verändern.

Zeitenwende und Bildersturm in Finnland

Während des Kalten Kriegs war Finnland unter seinen Präsidenten Paasikivi und Kekkonen durch strikte Neutralitätspolitik geprägt. Nach zwei verlorenen Kriegen [1] gegen die Sowjetunion wurde 1948 ein Freundschaftsabkommen zwischen Finnland und seinem östlichen Nachbarn geschlossen, und Finnland hielt sich aus militärischen Bündnisfragen heraus. Das machte Finnland einerseits zu einem möglichen Vermittler zwischen Ost und West. Andererseits kritisierten vor allem konservative Kreise unter dem Stichwort »Finnlandisierung« einen zu starken Einfluss Moskaus auf die finnische Politik.

Das Prinzip der formalen Bündnisfreiheit war in Finnland auch noch nach der Auflösung der Sowjetunion und dem finnischen Beitritt zur Europäischen Union für viele Jahre vorherrschend. Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte sich die öffentliche Meinung allerdings schlagartig umgekehrt. [2] Auf einmal gab es in Meinungsumfragen Mehrheiten für einen Beitritt zur NATO und der Anteil der Befragten, der Russland als Bedrohung betrachtete, stieg auf knapp 80%. [3] Finnland hat sich in der Folge an Sanktionen gegen Russland beteiligt, die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt [4] und seine eigenen Militärausgaben gesteigert. [5]

Finnland hat aber auch mit Verweis auf den Ukraine-Krieg seine letzten Lenin-Statuen in Turku und Kotka aus dem öffentlichen Raum entfernt. [6] Da dieser Schritt weder den Menschen in der Ukraine hilft, noch dem russischen Militärapparat schadet (schließlich hat Putin selber in seiner Kriegsbegründung Lenin für die Existenz der Ukraine verantwortlich gemacht), geht es Finnland vermutlich eher um einen grundsätzlichen Kurswechsel und die Abkehr von seiner Vergangenheit und der »Finnlandisierung«. Anfang August wurde auch die seit 1990 in Helsinki stehende Statue für den Weltfrieden entfernt. Die von der Stadt Moskau gestiftete Skulptur war bereits in den Jahren davor wiederholt zum Ziel von Kritik und Anschlägen geworden. [7]

Blockadehaltung der Türkei

Die anderen NATO-Mitglieder haben die Entscheidung Schwedens und Finnlands überwiegend begrüßt und betont, dass die militärischen Kräfte der beiden Kandidaten die Allianz stärken werden. Gelegentlich wurde problematisiert, dass der Beistandsschutz nach Artikel 5 des NATO-Vertrags erst gelte, wenn alle 30 NATO-Mitglieder den Beitritt ratifiziert haben und dass Russland die​Zwischenzeit für einen Vergeltungsschlag gegen Finnland oder Schweden nutzen könnte. Ungeachtet der Wahrscheinlichkeit eines derartigen Szenarios würden die NATO-Staaten aber Mittel dagegen finden wie etwa bilaterale Schutzversprechen. [8]

Tatsächlich kam es seit dem Antrag auf NATO-Mitgliedschaft zu einer verstärkten Präsenz und Manöverbeteiligung anderer NATO-Truppen in Finnland. Bereits einen Tag nach Ankündigung des Beitrittsgesuchs flog ein US-Tankflugzeug demonstrativ die 1.340 km lange Landgrenze zwischen Finnland und Russland ab. [9] Ende Mai 2022 legten dann vier Kriegsschiffe aus Deutschland, Frankreich und den USA im Hafen von Helsinki an, um ihre Unterstützung zu zeigen. [10] Und im Juni machten zwei britische Kampfflugzeuge der Joint Expeditionary Force Station auf der Basis Rissala nahe Kuopio Halt. [11] Hinzu kamen gemeinsame Militärübungen von finnischen mit US- amerikanischen oder britischen Kräften. [12]

