Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de

IMI-Standpunkt 2022/019

Blockaden in Ost und West

Protest und Widerstand gegen die Logistik des Krieges

Jan Hansen (21.04.2022)

Nicht nur der gescheiterte Angriff auf Kiew und das Desaster um den russischen Mega-Konvoi  zeigt, dass ohne funktionierende Logistik Kriege nicht zu führen sind. Das macht die Eisenbahn und andere Transportformen zu einem wichtigen Angriffsziel für Kriegsgegner*innen. Das erleben alle am Krieg in der Ukraine beteiligten Mächte gerade in Belarus, Italien und Griechenland.

Sabotage gegen die Eisenbahn in Belarus

Bereits um den 23. März herum gab es Meldungen über „Partisan*innen“, die in Belarus die Schienenwege Richtung Ukraine attackierten. Dabei war von Signalstörungen, Kabelbränden und beschädigten Schienen und Gleiskörpern die Rede. Doch es war schwer abzuschätzen, ob es sich bei diesen Meldungen um Propaganda handelte. Die Berichte wurden zu Beginn lediglich von ukrainischen Quellen bestätigt. Mittlerweile gab die belarussische Regierung bekannt, dass ihr Geheimdienst über 40 Eisenbahnangestellte wegen Sabotage verhaftet und einige dabei angeschossen habe.[1]

Derweil hat die Schienensabotage wohl auch Russland erreicht: Vyacheslav Gladkov, der Gouverneur der Region Belgorod, beschwerte sich am 12. April 2022 bei Twitter, dass Ukrainer*innen auf seine Seite der Grenze kämen, um Schienen Richtung Kiew zu zerstören. Auch wenn die Bilder einer zerstörten Eisenbahnbrücke beeindruckend aussehen: Bisher gibt’s die Meldung nur vom Herrn Gouverneur höchstselbst. Es ist also völlig unklar, wer oder was hinter der Attacke steckt.[2] Währenddessen hat auch die Nato mit Protest zu kämpfen.[3]

Protest und Streik in Italien

In Italien verweigerten sich Transportarbeiter*innen gleich mehrfach, Waffenlieferungen abzufertigen. Auf dem Flughafen Pisa entdeckten Arbeiter*innen Mitte März Waffenlieferungen, die als humanitäre Hilfsgüter getarnt waren und legten die Arbeit nieder. Auf einer Demonstration gegen diese Waffenlieferungen mit rund 2.000 Teilnehmer*innen meldete sich ein Mitglied der Gewerkschaft Unione Sindacale di Base zu Wort: „Wir glauben nicht, dass Waffenlieferungen die Situation lösen, weil wir damit einen dritten Weltkrieg riskieren“.[4]

In Genua protestierten Hafenarbeiter*innen, nachdem sie entdeckt hatten, dass sie Panzer verladen sollten, die mit Planen abgedeckt waren. Als Ausdruck des Widerstands gegen Waffentransporte wurde am 31. März ein ganztägiger Hafenstreik unter dem Motto „Kein Cent, kein Gewehr und kein Soldat für den Krieg. Wir blockieren unsere Häfen für den Waffenhandel“ abgehalten.[5] Gemeinsam mit Aktivist*innen der Gruppe „Genova Antifascista“ blockierten die Streikenden eine Hafenzufahrt. Eine anschließende Kundgebung fand unter dem Motto „Wer profitiert vom Krieg?“ statt. Dieser Widerstand gegen Waffenlieferungen über den zivilen Hafen in Genua ist nicht neu. Bereits in den letzten Jahren hatte die Gewerkschaft Unione Sindacale di Base und Aktivist*innen von „Weapon Watch“[6] gegen Waffentransporte protestiert.

