Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Analyse 2022/37 - in: Ausdruck Juni 2022

Goldener Schweif

Geld verdienen mit militärischer Raumfahrt

Andreas Seifert (20.07.2022)

Satelliten sind ein Geschäft – es ist etwas, womit sich viel Geld verdienen lässt. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung vielleicht denkt, Programme wie die europäische Ariane-Rakete werden zum Wohle der Menschheit aufgelegt und durchgeführt, so stehen dahinter meist kommerzielle Unternehmen, deren Interesse mehr dem Feuerwerk auf den Aktionärskonten gilt, als dem Wohle der Allgemeinheit. Oft stehen auch militärische Interessen hinter der Raumfahrt – denn das Militär ist ein solventer Kunde.

Die großen deutschen Player in diesem Bereich sind schnell benannt: der Airbus-Konzern mit seinen Untergliederungen Defense & Space und dem Aushängeschild Ariane-Group, der Bremer Satellitenbauer OHB, sowie das Deutsche Zentrum Luft- und Raumfahrt (DLR). Daneben gibt es noch einen ganzen Kreis von kleineren Satellitenbauern, die sich meist auf so genannte Micro-Satelliten spezialisiert haben. Hinzu kommen Unternehmen, die in der einen oder anderen Weise den großen Systemherstellern zuarbeiten. Weltraumanwendungen sind oftmals in Kombination mit Anwendungen für die Luftfahrt zu finden, womit auch Unternehmen ins Spiel kommen, die eher der Luftfahrt zuzurechnen sind. Dies ist z.B. bei einigen elektronischen Baugruppen der Fall, die einen Einsatz im Weltraum, der Luftfahrt und zum Teil sogar in Land- oder Wasserfahrzeugen finden (z.B. Navigationssysteme jeder Art). Die konkrete Abgrenzung ist da nicht immer einfach. Im Alltag und im Wirtschaftsverkehr sind der Weltraum, bzw. Anwendungen, die auf der Nutzung von Satellitentechnik basieren, permanent zu finden. Jede Kartenanwendung auf dem Handy, jeder über die Ozeane hinweg verfolgbare Container, jede Wetterinfo, die wir bekommen, basiert auf Daten und Technologien, die mit Satelliten und damit mit dem Weltraum verknüpft sind. Die Grundlagenforschung in Deutschland und die daran angeschlossene wirtschaftliche Fortführung in Form von kommerzieller Forschung und Entwicklung nehmen den Weltraum und seine Nutzbarmachung gezielt ins Visier. Zu nennen sind hier die großen Institute der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft – eine Schlüsselposition nimmt auch hier das bereits erwähnte DLR ein, dessen Finanzierung durch staatliche Förderung (u.a. auch aus Mitteln des BMVg), Drittmitteln und Industrieaufträgen abgesichert wird.

Grob vereinfachend kann man vier kommerzielle Bereiche der Beschäftigung mit dem Weltraum unterscheiden:

Diese vier Bereiche bedingen einander und bauen teilweise aufeinander auf – die staatliche Involvierung nimmt von oben nach unten ab und je mehr man sich von dieser gedachten Spitze entfernt, desto mehr kann man damit verdienen.