Das NATO-Mitglied Türkei nutzte den Antrag von Schweden und Finnland allerdings, um seine Zustimmung an politische Bedingungen zu knüpfen. Recep Tayyip Erdoğan beschuldigte die beiden Staaten, Angehörige kurdischer Organisationen und der Gülen-Bewegung zu unterstützen, bei denen es sich aus Sicht der Türkei um Terrorgruppen handele. Außerdem verweigerten sie Waffenlieferungen an die Türkei. Laut einer Umfrage waren 70% der Finnen nicht bereit, für die NATO-Mitgliedschaft ihres Landes der Türkei Zugeständnisse zu machen. [13] Trotzdem hatten sich die drei Staaten kurz vor dem NATO-Gipfel in Madrid auf eine Position geeinigt, wobei Finnland und Schweden in allen Punkten auf die Forderungen der Türkei eingegangen sind.

Das verabschiedete Abkommen betont die gemeinsamen Werte der drei Staaten und die gegenseitige Unterstützung im Kampf gegen terroristische Bedrohungen. Schweden und Finnland erklären die kurdische Arbeiterpartei PKK zu einer Terrororganisation und wollen den kurdischen Gruppen YPG/PYD sowie der Gülen-Bewegung keine Unterstützung zukommen lassen. Sie verweisen auf neuere Gesetzesausweitungen und Verschärfungen in der Strafverfolgung und verpflichten sich, türkische Auslieferungsgesuche zu prüfen. Außerdem bestünden keine Waffenembargos zwischen den drei Ländern. [14] Um der türkischen Position Nachdruck zu verleihen, hat Erdoğan später erneut angedroht, den Beitritt nicht zu ratifizieren, falls Schweden und Finnland ihre Zusagen nicht einhalten. [15]

Reaktionen aus Russland

Am zweiten Tag des Ukraine-Kriegs, lange vor den NATO-Beitrittsgesuchen, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Marija Sacharowa, Schweden und Finnland sollten ihre Sicherheit nicht darauf begründen, die Sicherheit von anderen zu zerstören, das könne militärische und politische Konsequenzen nach sich ziehen. [16] Diese Äußerung wurde umgehend auf Twitter und in westlichen Medien als »Drohung« Russlands eingestuft. Eine weitere Warnung kam im April 2022 vom stellvertretenden Leiter des russischen Sicherheitsrats Dmitri Medwedew. Er kündigte an, Russland müsse als Reaktion auf einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands seine Verteidigung im Ostsee-Raum verstärken und dort auch Atomwaffen stationieren. [17]

Etwas entspannter wird im Mai der russische Außenminister Sergei Lawrow zitiert. Der Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO mache keinen großen Unterschied. Die NATO werde aber wahrscheinlich die finnische und schwedische Souveränität nicht achten und das Territorium für ihre Ausdehnung nach Osten einplanen. [18] Auch Wladimir Putin sagte, es sei kein Problem, wenn Schweden und Finnland der NATO beitreten. Bisher gebe es dort keine Bedrohung. Aber wenn die NATO Militäreinheiten und Infrastruktur in diese Länder verlege, dann müsse Russland reagieren und die gleiche Bedrohung als Gegengewicht aufbauen. [19]

Gelegentlich wird im Westen auch über visuelle Propaganda gegen die NATO-Beitritte berichtet. So wurde am 8. Juni am Zaun des finnischen Konsulats in Murmansk ein Banner »Heil NATO« angebracht und auf dem Boden Grenzmarkierungen mit dem Schriftzug »NATO-Territorium«. [20] Zu einem anderen Zeitpunkt wurden in Moskau Werbeplakate gesehen, auf denen die finnisch- schwedischen Kinderbuchfiguren Muminpapa und Pippi Langstrumpf als Marionetten in der Hand von Uncle Sam dargestellt waren.[21] Auch eine konkrete Einschränkung für den finnischen Frachtverkehr steht im Raum, so könnte Russland den Pachtvertrag für den Saimaa-Kanal kündigen. Der 1856 fertiggestellte Kanal verbindet das Saimaa Seegebiet mit der Ostsee und verläuft etwa zur Hälfte über russisches Territorium. [22]