Griechische Bahnarbeiter*innen blockieren Waffentransport

Seit Mitte März verweigern griechische Bahnarbeiter*innen die Arbeit an Zügen, die für Waffenlieferungen vorgesehen waren. Im Hafen von Alexandropoli in Nordgriechenland sollten US-Panzerfahrzeuge auf Bahnwaggons verladen werden, um von dort aus ihre Reise Richtung Norden anzutreten. Trotz massivem Druck widersetzten sich auch Angestellte in Thessaloniki, die für die anstehenden Arbeiten nach Alexandropoli gebracht werden sollten. Die Drohung mit Entlassung durch die private Bahngesellschaft TrainOSE führte allerdings dazu, dass sich weitere Gewerkschaften – v.a. aus dem Spektrum der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) – mit den Bahnarbeiter*innen solidarisierten. In einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Gewerkschaften heißt es: „Wir werden uns nicht mitschuldig machen, wenn Kriegsmaschinerie durch unser Land rollt.“[7] Am 7. April blockierten Demonstrant*innen der KKE die Gleise in Alexandropoli.[8] Berichte darüber, was nach der Blockade passierte, waren leider nicht zu finden. Auch in Alexandropoli wurde allerdings nicht das erste Mal gegen die Nutzung des Hafens durch die US-Armee protestiert. Im November 2021 versammelten sich Tausende in der Stadt, um gegen die Nutzung des Hafens als Umschlagplatz der US-Streitkräfte zu protestieren.[9]

Und in Deutschland?

Die letzte vergleichbare Aktion in Deutschland fand 2008 statt. Damals blockierte eine kleine Gruppe Aktivist*innen zwischen Husum und Schleswig einen Zug mit Flugabwehrraketen für die Nato-Response-Force, um gegen die deutschen Auslandseinsätze zu protestieren. Eine beteiligte Person berichtete auf dem letzten IMI-Kongress von der Blockade-Aktion und den anschließenden Gerichtsprozessen.[10]

Dass die deutsche Friedensbewegung immer noch lieber Bahnsteigkarten kauft, statt zu blockieren, ist recht überraschend. Denn im selben Land hat die Anti-Atom-Bewegung, die teilweise aus dem selben Personenreservoir schöpft, vielfältige Protest- und Blockadeformen rund um die Eisenbahn entwickelt und mit großem Erfolg praktiziert. Bei Interesse finden sich Anregungen in einem Katalog zur Ausstellung „Trainstopping“.[11]

Anmerkungen


[1]     ntv: Partisanen halten Russen auf – Belarussen führen neuen „Schienenkrieg“, 04. April 2022, n-tv.de und Tagesspiegel: Verdächtige wegen „Sabotage“ an Bahnstrecken in Belarus festgenommen,  7.4.2022, tagesspiegel.de.

[2]     The Guardien: Key Russian railway bridge destroyed in Belgorod near border with Ukraine, 12. April, theguardian.com.

[3]     German Foreighn Policy: „Alles unterhalb eines Kriegseintritts”, 06. April 2022, german-foreign-policy.com.

[4]     Global Times: Italian union protests against sending weapons to Ukraine in humanitarian cargo – ‘We risk WWIII’, 21. März 2022, globaltimes.cn.

[5]     ask news: Ucraina, sciopero Usb al porto di Genova: contro traffico armi, 31. März 2022, askanews.it, (Übersetzung via deepl.com)

[6]     Für weitere Infos die Website von Weapon Watch unter: weaponwatch.net.

[7]     Rizospastis: Sie weigern sich, bei der Verlegung von NATO-Panzern „nachzugeben“, 03. April 2022, rizospastis.gr, (Übersetzung via deepl.com).

[8]     Greece: Protesters Block NATO Armaments Bound for Ukraine, 07. April 2022, Video via youtube.com.

[9]     Andadolu Angency: Expanding American military presence protested in northern Greece, 28. November 2021, aa.com.

[10]   Der Beitrag in Textform unter imi-online.de, oder als Audio: wueste-welle.de.

[11]   Trainstopping – Eingriff in den Schienenverkehr: Blockade & Sabotage von Bahnverkehr im Kontext der Anti-Atom-Bewegung, abrufbar unter: docplayer.org.

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Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - www.imi-online.de