Airbus – große alte Dame

Mit Blick auf die von Deutschland betrieben militärischen Satelliten wie z.B. dem Kommunikationssatelliten SatcomBW1 werden die Verflechtungen der unterschiedlichen Unternehmen deutlich. Das Grundmodul wurde von Thales Alenia Space, dem größten europäischen Satellitenhersteller mit Sitz in Frankreich, gestellt, mit Technik der Airbus Tochter Tesat-Spacecom bestückt und mit einer Ariane-Rakete in die Umlaufbahn befördert – koordiniert von der Airbus Defense & Space Tochter MilSat Services GmbH und dem DLR. Auch das US-Kommunikationsunternehmen Intelsat, das aus steuerlichen Gründen seinen Sitz in Luxemburg hat, war involviert – eine Firma, die ebenfalls Kommunikationslösungen für das Militär anbietet und Bandbreiten für konkrete Missionen verkauft. Die Bodenstationen, teilweise mobil für Auslandseinsätze, wurden von Airbus (ND-SatCom am Bodensee2) gestellt. Betrieben werden die zugehörigen Satelliten heute von Airbus DS, wobei das DLR als Betreiber von Bodenstationen und als Steuerzentrale für ggf. notwendige Umpositionierungen der Satelliten noch eine wesentliche Rolle spielt. Für diese Form der satellitengestützten, geschützten Kommunikation waren über 950 Mio. € für einen Zeitraum von 15 Jahren vorgesehen. Zuletzt 2016 schloss das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mit Airbus einen Service-Vertrag über 145 Mio. € bis 2022. Der aktuelle Nachfolgeauftrag für Stufe 3 ist bereits ins Gerede gekommen, nachdem bei Airbus in Taufkirchen interne Unterlagen – Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch – des BAAINBw aufgetaucht sind und Vorwürfe des Geheimnisverrats und Vetternwirtschaft im Raum stehen.3 Die Verflechtungen des Airbus-Konzerns mit anderen Akteuren, die in diesem Beispiel aufscheinen, sind symptomatisch für die gesamte Branche und zeigen sich auch bei anderen größeren Firmen.

OHB – Hochtechnologie im Dienste des Militärs

Der weitverzweigte Airbus-Konzern entwickelt und produziert die Komponenten an den unterschiedlichsten Orten. Maßgeblich ist vor allem Bremen, wo auch Teile der Ariane-Group angesiedelt sind und sich neben München einer der Cluster für Raumfahrt in Deutschland befindet. In Bremen findet sich auch der Hauptsitz von OHB (Orbitale Hochtechnologie Bremen – früher „Otto Hydraulik Bremen“) – ein Unternehmen, das als Zulieferer zu Airbus seinen Anfang nahm. Inzwischen fährt OHB allerdings mehr und mehr eigene Projekte und bringt sich z.B. als Produzent von Triebwerken (Rocket Factory Augsburg) oder als Betreiber ganzer Startanlagen (German Offshore Spaceport Alliance) ins Spiel. OHB ist ebenfalls eng mit der militärischen Raumfahrt verbandelt, auch wenn es von außen so scheint, als ob die Firma vor allem den „Markt“ für Kleinstsatelliten im Blick hat. Einen Markt, über den beispielsweise das Tracking von Containern auf hoher See ermöglicht wird. So ist OHB einer der wesentlichen Auftragnehmer auch für das zweite große Satellitenprogramm der Bundeswehr: den Überwachungssatelliten SARLupe.4 SARLupe nutzt Radartechnik, um wetterunabhängig hochauflösende Bilder von Landschaften aufzunehmen und einer taktischen Auswertung zuzuführen. Zum Zeitpunkt des Starts des ersten von fünf Satelliten 2006 war die Bundeswehr damit an vorderster technologischer Front. Das Ganze (Satelliten, Starts, Bodenstation, Software…) soll rund 746 Mio. € gekostet haben – und damit das Doppelte der ursprünglich eingeplanten Kosten – wovon rund 320 Mio. € bei OHB geblieben sind.5 Diese Satellitenkonstellation wird, so der Plan, um die der französischen Spionagesatelliten (Helios) und ggf. weitere erweitert werden, um einen europäischen Aufklärungsverbund zu schaffen. Auftragnehmer auch hier: OHB – Kostenpunkt rund 87 Mio. €. Die Bremer Firma ist zudem am SARLupe-Nachfolger SARah6 beteiligt, der aus drei weiteren Satelliten und zwei Bodenstationen besteht und wiederum eine Summe oberhalb der 800 Mio. € verschlingen wird. OHB ist dabei ganz unmittelbar auch auf Airbus und andere Unternehmen angewiesen. Wurde SARLupe noch mit russischen Trägerraketen ins All gebracht, so möchte man für SARah auf Kapazitäten des US-amerikanischen Unternehmens SpaceX zurückgreifen. Darüber hinaus bemüht sich OHB auch, neue Technologie im Bereich der Datenübertragung zu entwickeln, um der immer größer werdenden Datenmengen Herr zu werden – das geht dann über die Satellitenanwendung hinaus und betrifft beispielsweise auch Drohnen, die über Gefechtsfeldern kreisen. Um in diesem Geschäftsbereich erfolgreicher zu werden, plante OHB 2021 einen Anteil am Sensorhersteller Hensoldt zu erwerben – wurde aber vom italienischen Rüstungskonzern Leonardo ausgestochen. Proaktiv in der Bereitstellung von Überwachung ist OHB auch auf europäischer Ebene und bietet das für Deutschland entwickelte System Athene für lächerliche 500 Mio. € an, um Start und Flugphasen von Raketen (beispielsweise von ballistischen Raketen aus „Staaten mit instabilen Strukturen“) zu verfolgen.7