Militarisierung der finnischen Gesellschaft

In Finnland gilt eine Wehrpflicht für Männer, und für Frauen gibt es einen freiwilligen Wehrdienst. Damit kommt Finnland im Kriegsfall auf eine Truppenstärke von etwa 280.000 Soldat*innen. Hinzu kommen noch etwa 870.000 Reservist*innen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 5,5 Millionen. Ein Ausschuss des Parlaments führt in Finnland regelmäßig eine Umfrage zur Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung durch. Die im April/Mai 2022 erfassten Daten zeigen dabei den höchsten jemals ermittelten Wert: 83% sprechen sich dafür aus, Finnland bei einem Angriff auf jeden Fall mit Waffen zu verteidigen, auch wenn das Ergebnis unsicher sei. [23] Auch Militärchef General Timo Kivinen rühmt die finnische Kampfbereitschaft: »Die wichtigste Verteidigungslinie ist zwischen den Ohren« und: »Die Ukraine war ein harter Bissen zu kauen (für Russland) und das würde auch Finnland sein.«[24]

Der finnische Reservistenverband FRA, der unter anderem Militärtrainings anbietet, hat bereits im Januar und Februar einen starken Mitgliederzuwachs verzeichnet. Im Vergleich zum Vorjahr hätten sich die Zahlen mehr als verdoppelt. [25] Auch die Teilnahme an militärischen Trainingskursen ist sprunghaft gestiegen. Der nationale Militärtrainingsverband MPK, der neben Trainings für Reservist*innen auch Kurse für Zivilpersonen anbietet, meldete Anfang des Jahres 700 Anmeldungen anstatt der sonst üblichen 150. [26] Auch der finnische Frauenverband für Notfallvorsorge spricht von einer deutlich stärkeren Nachfrage für seine Kurse. Er bietet unter anderem Survivaltrainings für Frauen an, bei denen die Teilnehmerinnen in Militärkleidung und mit pinkfarbenen Kappen üben, Zelte aufzubauen, Feuer zu machen und sich mit dem Kompass zu orientieren. [27]

Mit der großen Nachfrage nach Militärtrainings hat Verteidigungsminister Antti Kaikkonen auch eine Änderung des Waffengesetzes begründet. Die regulären Waffen und Munition von Militär und Grenzschutz sollen künftig auch in freiwilligen Schießtrainings eingesetzt werden. Bisher war der Einsatz auf die Pflichtübungen der Reservist*innen beschränkt. Durch die Änderung würden zusätzliche Schießtrainings möglich, ohne einen »Wilden Westen« zu schaffen. [28] Seit dem Herbst 2021 gibt es in Finnland auch eine Debatte über eine Wehrpflicht für Frauen. Nach einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks YLE unter den Mitgliedern des Parlaments gibt es dafür allerdings keine Mehrheit. [29]

Zur finnischen Wehrbereitschaft passt auch die ausgedehnte Versorgung mit Schutzbunkern. Etwa 50.000 Bunker gibt es im Land, in denen rund 80% der Bevölkerung Schutz suchen können. Viele Schwimmbäder, Sporthallen und Parkhäuser sind so konstruiert, dass sie im Ernstfall in Schutzbunker umfunktioniert werden können. Auch das »Weihnachtsmanndorf« in Rovaniemi, eine touristische Attraktion mit eigenem Postamt des Weihnachtsmanns, ist als Bunkeranlage gebaut, die auch chemischen und atomaren Angriffen standhalten soll. Im Ernstfall könnten hier 3.600 Menschen untergebracht werden. [30]

Grenzsicherung gegen »hybride« Bedrohungen

Die Landgrenze zwischen Finnland und Russland erstreckt sich, wie gesagt, über 1.340 km. Der Großteil verläuft durch äußerst dünn besiedeltes Gebiet mit Hügeln, Seen, Wäldern und Mooren. Diese Grenze möchte Finnland jetzt stärker gegen »hybride« Bedrohungen sichern. Gemeint sind Flüchtlinge und Asylsuchende, die aus Russland nach Finnland einreisen könnten. Vorbild ist die Situation im November 2021 an der polnisch-belarussischen Grenze. Dort hatte Polen mit militärischer Härte die Einreise von Flüchtlingen verhindert, um der Welt die Skrupellosigkeit von Belarus und die Überlegenheit europäischer Werte zu demonstrieren.

Eine Umfrage unter Mitgliedern des finnischen Parlaments ergab im Juni 2022 eine Mehrheit für stärkere Grenzzäune zu Russland. Auch wenn es unrealistisch sei, die gesamte Grenze zu verstärken, sollten wenigstens kritische Bereiche mit stärkeren Zäunen versehen werden. Ein Mitglied der rechten Partei Die Finnen bemerkte zu seinem Votum, Zäune alleine würden nicht helfen, wenn sich die Tore durch das magische Wort »Asyl« öffneten. [31] Als Konsequenz verabschiedete das Parlament im Juli eine Änderung seiner Grenzgesetzgebung. Damit dürfen Behörden künftig in Ausnahmesituationen Grenzen schließen oder auf wenige Grenzübergänge reduzieren. Außerdem dürfen sie die Annahme von Asylanträgen auf einen zentralen Grenzübergang einschränken, sodass an der Grenze zu Russland dann keine Asylgesuche mehr gestellt werden können. [32]

Im Südosten Finnlands soll noch in diesem Sommer mit der Errichtung eines Versuchszauns auf einer Länge von 100-250 km begonnen werden. Dann könne seine Einsatzfähigkeit auch unter Herbst- und Winterbedingungen getestet werden. Es sei nicht nur ein Zaun, er verfüge auch über ein technisches Überwachungssystem, erläutert Matti Pitkäniity vom finnischen Grenzschutz. [33] Der Grenzschutz hat auch bereits seine Überwachungsflüge an der östlichen Grenze ausgeweitet. Für 2022 sind rund 4.000 Flugstunden mit Hubschraubern und Überwachungsflugzeugen geplant, das sind 25% mehr als 2021. Bei den vierstündigen Flügen werden verschiedene Sensoren wie Filmaufnahmen und Wärmebildkameras ausgewertet. 2026 oder 2027 sollen neue Flugzeuge in Betrieb gehen mit noch mehr Überwachungstechnologie, deren Auswertung nur mit künstlicher Intelligenz möglich sei. [34] Auch das finnische Militär setzt auf Überwachungsflüge und will bis zu 2.000 Drohnen für 14 Mio. Euro beschaffen. [35]

Ähnlich wie Estland, Lettland und Polen erwägt auch Finnland, die Vergabe von Tourismus-Visa an russische Staatsangehörige einzuschränken. Nach der Rückkehr von ihrem Sommerurlaub sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin, es sei nicht richtig, dass Russ*innen ein normales Leben führen und als Tourist*innen nach Europa reisen könnten, während Russland in Europa einen brutalen Angriffskrieg führe. Sie hoffe auf eine gemeinsame Entscheidung der europäischen Staaten. In der Zwischenzeit könne Finnland aber die Visa-Vergabe erschweren und verlangsamen. [36] Ab September sollen nur noch rund 100 Tourismus-Visa pro Tag an russische Staatsangehörige ausgegeben werden statt bisher rund 1.000. [37]

Die NATO in Finnland

Einen Tag nach der Einreichung des Antrags auf NATO-Mitgliedschaft, beeilte sich Sanna Marin, einen Pressebericht richtig zu stellen. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte berichtet, Marin habe sich auch im Fall eines NATO-Beitritts ihres Landes gegen die Errichtung von NATO-Basen und gegen die Stationierung von Atomwaffen in Finnland ausgesprochen. Marin betonte, diese Einschränkung nicht gemacht zu haben. [38] Der Bürgermeister der Stadt Lappeenranta, das in Südkarelien etwa 30 km von der russischen Grenze entfernt liegt, hat im Alleingang bereits den örtlichen Flughafen als mögliche NATO-Basis ins Gespräch gebracht. [39] Die Militärallianz hat zwar noch im Mai eine technische Vereinbarung mit Finnland abgeschlossen, die Details für den »host nation support« regelt, also für den Aufenthalt von NATO-Truppen in Finnland. [40] Die NATO habe aber bisher keine Pläne, Militärbasen in Schweden oder Finnland zu errichten oder dort zusätzliche Kräfte zu stationieren. Nach Aussage des stellvertretenden NATO-Generalsekretärs Mircea Geoana haben Schweden und Finnland ausgezeichnetes Militär, so dass sie sich selber verteidigen können. [41]