DLR – die Spinne im Netz

Das Deutsche Zentrum Luft- und Raumfahrt wird fälschlicherweise oft für eine Bundesbehörde gehalten, da es verschiedene Aufgaben in der Ressortforschung (u.a. BMVg), der Abwicklung von Bundesforschungsprogrammen (DLR-Projektträger) innehat und auch staatliche Aufgaben in der Raumfahrt wahrnimmt. Zudem ist das DLR zum überwiegenden Teil bundesfinanziert. Letztlich ist es aber ein Verein, der als Teil der Grundlagenforschung in Deutschland weitgehend autonom seine Forschungsagenda festlegt und auch Auftragsforschung erledigt. In Punkto Raumfahrt hat das DLR überdies eine Sonderstellung, da es die Auftragsvergabe für die deutsche Raumfahrt übernimmt und somit über das eigene Budget von zuletzt rund 1,3 Mrd. € hinaus noch rund 3 Mrd. € an Aufträgen vergeben kann. Das DLR betreibt die bodengebundene Infrastruktur zur deutschen Raumfahrt, überwacht die Satelliten im All und die internationale Raumfahrtstation ISS. Neben der IABG (Industrieanlagen Betriebsgesellschaft, Ottobrunn) ist das DLR die einzige Institution in Deutschland, die die Testzertifikate für die Raumfahrt ausstellen kann. So bestimmt das DLR mit, wer überhaupt in diesem Gebiet aktiv werden kann. Auch sind es oftmals die Expertise und Machbarkeits-Analysen des DLR, die für das Agendasetting zukünftiger Forschungsschwerpunkte des Bundes herangezogen werden. Da ist es dann besonders praktisch, wenn die Projektträgergesellschaft auch die Abwicklung der Programme überwacht. Die Arbeitsschwerpunkte der DLR sind neben der Raumfahrt: Energie, Digitalisierung, Sicherheit und Mobilität. Die enge Verbindung zum Militär wird nicht nur in den Leitwarten des DLR gepflegt, wo immer auch Bundeswehrpersonal mit anwesend ist, sondern z.B. auch in Kooperationsverträgen zwischen dem DLR und der Universität der Bundeswehr in München. 2021 wurde eine Vertiefung der bestehenden Kooperation beschlossen, die insbesondere darauf abzielt, „kritische Weltrauminfrastrukturen“ besser zu betreuen und die Reaktionszeiten bei der Satellitenverbringung zu erhöhen.8

Anmerkungen

1 Siehe z.B. die Darstellung von SATCOMBW auf den Seiten Bundeswehr – www.bundeswehr.de

2 Die Firma wurde inzwischen teilweise aus dem Airbus-Konzern ausgegliedert, wobei bestimmte, mit dem konkreten militärischen Geschäft verbundene Anteile bei Airbus verblieben sind.

3 Gebauer/Schmitt/Traufetter, Die verhängnisvolle Nähe von Airbus zu Bundeswehr-Planern, Spiegel 19.9.2019

4 Siehe z.B. die Darstellung von SARLupe auf den Seiten Bundeswehr – www.bundeswehr.de

5 Eigendarstellung des Konzerns – www.ohb-system.de

6 Siehe z.B. die Darstellung des Projektes SARah bei OHB, www.ohb-system.de

7 Webseite des Unternehmens zum Projekt Athene, www.ohb-system.de

8 Pressemitteilung 20.6.2021: DLR und Universität der Bundeswehr kooperieren in der Raumfahrt- und Sicherheitsforschung, www.dlr.de

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