Ein Strategiepapier des Atlantic Council betont allerdings, dass ein NATO-Beitritt für Schweden und Finnland nicht nur Sicherheitsversprechen bringe. Auf die Länder kämen auch neue Aufgaben und Erwartungen zu. So könnte von Finnland verlangt werden, eine mechanisierte Bataillonsgruppe oder gar eine ganze Infanterie-Brigade für NATO-Einsätze bereitzustellen. Außerdem müssten beide Länder rund 150-200 zusätzliche Personen in NATO-Strukturen entsenden und auch über die Bereitstellung von Infrastruktur für die NATO-Kommandoebene nachdenken. [42]

Einschätzungen

Mit ihrer Entscheidung für einen NATO-Beitritt scheint die finnische Regierung blind der öffentlichen Meinung hinterherzulaufen. Wenn sich die Bürger bedroht fühlen und in Militärkursen ihre Verteidigungsfähigkeit trainieren, dann wird die NATO-Mitgliedschaft als einziger denkbarer Ausweg dargestellt. Im Gegensatz zu Norwegen, das zumindest formal keine fremden Basen und Truppen sowie keine Atomwaffen auf seinem Territorium zulassen will, nimmt Finnland keinerlei Rücksicht auf mögliche Sicherheitsbedürfnisse seines Nachbarlandes.

Vielmehr wird die Gelegenheit genutzt, um alten Ballast der »Finnlandisierung« abzuwerfen und nach Wegen zu suchen, Russland möglichst großen Schaden zuzufügen. Die drohende Grenzschließung und die Einschränkung bei der Visa-Vergabe betrifft dabei auch Menschen, die mit der russischen Innenpolitik nicht einverstanden sind und die den Krieg in der Ukraine ablehnen.

Noch ist nicht absehbar, wie die NATO das Territorium von Schweden und Finnland in ihre strategischen Pläne einbeziehen wird. Da sich die Allianz aber anscheinend nicht mehr an die NATO-Russland-Grundakte gebunden fühlt, ist es gut möglich, dass das gesamte Ostsee-Gebiet und die ausgedehnte Landgrenze zwischen Finnland und Russland künftig zum Austragungsort von Drohgebärden, Wettrüsten und Kriegsspielen wird. Mit mehr Sicherheit hat das jedenfalls nichts zu tun.

Anmerkungen

[1] Die Sowjetunion hat im »Winterkrieg« 1939 Finnland angegriffen, das nach dem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt in den sowjetischen Einflussbereich fiel. Im »Fortsetzungskrieg« ist Finnland dann 1941 an der Seite Deutschlands in die Sowjetunion einmarschiert. Als Folge beider Kriege musste Finnland große Teile Kareliens sowie seinen Zugang zum Arktischen Ozean abgeben.

[2] Christina Boger: Ja zur NATO? Finnland und Schweden nähern sich Beitritt, 11.4.2022 imi-online.de

[3] Yle survey: Nearly 80% consider Russia a threat, 3.3.2022 yle.fi

[4] Marin: Finland sending arms to Ukraine, MPs to discuss Nato on Tuesday, 28.2.2022 yle.fi

[5] Finland directs resources at defence after Russia’s attack on Ukraine, 6.4.2022 yle.fi

[6] Ronan Browne: Turku takes down Lenin statue, 28.4.2022 yle.fi , Finland’s last Lenin monument removed from streets of southern city, 14.6.2022 yle.fi

[7] Joshua Manning: Finland angers Russia with removal of Soviet Union World Peace statue, 8.8.2022 euroweeklynews.com

[8] If Finland and Sweden apply to join NATO, they would be welcomed, Stoltenberg says, 5.4.2022 reuters.com

[9] US military refuelling plane flies over Lapland day after NATO announcement, 14.5.2022 thebarentsobserver.com

[10] Four Nato warships dock in Helsinki, 29.5.2022 yle.fi

[11] British F-35’s to visit Finland next week, 22.6.2022 yle.fi

[12] US soldiers train with Finnish forces in Helsinki, 29.6.2022 yle.fi , Amphibious assault ship USS Kearsarge heads to Helsinki, 3.8.2022 yle.fi

[13] HS poll: Majority opposed to Turkey’s demands, 27.6.2022 yle.fi

[14] Trilateral Memorandum between Türkiye, Finland and Sweden, 28.6.2022 um.fi 15 Erdogan says Turkey will freeze Finland, Sweden’s NATO bids if promises not kept, 18.7.2022 reuters.com

[15] Erdogan says Turkey will freeze Finland, Sweden’s NATO bids if promises not kept, 18.7.2022 reuters.com

[16] Russia warns Sweden and Finland not to try to join NATO. 25.2.2022 arctictoday.com

[17] Russia’s Medvedev issues warning about Finland, Sweden Nato membership, 14.4.2022 yle.fi

[18] Russian Foreign Minister: Finland, Sweden Nato membership makes »not much difference«, 17.5.2022 yle.fi

[19] Putin plays down Finnish Nato accession, issues warning over military infrastructure, 30.6.2022 yle.fi

[20] In front of Finland’s Consulate office in Murmansk appears anti-NATO banner with Nazi undertone, 8.6.2022 thebarentsobserver.com

[21] Moomin features in anti-Finland propaganda on Moscow streets, 13.7.2022 yle.fi

[22] Russian media: Kremlin may terminate Saimaa canal contract if Finland joins Nato, 27.4.2022 yle.fi

[23] Ministry of Defence: Finns’ opinions on foreign and security policy, national defence and security, 18.5.2022 defmin.fi

[24] Anne Kauranen: Finland is ready to fight Russia if attacked – defence chief, 22.6.2022 reuters.com

[25]Finnish reservists‘ group sees spike in new applications, 28.2.2022 yle.fi

[26] Hundreds sign up for defence prep courses in Finland, 1.3.2022 yle.fi

[27] Essi Lehto: Worried about Russia, Finnish women sign up to learn defence skills, 8.6.2022 reuters.com

[28] New law puts more weapons in hands of volunteers, 23.5.2022 yle.fi

[29] Yle poll: One-third of MPs say conscription should be obligatory for women, 3.5.2022 yle.fi

[30] Essi Lehto, Anne Kauranen: In wary Finland, Santa’s grotto is also bomb shelter, 1.6.2022 reuters.com

[31] Survey: Majority of MPs back building fences on Finnish-Russian border, 7.6.2022 yle.fi

[32] Parliament approves border law change to thwart hybrid attacks, 7.7.2022 yle.fi

[33] Official: Trial of updated eastern border fence may start this summer, 8.7.2022 yle.fi

[34] Border Guard increases aerial surveillance along Russian border, 25.7.2022 yle.fi

[35] Finnish military to procure surveillance drones valued at €14m, 11.4.2022 yle.fi

[36] Finnish PM: EU should restrict Russian tourism, 8.8.2022 yle.fi

[37] Haavisto: Finland will cut Russian visas by 90%, 16.8.2022 yle.fi

[38] PM: Reuters misrepresented Nato comments, 19.5.2022 yle.fi

[39] Anurag Roushan: Finland: Lappeenranta Authorities Mull Offering City’s Airport To NATO For Military Base, 4.7.2022 republicworld.com

[40] Finland and NATO sign a Host Nation Support Technical Arrangement , 24.5.2022 valtioneuvosto.fi

[41] NATO Says No Plans for Bases in Sweden or Finland, 6.7.2022 thedefensepost.com

[42] John R. Deni: Sweden and Finland are on their way to NATO membership. Here’s what needs to happen next., 8.8.2022 atlanticcouncil.org

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de